Gedächtnis und Erinnerung: Ein interdisziplinäres Handbuch

Besprochen von Victor Nono

In den letzten Jahren hat sich das Interesse am Diskurs über Gedächtnis und Erinnerung deutlich verstärkt, zum einen, weil Zeitzeugen für zentrale Ereignisse des 20. Jahrhunderts wie den Holocaust, den Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg aus Altersgründen kaum mehr zur Verfügung stehen oder weil die historischen Ereignisse wie die Auflösung der Ost-West-Gegensätze selbst neue Formen der Erinnerungskultur provozieren, und zum anderen weil neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder Diskurse der unterschiedlichsten Disziplinen differenziertere Analysen als je zuvor ermöglichen.

Bei der großen Anzahl der Veröffentlichungen der letzten Zeit ist es schwierig, den Überblick über einige der grundlegenden Eckpunkte zu behalten, auf die die Diskurse sich immer wieder beziehen.

Das von Christian Gudehus, Ariane Eichenberg und Harald Welzer herausgegebene interdisziplinäre Handbuch zu Gedächtnis und Erinnerung fasst wesentliche Aspekte der Debatte der letzten Jahre über Gedächtnis und Erinnerungskultur zusammen, spiegelt damit durchaus den aktuellen Forschungsstand und leistet vor allem Orientierung in diesem z.T. etwas unübersichtlichen Feld.

Die von den Herausgebern koordinierte Arbeit zahlreicher weiterer Autoren strukturiert das Feld nach vier Aspekten: 1. Es werden zunächst die neurobiologischen und psychologischen Grundlagen von Gedächtnis erörtert um 2. vor allem in Sozial- und Kulturwissenschaften etablierte Vorstellungen von autobiographischem, kollektivem, kulturellem, kommunikativem und sozialem Gedächtnis zu erläutern. Den 3. Punkt bilden die Medien des Erinnerns, die, nach unterschiedlichen Medien von Schrift, Architektur, Literatur, Film und Fernsehen usw. gegliedert, Formen des Erinnerns nachspüren, um dann 4. die unterschiedlichen Schwerpunkte der Gedächtnis- und Erinnerungsforschung verschiedener Disziplinen von der Geschichtswissenschaft bis hin zur Geschlechterforschung herauszustellen.

Auch wenn die einzelnen Artikel dabei unverbunden bleiben und nicht aufeinander reagieren, ja oft konträre oder abweichende Vorstellungen im Verständnis von Gedächtnis und Erinnerung zeigen, ist doch eine eindrucksvolle Übersicht entstanden, die dem Anspruch eines Nachschlagewerks durchaus gerecht wird. Es erkundet dabei weniger neue Positionen (etwa zur in den letzten Jahren aufgekommenen Diskussion über die Medialität des Erinnerns) und dokumentiert vielmehr vorhandene Debatten. Als solches ist dieses Handbuch ein hilfreiches Instrument für alle, die in dem unübersichtlichen Diskurs über Erinnerungskultur den Überblick behalten wollen.

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Weber, Thomas: The Hybridization of German Documentary Formats since the 1990s, 25.11.09

AVINUS Magazin Sonderedition Nr.7, Berlin 2009.

Kompletter Aufsatz als PDF-Version: The Hybridization of German Documentary Formats since the 1990s

Abstract:

The diverse documentary formats – with their “relatively random thematic content” (Mühl-Benninghaus) – now seem to have nearly no common denominator. Not considering affirmative formats (travel, instructional, industrial films and the like), it is remarkable how – regardless of individual filmmakers’ ambitions (and the quality of their films) – each documentary format attempts to underwrite its promise of authenticity through calculated interruptions and flaws, i.e. by refuting the traditional logic of conventional depiction. 

This tendency, also called hybridization, is demonstrated not only in the aesthetics of new formats, but also on every level of production, technology, economy and reception, as Paul Soriano recently noted. It is not only mixing genres, or styles of depiction, but also using analogue and digital technologies, and a production rationale geared towards simultaneously employment in various media and the pluralization of communities.

Examining representative examples from German television, essential aspects of hybridization shall be determined by focusing on “Reality Television” (for example “Die Auswanderer”, “Frauentausch”, as well as pseudo documentaries like “Lenßen & Partner”, “ Abschlussklasse 05” etc.). Here we are dealing with typical aesthetic patterns characteristic of hybridization, and with new technical and economic challenges resulting from the Internet. From the perspective of the “ambitious documentaries” of the 1970s, these are often associated with a degradation and, moreover, a deterioration of television culture (Feil, Bertram et al.). Ultimately, it a question of analysing the functional transformation of documentary principles and the related changes in values and the criteria of plausibility, on which new documentary formats are oriented.

Weber, Thomas: Das komische Ding. Eine mediologische Analyse der Inszenierung von Objekten und Maschinen, 01.04.09

AVINUS Magazin Sonderedition Nr. 1, Berlin 2008.

Kompletter Artikel als PDF-Version: Das komische Ding. Eine mediologische Analyse der Inszenierung von Objekten und Maschinen

Abstract

Im Kino mehr noch als im Theater finden sich immer wieder Maschinen und Objekte, die der Inszenierung des Komischen dienen. Jeder kennt die Dinge, an denen Komiker wie Charlie Chaplin, Buster Keaton, Laurel & Hardy, die Marx Brothers oder Jacques Tati verzweifeln. Die Dramaturgie des komischen Dings beschränkt sich dabei jedoch nicht allein nur auf Slapstick, sondern transzendiert das Komische selbst, das einem plötzlich „komisch“ vorkommt, also fremd oder eigenartig. Es ist, als würde das „komische“ Ding lebendig oder sei von einer fremden Macht gesteuert, die sich gegen die Protagonisten verschworen hat („Die Tücke des Objekts“). Dies weist nun einerseits auf eine gestörte Beziehung des Protagonisten zu seiner Umgebung hin oder anders gesagt: auf die – meist gesellschaftliche – Ordnung der Dinge, mit der der Protagonist nicht zurechtkommt. Andererseits scheint in der Inszenierung dieser Störung eine „Präsenz“ im Sinne von Groys auf, die auf einen verborgenen submedialen Raum hinweist und damit auf die abgründige Doppelbödigkeit des Komischen selbst.

Weber, Thomas: Ravensbrück – Zwei WebSites oder Die Frage nach der medialen Perspektivierung des Holocausts, 05.03.09

AVINUS Magazin Sonderedition Nr. 4, Berlin 2008.

Kompletter Artikel als PDF-Version: Ravensbrück. Zwei WebSites oder die Frage nach der medialen Perspektivierung des Holocausts.

Abstract

Der Aufsatz befasst sich mit der Problematik von Gedenkkultur im Web 2.0 am Beispiel von zwei unabhängig voneinander entstandenen WebSites zum Frauenkonzentrationslager Ravensbrück: derjenigen der Gedenkstätte Ravensbrück und derjenigen der Bundeszentrale für Politische Bildung zu Ravensbrück. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf einer Analyse der medialen Transformation von Gedenkkultur durch das Internet und einer Reflexion über mögliche Qualitätskriterien (wie z.B. „Transmersion“) von WebSites.