Shilik, Maria: Der Unabomber revisited: Über „Spuren eines Unsichtbaren“ von Stefan Preis, 22.07.2015

Besprochen von Maria Shilik

  • PREIS, Stefan: Spuren eines Unsichtbaren – Der Fall Kaczynski als Bibliotheksphänomen betrachtet. Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2015.

Wenn Terror Menschenleben fordert, bemühen sich Medien, Aufklärungsorgane und Polizei um schnelle, plausible Erklärungen und Motive für die Vorkommnisse: Teils um die Sensationslust der Menschen zu befriedigen und damit mehr Öffentlichkeit zu erreichen, teils um weitere Gewalt zu verhindern, vielleicht aber auch um weitere Spekulationen und Nachforschungen zu stoppen. Nach der Auflösung des Rätsels hinter dem sogenannten ‚Unabomber‘, der zwischen 1978 und 1995 mehrere Anschläge mit insgesamt drei Toten und 23 Verletzten in den USA verübt hatte, begnügten sich die Ermittler damit, den Täter Theodore Kaczynski zunächst nur als einen einsamen Menschen mit emotionalen Problemen zu beschreiben. Jedoch war Kaczynski ein hochbegabter, ehemaliger Mathematikprofessor, der sich in den 1970er Jahren zurückzog, um allein in einer Blockhütte im Wald zu leben. Er gehörte mit seinen Taten keiner Gruppierung oder Bewegung an, hatte aber durchaus seine eigene politische Motive, die er 1995 in einem ,Manifest‘ veröffentlichte.

„Freie Journalisten in Deutschland“-Verdünntes Weihwasser

Besprochen von Bastian Buchtaleck

  • MEYEN, Michael/ SPRINGER, Nina/ in Kooperation mit dem DFJV: Freie Journalisten in Deutschland. UVK, Konstanz 2009. ISBN: 978-3867641562.

freie journalisten ein deutschland- verdünntes weihwasser

                                       © UVK – Verlag

 

Bereits 2006 stellte der ehemalige Chef des Deutschen Journalistenverbandes Siegfried Weischenberg fest, dass „die Professionalität und die Identität des Journalismus bedroht“ seien. Er bezeichnete den Traumberuf vieler junger Menschen als ‚Weihwasser‘, das die Kommunikationsverhältnisse der Gesellschaft durchaus reinige, sieht es jedoch als schon reichlich verdünnt an. Nun haben Michael Meyen und Nina Springer in Kooperation mit dem Deutschen Fachjournalisten-Verband auf 180 Seiten einen umfassenden Report zusammengetragen. Er basiert auf einer vom Institut für Kommunikations­wissenschaft und Medienforschung der Universität München konzipierten Online­befragung von mehr als 1500 Journalisten und 82 Interviews. Um mehr über die berufliche Situation freier Journalisten in Deutschland zu erfahren, wurden die Teilnehmenden zu den Themen Werdegang, Arbeitsalltag und zu ihrem Selbstverständnis befragt.

NAURU ist überall

Besprochen von Leif Allendorf

  • FOLLIET, Luc: Nauru – Die verwüstete Insel. Wie der Kapitalismus das reichste Land der Erde zerstörte. Wagenbach-Verlag 2011. ISBN: 978-3803126542.
Nauru                                            © Wagenbach Verlag

 

In seiner Studie „Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen“ beschreibt der Amerikaner Jared Diamond in einem Gedankenspiel, wie der letzte Baum der Osterinsel von der Urbevölkerung gefällt wurde. Der ganze Wald ist bereits abgeholzt worden, damit die Pazifikbewohner die berühmten Steinstatuen errichten und transportieren konnten. Nun ist nur noch ein letzter Baum übrig. Die Bewohner der Osterinsel waren keine dummen Kreaturen, es waren Menschen von Verstand wie wir. Und trotzdem fällten sie um etwa 1500 nach Christus den letzten Baum und zerstörten damit sehenden Auges die letzte Möglichkeit, dass sich die Insel wieder bewaldete. Was mag den Holzfällern durch den Kopf gegangen sein, als sie den letzten Baum der Insel mit ihren Steinäxten niederwarfen?

Keine Standing Ovations

Besprochen von Linda Stanke

  • FISCHER, Heinz-Dietrich: Picture Coverage of the World. Pulitzer Prize Winning Photos. Lit Verlag 2011. ISBN: 978-3643108449.

Welche Erwartungen weckt ein Buch mit dem Titel Picture Coverage of the World. Pulitzer Prize Winning Photos? Die meisten werden wohl einen Bildband vermuten, der mit ergänzenden Hintergrundinformationen zu den Bildern, den Fotografen und vielleicht noch zur Geschichte des „Pulitzer Prize for Press Photography“ ergänzt wird. Je nach wissenschaftlichem oder künstlerischem Anspruch bestimmen Text oder Bilder die äußere Erscheinung des Werkes. Blättert man durch Heinz-Dietrich Fischers 2011 im Lit Verlag erschienenes Buch, ist man sich der Bestimmung nicht sicher. Da der Textanteil überwiegt, kann nicht von einem Bildband gesprochen werden. Man einige sich also auf die wissenschaftliche Lesart.

Vom Mikrofilm zur Wissensmaschine. Emanuel Goldberg zwischen Medientechnik und Politik.

Besprochen von Hans W. Giessen

  • BUCKLAND, Michael: Vom Mikrofilm zur Wissensmaschine. Emanuel Goldberg zwischen Medientechnik und Politik. Aus dem Englischen von Gernot Rieder. Avinus, Berlin 2010. ISBN: 978-3869380155.

(Erstmals erschienen in: Information – Wissenschaft & Praxis 62 Jahrgang Nr. 2/3, März/April 2011, 134 – 135.)

Dass sich die Technik, die gesellschaftliche Entwicklung, das Weltwissen immer schneller ändern, ist ein Gemeinplatz. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass die Informationswissenschaft vor allem auf die Gegenwart blickt. Dabei ist auch ihre Geschichte überraschend und teilweise ausgesprochen spannend. Ein Beispiel ist die Lebensgeschichte des Emanuel Goldberg (geboren am 31 August 1881 in Moskau, gestorben am 13 September 1970 in Tel Aviv), die in weiten Teilen eine deutsche Lebensgeschichte ist – bis Goldberg in den dreißiger Jahren nach Israel fliehen musste.

PRO und KONTRA: „Scheißkerle“ vom Roman Maria Koidl

Besprochen

  • KOIDL, Roman Maria: Scheißkerle. Warum es immer die Falschen sind. Hoffmann und Campe, Hamburg 2010. ISBN: 978-3-455-50154-4.

Der vorliegende Titel hat in der Redaktion dermaßen polarisierte Reaktionen ausgelöst, dass wir uns – einmalig in der Geschichte des „besprochen“-Magazins – entschlossen haben, die unterschiedlichen Positionen in einem „Pro“ und einem „Kontra“ wiederzugeben.

KONTRA
von Daniela Nagorka

Rendezvous statt Kampf der Kulturen?

Besprochenvon Hans W. Giessen

  • COURBAGE, Youssef/ TODD, Emmanuel: Die unaufhaltsame Revolution: Wie die Werte der Moderne die islamische Welt verändern. Piper, München 2008. ISBN 978-3492051316 Pick It!

Der französische Originaltitel „Rendezvous der Kulturen“ („Le rendez-vous des civilisations“) ist natürlich eine Reaktion auf Samuel Huntingtons vielbeschworenen „Kampf der Kulturen“ („ Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“) von 1996, dessen vieldiskutierte These besagt, dass die Konfliktlinien auf der Welt entlang kultureller – eigentlich: religiös-ideologischer – Großräume verlaufen. Der 11. September 2001 wurde vielfach als dramatischer Beleg für Huntingtons Szenario empfunden.

Gedächtnismedium Film: Holocaust und Kollaboration in deutschen und französischen Spielfilmen seit 1945

Besprochen von Victor Nono