„Davon wird es sicherlich mehr geben!“. Julia Leyda zum Begriff „Cli-Fi” im Interview mit Annette Diegel und Nadine Eder, 05.11.2016

von Annette Diegel und Nadine Eder

Auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck hielt die Filmwissenschaftlerin Julia Leyda am 05.11.2016 während des Lübeck Film Studies Colloquiums den Vortrag „Occupied: Cli-Fi and Contemporary TV“. Hierbei stellte sie den Begriff „Cli-Fi” – Climate Fiction anhand narrativer Strategien der norwegischen Serie Occupied aus dem Jahr 2015 vor. Dabei rechtfertigte sie die Etablierung des Begriffes durch vermehrt aufkommende Filme und Serien, die den Klimawandel und seine Folgen thematisieren.

Das Lübeck Film Studies Colloquium ist eine Kooperation der Nordischen Filmtage mit dem Journal of Scandinavian Cinema und richtet sich an Wissenschaftler und Studierende. Der Schwerpunkt lag 2016 auf dem Thema „Intercultural Meeting and Documentary Cinema“, innerhalb dessen Leyda ihren Vortrag im Rahmen der Kategorie „Environmental Issues in Nordic Film and Television“ hielt.

Annette Diegel/ Nadine Eder: Frau Leyda, Ihre Präsentation drehte sich rund um den Begriff „Cli-Fi“. Können Sie erklären, wie dieser Begriff entstand und wie er sich weiterentwickelte? Gab es denn z. B. einen ausschlaggebenden Film, durch den sich der Begriff anfänglich etablierte?

Julia Leyda: Meines Wissens nach gibt es den Begriff „Cli-Fi“ seit beinahe zehn Jahren und zunächst wurde er online verwendet. Dan Bloom gibt an, den Begriff in erster Linie erfunden zu haben und setzt sich sehr engagiert, für die Verbreitung von „Cli-Fi“ als neuem Begriff oder als Kategorie ein. Der Begriff hat sich allerdings gewissermaßen verselbstständigt: Es wurden diverse Artikel, beispielsweise in Magazinen, veröffentlicht, die den Begriff definieren und weiterhin erläutern. „Cli-Fi“ entstand im Rahmen von Fiction, sowohl innerhalb von Romanen als auch von Filmen, wie z. B. The Day After Tomorrow (2004), bei dem der Begriff „Cli-Fi“ das erste Mal aufzufinden war.

Ist der Begriff „Cli-Fi“ tendenziell eher ein Begriff, den Forscher verwenden? Oder benutzen auch Filmemacher den Begriff, um ihrem Publikum dieses Thema näherzubringen bzw. würden sie ihre Filme selbst als „Cli-Fi-Filme kategorisieren?

JL: Das variiert und führt insbesondere innerhalb der Literatur zu verschiedenen Meinungen. Margaret Atwood z. B. hat diesen Begriff gerne angenommen und benutzt ihn häufig in ihren Arbeiten zum Klimawandel. Andere Autoren hingegen lehnen den Begriff ab und sind der Meinung, diese neue Kategorie sei nicht nötig. Journalisten sind oft daran interessiert, weil es ein neuer Begriff ist, der sich ‚strange‘ anhört. Ich habe z. B. erst vor Kurzem ein Interview mit einer Reporterin vom rbb geführt. Sie schien an dem Begriff interessiert und wollte, dass ich diesen genauer erläutere.

Inwiefern können Serien oder Filme als „Cli-Fi“ kategorisiert werden bzw. gibt es gewisse Eigenschaften, die erfüllt werden müssen, um in das Schema von „Cli-Fi“ zu passen?

JL: Da es ein relativ neuer Begriff ist, ist das noch ziemlich offengestellt. Ich benutzte ihn z. B. für jegliche [fiktionale, Anm. d. Autors] Art von Texten, die mit dem Klimawandel zu tun haben. In der norwegischen Serie Occupied geht es beispielsweise nicht um die Folgen des Klimawandels – so wie es normalerweise in einem ‚Katastrophen-Film‘ der Fall wäre. Der Klimawandel wird hier hingegen als eine Art Katalysator für die Story verwendet. Es gibt außerdem viele Filme, die den Begriff als eine Form von dystopischem Ansatz verwenden. So wird beispielsweise eine Welt dargestellt, in der nicht genügend Wasser vorhanden ist und zudem das Wetter zu heiß ist, sodass man nicht lange in der Sonne stehen kann, da die Haut zu brennen anfangen würde. Ein Szenario etwa dieser Form wurde im deutschen Film Hell (2011) aufgegriffen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass es verschiedene Ansichtsweisen und Verwendungen für den Begriff „Cli-Fi“ gibt.

Da der Fokus des heutigen Colloquiums u. a. auf Dokumentationen liegt, scheint ebenso die Frage interessant, ob bzw. inwiefern dem Begriff „Cli-Fi“, der eigentlich aus dem Fiction-Bereich stammt, ebenso ein dokumentarischer Charakter zugeordnet werden kann?

JL: Viele Leute innerhalb der Sustainability Studies suchen in „Cli-Fi“ eine spezifische ‚Message‘ für die Rezipienten. Diese gibt es jedoch nicht, denn „Cli-Fi“ ist lediglich Fiktion. Filme und Bücher, die „Cli-Fi“ aufgreifen, stammen aus dem Bereich Fiction und Fantasy. Sie können zwar den Effekt haben, uns über den Klimawandel nachdenken zu lassen, allerdings vermitteln diese keine objektiven Daten. „Cli-Fi“ entfernt sich somit ziemlich vom Dokumentarfilm, obwohl es hingegen in der Tat zahlreiche Dokumentationen über den Klimawandel gibt. Ich möchte jedoch mit meinen Arbeiten einen Blick auf diverse Vorstellungen zum Klimawandel werfen.

Würden Sie demnach sagen, dass ausgehend von „Cli-Fi“-Filmen oder -Serien nicht zwingenderweise bestimmte Schlüsse gezogen werden müssen?  Oder ist es hingegen die Absicht bestimmter Filme und Serien, das Bewusstsein für den Klimawandel zu stärken?

JL: Das hängt natürlich von dem Film oder der Serie ab. Es gibt immer wieder Reviews über einen bestimmten Film, in dem Fragen auftauchen, inwiefern das Dargestellte denn akkurat oder möglich ist. Dies sind zwar wichtige Fragen, allerdings ist für mich hierbei die wichtigste Frage, wie diese Filme uns über den Klimawandel nachdenken lassen und uns motivieren. Nicht im intellektuellen Sinne, sondern auf emotionaler Ebene und folglich auf diese Weise unser Denken und Verhalten beeinflussen. Das geschieht natürlich nicht nur anhand eines einzigen Filmes. Das Anschauen mehrerer Filme steigert jedoch das Potenzial, unsere Gefühle und Eindrücke zu intensivieren. Es wird somit eher eine emotionale Wirkung hervorgerufen als eine bestimmte ‚Message‘.

Glauben Sie, dass es zukünftig vermehrt Filme geben wird, die sich dem „Cli-Fi“ Genre zuordnen lassen?

JL: Definitiv! Es ist ein immer mehr an Bedeutung gewinnendes Thema, das in den Nachrichten und in unserer Welt stets präsent ist. Es könnte derzeit kaum weniger TV-Serien über dieses Thema geben… Occupied und Incorporated sind bislang zwei der wenigen Serien, die dieses Thema wirklich aufgreifen. Davon wird es sicherlich mehr geben!

Dieses Interview wurde in englischer Sprache geführt und nachträglich übersetzt.

Julia Leyda war 2016 als Senior Fellow am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam tätig und forschte an dem Projekt „Cultural Affordances of Cli-Fi: 21st-Century Scenarios of Climate Futures”. Des Weiteren doziert sie an der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) im Fachbereich Kunst- und Medienwissenschaften in Trondheim. Derzeit forscht sie intensiv zum Thema „Climate Fiction” („Cli-Fi“) in Film und Fernsehen. Siehe dazu auch das Paper The Dystopian Impulse of Contemporary Cli-Fi.

Gedächtnismedium Film: Holocaust und Kollaboration in deutschen und französischen Spielfilmen seit 1945

Besprochen von Victor Nono

Ausgehend von den Arbeiten von Harald Welzer wendet sich Christoph Vatter einem in den letzten Jahren gewachsenen Interesse an der Mediatisierung von Erinnerung, insbesondere an den Holocaust und den Nationalsozialismus zu. Anders als Welzer interessiert er sich jedoch weniger für die Rückwirkung der filmischen Darstellung auf die Zeitzeugen als vielmehr auf den Beitrag von filmischen Darstellungen für die Diskursgeschichte des Dritten Reiches bzw. Frankreichs unter deutscher Besatzung. „Medien können nach dieser Auffassung ein Erinnerungsangebot darstellen“, schreibt Vatter,  „das – wenn es entsprechend breit rezipiert wird – zum Kommunikationsanlass werden und in einer bestehende Erinnerungskultur integriert werden kann. Das Zusammenspiel mehrerer Medien, d.h. die transmediale Darstellung eines Ereignisses oder Themas, könnte – in Analogie zu kognitiven Lerntheorien – zu einer tieferen Verarbeitung und damit auch zu produktiven Aneignungsprozessen der Rezipienten beitragen […] Die Erinnerungskultur einer Gesellschaft umfasst demnach nicht nur das erinnerte historische Geschehen, sondern auch die Summe all seiner medialer Verarbeitungen, die Gegenstand gesellschaftlicher Kommunikation waren und sind.“ (S. 37)

Diese an aktuelle Forschungsdiskussionen anknüpfende Reflexion ist für Vatter Anlass, sich der Bedeutung filmischer Darstellungen für die Erinnerungskulturen in Frankreich und Deutschland zuzuwenden. Dabei gelingt ihm zunächst eine kleine Miniatur: die knappe und übersichtliche Zusammenfassung der wesentlichen Etappen deutscher und französischer Diskurse im Vergleich, die tatsächlich einen wertvollen Überblick gerade der in Deutschland wenig bekannten französischen Entwicklungen bietet.

Das Hauptaugenmerk von Vatters Arbeit liegt indes auf der Beobachtung der filmischen Entwicklung, die mit eindrucksvollen Analysen glänzt. Dabei wählt Vatter jeweils exemplarisch für eine historische Phase Filme aus, die in besonderem Maße die Debatte prägten: Angefangen bei René Clement, Wolfgang Staudte, Helmut Käutner, Julien Duvivier, Kurt Hoffmann und Claude Berri bis hin zu Louis Malle, Rainer Werner Fassbinder, Gérard Jugnot und Roland Suso Richter reicht eine breite Palette hochkarätiger Filmemacher, die die Entwicklung bis 2002 verfolgt.  Auch wenn sich die Systematik der Auswahl der Filme nicht immer erschließt, überzeugen die Einzelanalysen durch die pointierten Analysen, die filmanalytische und diskursanalytische Ergebnisse miteinander in Verbindung setzen.  Vatters Buch bietet damit erstmals einen vergleichenden Überblick über die „Filmgeschichte des Diskurses“ über Holocaust und Nationalsozialismus in Deutschland und Frankreich.

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Gedächtnis und Erinnerung: Ein interdisziplinäres Handbuch

Besprochen von Victor Nono

In den letzten Jahren hat sich das Interesse am Diskurs über Gedächtnis und Erinnerung deutlich verstärkt, zum einen, weil Zeitzeugen für zentrale Ereignisse des 20. Jahrhunderts wie den Holocaust, den Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg aus Altersgründen kaum mehr zur Verfügung stehen oder weil die historischen Ereignisse wie die Auflösung der Ost-West-Gegensätze selbst neue Formen der Erinnerungskultur provozieren, und zum anderen weil neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder Diskurse der unterschiedlichsten Disziplinen differenziertere Analysen als je zuvor ermöglichen.

Bei der großen Anzahl der Veröffentlichungen der letzten Zeit ist es schwierig, den Überblick über einige der grundlegenden Eckpunkte zu behalten, auf die die Diskurse sich immer wieder beziehen.

Das von Christian Gudehus, Ariane Eichenberg und Harald Welzer herausgegebene interdisziplinäre Handbuch zu Gedächtnis und Erinnerung fasst wesentliche Aspekte der Debatte der letzten Jahre über Gedächtnis und Erinnerungskultur zusammen, spiegelt damit durchaus den aktuellen Forschungsstand und leistet vor allem Orientierung in diesem z.T. etwas unübersichtlichen Feld.

Die von den Herausgebern koordinierte Arbeit zahlreicher weiterer Autoren strukturiert das Feld nach vier Aspekten: 1. Es werden zunächst die neurobiologischen und psychologischen Grundlagen von Gedächtnis erörtert um 2. vor allem in Sozial- und Kulturwissenschaften etablierte Vorstellungen von autobiographischem, kollektivem, kulturellem, kommunikativem und sozialem Gedächtnis zu erläutern. Den 3. Punkt bilden die Medien des Erinnerns, die, nach unterschiedlichen Medien von Schrift, Architektur, Literatur, Film und Fernsehen usw. gegliedert, Formen des Erinnerns nachspüren, um dann 4. die unterschiedlichen Schwerpunkte der Gedächtnis- und Erinnerungsforschung verschiedener Disziplinen von der Geschichtswissenschaft bis hin zur Geschlechterforschung herauszustellen.

Auch wenn die einzelnen Artikel dabei unverbunden bleiben und nicht aufeinander reagieren, ja oft konträre oder abweichende Vorstellungen im Verständnis von Gedächtnis und Erinnerung zeigen, ist doch eine eindrucksvolle Übersicht entstanden, die dem Anspruch eines Nachschlagewerks durchaus gerecht wird. Es erkundet dabei weniger neue Positionen (etwa zur in den letzten Jahren aufgekommenen Diskussion über die Medialität des Erinnerns) und dokumentiert vielmehr vorhandene Debatten. Als solches ist dieses Handbuch ein hilfreiches Instrument für alle, die in dem unübersichtlichen Diskurs über Erinnerungskultur den Überblick behalten wollen.

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Über „Gesellschaftliche Erinnerung“ von Martin Zierold

Besprochen von Victor Nono

In den letzten Jahren sehen wir nicht nur eine enorme Ausweitung der Beschäftigung mit Holocaust und Nationalsozialismus in populären Medien, sondern auch eine Vielzahl neuer wissenschaftlicher Studien dieses durch Medien gewandelten Diskurses, der für den Beginn einer neuen Phase der Erinnerungskultur sprechen könnte.

Das Gros der Literatur konzentriert sich dabei auf zwei Aspekte: Zum einen auf die Mediatisierung von Erinnerung, also auf die Tatsache, dass Erinnerung nicht unabhängig von Medien gedacht werden kann und dass Erinnerung gerade an Holocaust und Nationalsozialismus in zunehmendem Maße von Massenmedien aufgegriffen und bearbeitet wird. Zum anderen auf die Frage, in welcher Weise die Mediatisierung von Erinnerungen auf die Zeitzeugen zurückwirken und die Erinnerungen überformen oder bereits bei der Wahrnehmung der Ereignisse präformieren.

Neben einer präzisen Zusammenfassung vor allem der von sozialpsychologischer und gesellschaftswissenschaftlicher Seite in den letzten Jahren betonten Veränderung der Erinnerung von Zeitzeugen durch Medien, wie etwa in den Arbeiten von Harald Welzer, plädiert Martin Zierold in seiner Studie für eine medienwissenschaftliche Perspektive, die die Medialität von Erinnerung berücksichtigt.

Zentrale Referenz für erinnerungskulturelle Diskurse ist für die meisten Arbeiten der von Jan und Aleida Assmann in den letzten Jahren entwickelte erinnerungstheoretische Ansatz eines Übergangs von einem kommunikativen zu einem kulturellen Gedächtnis, das erklärt, warum im Verlauf von rund 4 Generationen oder ca. 80 Jahren Erinnerungen aus einer alltäglichen Kommunikation übergehen in kulturell ritualisierte bzw. mediatisierte Erinnerungen.

Martin Zierolds Buch setzt nun gerade bei dieser weitverbreiteten Referenz an, nimmt sie gleichsam als Anlass für eine kritische Auseinandersetzung mit den Unzulänglichkeiten dieses weitverbreiteten Modells: Das beginnt mit der Kritik an einer allzu saloppen Metaphorik, die im Grunde die Frage einer konkreten medialen „Trägerschaft“ eines kollektiven Gedächtnisses ignoriert. Zierold kritisiert etwa: „Wenn nicht geklärt wird, wie das ‚kollektive Gedächtnis‘ nach Ansicht der jeweiligen Autoren modelliert ist, legt die geringe theoretische Ausarbeitung vieler Entwürfe Lesarten nahe, die dieses Gedächtnis geradezu als ontologische Entität erscheinen lassen.“ (S. 86)

Stattdessen fordert er eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Medialität von Gedächtnis und Erinnerung und verweist auf Autoren wie Astrid Erll, die ein “ ‚ausdifferenziertes Mehrebenenmodell der ‚Medien des kollektiven Gedächtnisses“ entwickelt, das seines eng an Siegfried J. Schmidts „Medienkompaktbegriff“ (S. 103) anschließt, wie Zierold schreibt.

Aus dieser Sicht wird vor allem der Ansatz von Jan und Aleida Assmann problematisch, der Medien zwar in die Reflexion mit aufnimmt, in ihnen doch zugleich auch einen blinden Fleck zu haben scheint.  So kritisiert Zierold, „dass die Auseinandersetzung mit den aktuellen elektronischen Medien am wenigsten überzeugen kann. Während Argumentationen zu Schriftlichkeit und Buchdruck sich auf eine Fülle von Studien stützen können, bleibt die Analyse gegenwärtiger Medienentwicklungen zurück. Hier ist auch terminologisch erneut zu kritisieren, dass A. Assmann elektronische Medien bedenkenlos im Kontext des ‚kulturellen Gedächtnisses‘ behandelt, obgleich der Begriff qua definitionem, wie oben dargelegt, für die Analyse jüngerer Entwicklungen kaum geeignet ist. Doch nicht nur vor diesem Hintergrund ist die Unterscheidung zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis für gegenwärtige Gesellschaften höchst zweifelhaft: In wenig differenzierten Gesellschaften mag noch gelten, dass eine qualitative Grenze zu ziehen ist zwischen medial vermittelter Erinnerung an eine absolute Vergangenheit und primär interpersonal vermittelter ‚lebendiger‘ Erinnerung an Generationen-Erfahrungen, die über eine Zeitspanne von 80-100 Jahre reichen. Heute jedoch scheint es schon fast banal, darauf hinzuweisen, dass die Mehrheit unserer Kenntnisse stets medial vermittelt ist, ob sie sich auf eine ‚absolute‘ Vergangenheit, die Erfahrungen der Elterngeneration oder die aktuelle Gegenwart beziehen.“ (S. 91/92)

Zierold akzeptiert daher auch nicht die von A. Assmann skizzierte Position, die dazu führe, – wie er schreibt – die Massenmedien „als das Ende jeder Erinnerung abzutun.“ (S. 92)

Gerade im Hinblick auf die Steigerung der Komplexität der aktuellen Medienlandschaft durch die Multiplikation von Medien ist Zierolds Kritik wohl überfällig und vor allem als Plädoyer für eine differenziertere Beachtung von Medien zu lesen. Eine medienkulturwissenschaftliche Perspektive, wie von ihm vorgeschlagen, ist nicht nur ein Desiderat, sondern wohl eine unverzichtbare Forderung, je mehr wir uns der Gegenwart – also Erinnerungskulturen annähern, die sich erst durch die Analyse ihrer Medialität erschließen.

Zierolds Buch liefert zugleich einen präzise zusammengefassten Überblick über die aktuellen Diskurslinien, angefangen bei jenen über individuelles bis hin zu sozialem, kommunikativem und kulturellem Gedächtnis. Sein Buch ist jedem zu empfehlen, der eine kritische Diskursanalyse der aktuellen Debatten über Erinnerungskulturen sucht ohne die Orientierung verlieren zu wollen.

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