Gliech, Oliver: Die Sklavenrevolution von Saint-Domingue/ Haiti und ihre internationalen Auswirkungen (1789/91 – 1804/25), 28.05.08

Nicht nur der erste unabhängige Staat Lateinamerikas, sondern auch die erste Revolution, die maßgeblich von versklavten Bevölkerungsschichten getragen wurde – Oliver Gliech liefert mit seinem Artikel eine ausführliche Erläuterung der Geschehnisse, die in den Folgejahren der Französischen Revolution zur Abschaffung der Sklaverei im heutigen Haiti führten.

In der Geschichte der lateinamerikanischen Staatenwelt stellt Haiti einen Sonderfall dar, der in vieler Hinsicht bemerkenswert ist. Im späten 18. Jahrhundert wurde das Land zum Schauplatz der einzigen erfolgreichen Sklavenrevolution der Weltgeschichte, und es waren ehemalige Sklaven, die dort 1804 den ersten unabhängigen Staat des Subkontinents ins Leben riefen. Heute zählt diese karibische Republik zu den ärmsten Staaten der westlichen Hemisphäre – vor ihrer Unabhängigkeit hingegen galt sie, damals noch „Saint-Domingue“ genannt und zum französischen Überseeimperium gehörend, als wertvollste Plantagenwirtschaft ihrer Zeit. Gestützt auf die Arbeit von etwa einer halben Million Sklaven entwickelte sich diese Plantagenökonomie zum Hauptlieferanten von Zucker und Kaffee – tropische Handelsgüter, die in Europa und Nordamerika auf eine rege Nachfrage stießen und die im Laufe des 18. Jahrhunderts zum festen Bestandteil der westlichen Konsumkultur wurden. Auf einer Fläche, die kleiner war als das heutige Belgien, lebten um 1789 etwa ebenso viele afrikanische Zwangsarbeiter wie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Als die Französische Revolution ausbrach, erfassten ihre Ausläufer bald die tropischen Kolonien Frankreichs. In Saint-Domingue begann eine eigene karibische Revolution, in deren Folge die Kolonie schließlich außer Kontrolle geriet. Zunächst wurde diese koloniale Revolution von den ortsansässigen weißen Pflanzern getragen, bald jedoch fiel die Initiative an die schwarzen Sklaven. Ihr Aufstand führte zur Abschaffung der Sklaverei, zur Unabhängigkeit der Kolonie, zur Zerstörung der Plantagenwirtschaft und zur Entmachtung der alten kolonialen Eliten. Dieser dramatische Prozess soll im folgenden genauer untersucht werden.

I. Die französische Kolonie Saint-Domingue vor 1789

Bereits kurze Zeit nach der Entdeckung Amerikas stellte der französische König Franz I. die vom Papst 1493 sanktionierte Weltordnung in Frage, die die neu entdeckten außereuropäischen Territorien zwischen Spanien und Portugal aufteilte. „Man zeige mir das Testament Adams, das mich von der Teilung der Welt ausschließt“ – mit diesem Ausspruch wies der Monarch die exklusiven Herrschaftsansprüche der iberischen Mächte zurück.[1] Bis das Königreich den Worten Taten folgen ließ, vergingen freilich mehr als hundert Jahre. Während bretonische und normannische Schmuggler und Korsaren schon sehr früh in der Karibik präsent waren, trat Frankreich jenseits des Atlantiks erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts als Kolonialmacht auf den Plan. Obwohl in den 1630er Jahren unter der Ägide von Kardinal Richelieu eine eigene Kolonialpolitik einsetzte, dauerte es geraume Zeit, bis diese ernstzunehmende Resultate zeigte. In den folgenden hundert Jahren hatte diese in Amerika drei Stoßrichtungen: Zum einen gelang es Frankreich, in der karibischen Inselwelt Fuß zu fassen, zum anderen erzielte es beträchtliche Geländegewinne in Kanada und westlich des Mississippi. Alle drei Regionen hatten eines gemeinsam: Angesichts der Ausdehnung des amerikanischen Kontinents hatten die Spanier den Anspruch aufgegeben, das gesamte von ihnen in Übersee beanspruchte Territorium in Besitz zu nehmen. Es gab in diesen Regionen entweder keine spanischen Siedler und Stützpunkte oder sie waren zu schwach, um das Vordringen europäischer Konkurrenzmächte zu verhindern. Wenn nun nach und nach die meisten karibischen Inseln mit Ausnahme von Cuba und Puerto Rico von den Feinden Spaniens besetzt wurden, so waren diese Mächte (die Niederlande, England und Frankreich) zunächst nicht primär daran interessiert, dort Plantagen zu errichten. Diese Inseln wurden vielmehr als Stützpunkte für Kaperfahrten gegen die spanischen Silberflotten und reichen amerikanischen Hafenstädte genutzt und sollten im Kriegsfall als Sprungbrett für die Eroberung von Teilen des amerikanischen Festlands dienen. Erst als sich diese Expansionsabsichten als illusorisch erwiesen, wurde die wirtschaftliche Erschließung der karibischen Besitzungen mit Nachdruck betrieben.

Die Kolonie Saint-Domingue ging aus einstmals unabhängigen Siedlungen französischer Freibeuter hervor, die sich auf der Westhälfte der spanischen Insel Santo Domingo strategisch günstige Rückzugsgebiete geschaffen hatten, von denen aus sie die aus Havanna absegelnden Silberflotten abfangen konnten. Santo Domingo war kurz nach der Entdeckung Amerikas zeitweilig in den Rang der wichtigsten spanischen Kolonie aufgestiegen und hatte als Experimentierfeld für die spätere Inbesitznahme des amerikanischen Festlands gedient – mit verheerenden Folgen für die indigenen Ureinwohner. Durch Zwangsarbeit, Seuchen und Misshandlung wurden die einheimischen Arawaken innerhalb weniger Jahrzehnte ausgerottet. Als die vorhandenen Goldvorkommen zur Neige gingen, verloren die spanischen Siedler das Interesse an Santo Domingo; ein beträchtlicher Teil von ihnen wanderte in das jüngst eroberte Mexiko ab. Die relativ früh etablierte Zuckerwirtschaft der Insel verfiel im Laufe des 17. Jahrhunderts. Santo Domingo hatte für die Spanier seine strategische und ökonomische Bedeutung eingebüßt; nur der Ostteil der Insel blieb in spanischer Hand.[2]

Dieser Umstand begünstigte eine Ansiedlung französischer Freibeuter im Nordwesten Santo Domingos. Von den konkurrierenden Hegemonialmächten bedrängt, sahen diese sich nach wenigen Jahrzehnten autonomer Existenz genötigt, ihr Mutterland um militärische Unterstützung zu bitten. Die französische Krone kam diesem Ansinnen nach, unterwarf aber die Freibeuterrepublik ihrer Herrschaft und verleibte sich den Westen der Insel ein. In Anlehnung an die ursprüngliche spanische Bezeichnung erhielt die Kolonie den Namen Saint-Domingue. Zunächst wurden monopolartig organisierte Handelskompanien mit der Erschließung und Besiedlung betraut, doch erwiesen sich diese als unfähig, die ihnen angetragene Aufgabe zu erfüllen. Weder gelang es ihnen, eine ausreichende Zahl von Kolonisten anzuwerben, noch erkannten sie die überragende ökonomische Bedeutung des Rohrzuckers.[3] Erst seit 1697, als Spanien im Vertrag von Rijswick das französische Eigentum an der Kolonie akzeptierte, war sie vor spanischen Überraschungsangriffen sicher. Der Aufstieg Saint-Domingues zur bedeutendsten Plantagenwirtschaft vollzog sich in der Zeitspanne zwischen 1700 und 1789. Zunächst wurden Tabak und Indigo, dann Zucker und ab den 1720er Jahren auch Kaffee angebaut. Während sich der Tabak aufgrund der übermächtigen Konkurrenz Virginias nicht halten konnte, wurde die Produktpalette der Kolonie um Baumwolle ergänzt. Bei diesen vier tropischen cash crops blieb es bis zum Ende der Kolonialzeit – denn über andere bedeutende Rohstoffe, die für die Metropole von Interesse gewesen wären, verfügte Saint-Domingue nicht.

Alle Exportgüter der Kolonie mit Ausnahme des Kaffees konkurrierten in Europa mit Produkten, die ganz ähnliche Eigenschaften hatten und für die bereits eine breite Nachfrage bestand. Als preisgünstiger Ersatz konnten sie deshalb schnell bedeutende Marktanteile erobern: Der Rohrzucker vermochte klassische Süßstoffe wie Honig zu ersetzen und fand Verwendung als Arzneimittel und Luxussymbol an den Tafeln der Reichen.[4] Die Baumwollfasern entwickelten sich aufgrund ihrer besonderen Verarbeitungsqualitäten schnell zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für Wolle, Flachs und Hanf; Indigo, ein aus Schmetterlingsblütlern gewonnener blauer Farbstoff, erbrachte weit höhere Hektarerträge als der in Europa gebräuchliche Färberwaid. Während die beiden für die Textilindustrie benötigten Rohstoffe auch von einer Vielzahl anderer Produzenten angeboten wurden, erlangten die französischen Karibikinseln auf dem europäischen Zucker- und Kaffeemarkt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und namentlich nach dem Siebenjährigen Krieg ein geradezu erdrückendes Übergewicht. Zahlreiche andere Regionen verfügten über ähnliche Anbaubedingungen – warum gelang es also den Franzosen, eine solche marktbeherrschende Stellung zu erlangen? Dieser Erfolg hatte viele Ursachen. Zum einen existierten natürlich auch in Brasilien und im spanischen Amerika Zuckerpflanzungen. Diese Kolonien waren freilich weit stärker besiedelt und verfügten, im Gegensatz zur karibischen Inselwelt, über größere Binnenmärkte – der Zucker wurde überwiegend vor Ort konsumiert. Auch das Produktionsniveau in den englischen Zuckerkolonien war hoch, doch gelangte der jamaikanische Zucker nur auf englische Märkte, denn der dort früh einsetzende Massenkonsum trieb den Eigenverbrauch in die Höhe. Zudem stutzte der Verlust Kanadas und Louisianas das französische Kolonialreich jenseits des Atlantiks auf die karibischen Inseln zurück. Das französische Kapital konzentrierte sich folglich hier, während sich für andere Kolonialmächte weit mehr Anlagemöglichkeiten boten. Neben Vorsprüngen im Know-How und dem bedenkenlosen Verschleiß hunderttausender afrikanischer Sklaven trug das französische Konzessionsrecht zum ökonomischen Aufschwung bei: Es sah für die Kolonien kein Eigentum an Grund und Boden vor, sondern band die Vergabe von Landrechten an den Plantagenbetrieb. Zeigten sich Kolonisten unfähig, die Produktion aufrechtzuerhalten, fielen ihre Ländereien an die Krondomäne zurück. All diese Faktoren trugen zum Erfolg der karibischen Plantagenwirtschaft bei, der seinerseits die Ökonomie des Mutterlandes nachhaltig beeinflusste. Blieb in Frankreich eine industrielle Revolution aus, so erlebte das Land doch in den Jahrzehnten vor der Revolution eine regelrechte „Handelsrevolution“, die ihre Dynamik weitgehend den Kolonialwaren verdankte.[5] Insbesondere die am Atlantik und der Kanalküste gelegenen Hafenstädte profitierten von diesem karibischen Boom. Bordeaux, La Rochelle, Bayonne und Le Havre waren in hohem Maße am Kolonialhandel beteiligt, während sich Nantes weitgehend auf den Sklavenhandel spezialisiert hatte. Neben Paris stellten diese Städte und ihr Umland den größten Teil der karibischen Plantagenbesitzer und gerieten nach Ausbruch der Revolution in den Brennpunkt der kolonialen Agitation.

Durch ihre enge Anbindung an die europäischen Märkte wurden die karibischen Kolonien zu einem integralen Bestandteil des europäischen Wirtschaftslebens. Vor allem die zunehmende Verbreitung des Kaffeekonsums, die durch die französischen Exporte ermöglicht wurde, hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das Ernährungsverhalten und die Kultur West- und Mitteleuropas. Der Kaffee nahm im Osmanischen Reich aufgrund des islamischen Alkoholverbots jenen Platz ein, den in den christlichen Reichen berauschende Getränke innehatten. Von Anfang an hatte sein Konsum gemeinschaftsstiftende Funktionen – nicht nur der Kaffee, sondern auch die Kaffeehäuser wurden von den Europäern aus dem „Morgenland“ übernommen. Die historische Bedeutung dieser Institution steht außer Frage: Die Kaffeehauskultur hatte im 18. Jahrhundert maßgeblichen Anteil an der Entstehung einer aufgeklärten Öffentlichkeit. Als Ort nüchterner Geselligkeit stieg das Café zum bürgerlichen Gegenmodell der volkstümlichen Taverne und des adligen Salons auf – es fungierte zugleich als Nachrichtenbörse und Debattierklub. Zugleich begann der Kaffee im Privaten, den Alkohol zurückzudrängen. Der Frühstückskaffee ersetzte beispielsweise die im deutschen Sprachraum weit verbreitete morgendliche Biersuppe. Gleichzeitig etablierte sich das weibliche Kaffeekränzchen als Konkurrenz zum männlichen Kaffeehaus, was wiederum die Nachfrage nach dem koffeinhaltigen Wachmacher in die Höhe schnellen ließ.[6]

Der Kolonialwarenboom führte in den zwei Jahrzehnten vor Ausbruch der Revolution zu einer massiven Expansion der sklavengestützten Plantagenwirtschaft Saint-Domingues. Doch trotz ihrer Prosperität war diese Kolonie ein Koloss auf tönernen Füßen. Denn es gab viele Faktoren, die ihre Stabilität bedrohten.[7] Das quantitative Verhältnis von Sklaven zu freien Europäern fiel fast überall in der Karibik zuungunsten der weißen Herrenschicht aus. In Saint-Domingue lag es etwa bei 1:10. 40.000 Weiße und etwa ebenso viele freie Farbige standen 500.000 Sklaven gegenüber, der größte Teil von ihnen waren bossales – in Afrika geborene Schwarze, die ein Leben in Freiheit noch gekannt hatten und die sich schwerer beherrschen ließen als in der Sklaverei Geborene. Je geringer die Chancen, der Sklaverei auf legalem oder illegalem Wege zu entkommen, desto größer war die Revoltebereitschaft der Betroffenen. Eine Aussicht auf Freilassung bestand nur für wenige Sklaven in Vertrauenspositionen, die ihren Herren jahrelang gedient hatten. Als Insel bot Saint-Domingue zudem im Gegensatz zum amerikanischen Festland nur wenige Rückzugsmöglichkeiten für geflohene Sklaven (Maroons). Die Arbeit auf den Zuckerplantagen verschliss die Schwarzen in wenigen Jahren, und man bemühte sich kaum, ihr Los ein wenig zu erleichtern. Das Recht, eine Familie zu gründen, blieb ein seltenes Privileg. Kleidung, Wohnraum und Ernährung waren oftmals erbärmlich[8]. Während das Créole, eine Mischung aus Französisch und diversen afrikanischen Sprachen, eine Verständigung ermöglichte, waren es vor allem zwei Dinge, die die Zwangsarbeiter zusammenschweißten: die Praxis der täglichen Arbeit und die Religion. Der von vielen Sklaven praktizierte Vaudou/Voodoo-Kult bot ihnen einen spirituellen Raum, der der Kontrolle der Weißen entzogen blieb. Synkretistische Glaubenskomplexe dieser Art, in denen sich die spirituellen Traditionen der Herkunftsländer der Sklaven vermischten, entstanden in allen karibischen Kolonien. Im Voodoo fehlten übergeordnete Hierarchien – Priester, die zugleich Sklaven waren, bildeten die oberste geistliche Instanz. Damit konnte sich diese Religion gut an die Gegebenheiten der Plantagenwirtschaften anpassen. Ihre Rolle als gemeinschaftsstiftende Instanz ist gar nicht zu überschätzen. Initiierte des Kultes gerieten während einer Zeremonie in Trance und verwandelten sich, für alle Gläubigen sichtbar, in einen Gott des Voodoo-Pantheons, der als solcher weissagte und Befehle erteilte. Selbst wenn die „Besessenen“ sich später nicht daran erinnern konnten, wuchs ihnen doch etwas vom Prestige der gespielten Rolle zu. Ein einfacher Feldarbeiter konnte sich in den Kriegsgott Ogou oder gar in Baron Samedi – den Tod – verwandeln, und dies konnte für die soziale Kontrolle in einer Plantage fatale Konsequenzen haben. Im einfachen Leben weit unterhalb der Weißen stehend und von diesen verachtet, konnte ein einfacher Zuckerschneider über Nacht auf spirituellem Wege weit über diese hinaus geschleudert werden. Voodoo war nicht, wie oft behauptet wird, ein Element des Widerstands gegen die koloniale Ordnung, doch besaß er das Potential, sich in ein solches zu verwandeln. Hatten die weißen Herren auf den Plantagen die Macht, so fehlte ihnen die kulturelle Hegemonie, die Herrschaft über die Köpfe ihrer Sklaven.

In der kolonialen Ordnung, die zugleich auf einer Hierarchie der „Rassen“ beruhte, nahmen die freien Farbigen eine Zwischenposition ein. Sie, und nicht etwa die Weißen, bildeten das Gros der Kreolen. Zwar standen die Europäer an der Spitze der Gesellschaftspyramide, aber damit endeten bereits ihre Gemeinsamkeiten. Die zeitgenössische Schematik unterteilte sie in „große“ und „kleine“ Weiße, wobei die erste Gruppe von reichen Plantagenbesitzern, Kaufleuten sowie der Elite der Zivilverwaltung und der Kolonialarmee gebildet wurde. Als örtliche Notablen beherrschten die Zuckerbarone das soziale Leben ihrer Gemeinden. Doch wurden die Eliten durch den kolonialen Absentismus spürbar geschwächt. Viele Plantagenbesitzer zogen Frankreich der Karibik vor und sahen in den Pflanzungen nur eine willkommene Einnahmequelle, die es ihnen erlaubte, in Europa ein luxuriöses Leben zu führen. Die Verwaltung ihrer Plantagen überließen sie Mittelsmännern vor Ort. Am anderen Ende der weißen Gesellschaft standen landarme oder landlose Siedler, Handwerker, Verwalter, Küstenschiffer und Kleinhändler. Diese Untergliederung zeichnet freilich ein unscharfes Bild von der weißen Gesellschaft. Zwischen den genannten Gruppen gab es eine Mittelschicht kapitalschwacher Pflanzer, die sich materiell nicht wesentlich von vielen freien Farbigen unterschieden. Neben den ortsansässigen „kleinen Weißen“, deren Existenz halbwegs abgesichert war, zog die Kolonie eine große Zahl von Menschen ohne soziale Bindungen an, die mit den zuvor Genannten wenig gemein hatten. Die urbanen Zentren Saint-Domingues waren überwiegend Hafenstädte. Viele ihrer Bewohner gehörten zur „amphibischen“ Bevölkerung, so genannt, weil sie regelmäßig vom Meer aufs Land und umgekehrt wechselte.[9] Die einlaufenden Schiffe tauschten regelmäßig einen Teil ihrer Mannschaften aus. Erkrankte oder rebellische Matrosen wurden von Bord gewiesen, viele desertierten. Sie zogen auf der Suche nach Arbeit übers Land, oder ließen sich erneut als Matrosen anwerben. Diese „amphibischen“ Unterschichten, wegen der Gefahren auf dem Meer im Umgang mit Waffen, meist sogar mit Kanonen geübt, bildeten in Krisenzeiten ein schwer kalkulierbares Unruhepotential.

II. Die Revolution von Saint-Domingue

Die große Zeitenwende von 1789 hatte sich nicht nur in Frankreich, sondern auch in der Karibik bereits geraume Zeit zuvor angekündigt. Zwei politische Grundsatzdebatten drohten, die Grundfesten der kolonialen Ordnung zu erschüttern. Die erste stellte die Legitimität der unfreien Arbeit in Frage, die zweite drehte sich um das Maß an politischer Partizipation, das den karibischen Inseln zugestanden werden sollte. Die Philosophen der Aufklärung hatten zwar nicht einheitlich Stellung gegen die Sklaverei bezogen, eine Reihe prominenter Autoren verdammte sie jedoch grundsätzlich.[10] Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“ argumentierte dabei naturrechtlich, Raynals „Geschichte beider Indien“, ein Bestseller seiner Zeit, gipfelte in der Ankündigung, dereinst werde das Unrecht der Sklaverei zum Umsturz der Verhältnisse in den Kolonien führen, ein schwarzer Spartacus werde die unterdrückten Afrikaner in die Freiheit führen. Diese publizistischen Attacken, formuliert von Raynals Co-Autoren Diderot und Pechmeja, erreichten ein breites Publikum und gelangten auch nach Saint-Domingue, wo sie unter anderem in die Hand belesener Haussklaven fielen. 1788 wurde in Paris mit der „Gesellschaft der Freunde der Schwarzen“ eine abolitionistische Vereinigung nach englischem Vorbild geschaffen, die zunächst den Kampf gegen den Sklavenhandel auf ihre Fahnen schrieb. Obwohl diese Entwicklung die Kolonisten beunruhigte, schätzten sie die Gefahr für ihr Eigentum nicht sonderlich hoch ein. Auch die nordamerikanische Revolution wurde von pathetischer Freiheitsrhetorik begleitet, doch am Ende ließ man die Sklaverei bestehen. Die kolonialen Lobbyisten, die sich ihrerseits organisierten, gaben sich angesichts der ökonomischen Bedeutung der Plantagenwirtschaften siegessicher. Ihr Ziel bestand nicht nur darin, die Sklaverei zu bewahren, sondern die gesamte Kolonialpolitik der Kontrollgewalt der Metropole zu entziehen, die bislang der Marineminister innehatte, bald darauf aber von der 1789 ins Leben gerufenen Pariser Nationalversammlung übernommen wurde. Früh offenbarten sich allerdings unüberbrückbare Interessengegensätze innerhalb der kolonialen Eliten. Auf der einen Seite standen die in Frankreich ansässigen reichen Absentisten, die vom „Club Massiac“ vertreten wurden.[11] Diese wollten die Herrschaft über Saint-Domingue an sich ziehen und sie aus der Ferne ausüben. Die in der Kolonie ansässigen Notablen forderten ihrerseits eine Vertretung in den französischen Generalständen, deren Einberufung 1789 den Beginn der Revolution markierte und die sich später gegen den Willen des Königs zur verfassungsgebenden Versammlung erhoben. Als entsprechende Wahlen für Saint-Domingue verboten wurden, gründeten örtliche Notable in jeder der drei Provinzen der Kolonie ein geheimes Komitee, um eigene Abgeordnete zu benennen. Damit begann die erste Phase der Revolution von Saint-Domingue.

Es waren zunächst einzelne Fraktionen der örtlichen Eliten, die sich gegen die absolutistische Kolonialregierung erhoben. Ihr Unmut richtete sich zum einen gegen die bestehenden Handelsbeschränkungen: Mit Ausnahme weniger Freihäfen durften die Kolonisten ihre Waren nur an französische Händler verkaufen, was ihnen trotz des weit verbreiteten Schmuggels empfindliche Einnahmeeinbußen bescherte. Einen weiteren Konfliktherd bildete die bestehende Militärverfassung. Da die Kolonie über eine Küstenlinie von über 1000 km Länge verfügte, war sie ohne Hilfe der Kolonisten nicht zu verteidigen. Dieser Umstand hatte die Kolonialregierung früh veranlasst, die Siedler zu Milizdiensten zu verpflichten. Die Kommandanten dieser Milizen stiegen neben den Zuckerbaronen zu den heimlichen Herrschern auf lokaler Ebene auf. Sie hatten nicht nur die Befehlsgewalt über die Kolonisten, sie wachten auch über die Durchführung der Gesetze und prüften die Steuererklärungen ihrer Mitbürger. Die Militärverfassung wurde folglich von vielen Pflanzern als Zumutung empfunden, doch zugleich hatte sie dazu geführt, dass die Masse der Kolonisten über Waffen verfügte. Die sich nun anbahnende Revolte der Weißen richtete sich auch gegen die Modernisierungsbestrebungen der Zivilverwaltung ihrer Kolonie. Seit 1785 trug François de Barbé-Marbois als Intendant für diese die Verantwortung. Er trat mit einem ambitionierten Reformprojekt an, das vor allem darauf zielte, die Infrastruktur der Insel zu verbessern und die Einnahmen des Fiskus zu erhöhen. Zum Bau von Straßen und Brücken griff er rigoros auf die corvée zurück, einen Frondienst, der die Kolonisten zwang, Sklaven unentgeltlich für öffentliche Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Die öffentlichen Unternehmer, die im Auftrag des Intendanten die Straßen bauten, pflegten die ihnen anvertrauten Sklaven zu ruinieren, auch verloren gerade kleinere Pflanzer durch die corvée wichtige Arbeitskräfte. Zugleich erlaubte sich der Intendant mit seiner Finanzreform einen schweren Tabubruch. Bis zu seinem Amtsantritt bestanden die öffentlichen Finanzen aus einem anarchisch anmutenden Gewirr verschiedener Abgaben und Kassen. Augenscheinlich machten sich Staatsfunktionäre ebenso wie Kolonisten die Vorteile dieser Undurchschaubarkeit zunutze. Funktionäre, die öffentliche Mittel veruntreuten, gestatteten vielen Kolonisten, einen Teil ihrer Steuerlast als Schulden anschreiben zu lassen, die dann nicht eingefordert wurden – im Gegenzug wurde die Entwendung von Steuermitteln nicht kritisiert. Barbé-Marbois versuchte, ein übersichtliches Finanzsystem zu etablieren, reklamierte mit Entschiedenheit die ausstehenden Schulden und drohte damit, das Netz der Korruption zu zerschneiden. All dies trieb schließlich Notable und „kleine Weiße“ auf die Barrikaden. Ihr gemeinsamer Kampf gegen einen als „despotisch“ empfundenen Staat war zunächst erfolgreich. Die Nationalversammlung in Paris erkannte die Abgeordneten der Kolonisten an. Saint-Domingue erhielt das Recht, ein Kolonialparlament zu wählen. Der verhasste Modernisierer Barbé-Marbois verließ die Kolonie, nachdem man ihm offen mit Gewalt gedroht hatte.

Der Triumph der kolonialen Eliten über den Staat war freilich nur von kurzer Dauer. Der Kampf gegen den gemeinsamen Feind hatte ihnen für kurze Zeit inneren Zusammenhalt verliehen; dieser ging verloren, als die Kolonialregierung am Boden lag. In der weißen Gesellschaft Saint-Domingues brachen nun alte Gegensätze auf, die bald bürgerkriegsähnliche Züge annahmen. Mächtige Interessengruppen versuchten, das entstandene Machtvakuum zu nutzen, um selbst die Herrschaft in der Kolonie an sich zu reißen – und sie zeigten keinerlei Bereitschaft, die anderen Kolonisten daran zu beteiligen. Hatte der Staat bislang als Schiedsrichter gewirkt, so erwiesen sich die konkurrierenden Notablen als unfähig, an die Stelle der alten Legalität eine neue zu setzen. Saint-Domingue war zudem durch einen ausgeprägten Regionalismus gekennzeichnet, der sich nun konfliktverschärfend auswirkte. Die Kolonie bestand aus zwei langgestreckten Halbinseln, die jeweils die Nord- und die Südprovinz bildeten und die durch die Westprovinz als Landbrücke verbunden wurden. Drei in West-Ost-Richtung verlaufende Höhenzüge der karibischen Cordilleren durchzogen diese Provinzen und bildeten natürliche Barrieren. Während sich die gesamte Infrastruktur der Kolonie zum Meer hin ausrichtete, wurde ihre innere Erschließung durch diese Gebirgszüge verhindert. Die einzelnen Provinzen standen infolgedessen kaum miteinander in Verbindung. Eine die ganze Kolonie überspannende Eliteformation mit unanfechtbarem Führungsanspruch konnte unter diesen Bedingungen nicht entstehen, und so erhielten die Unruhen der Jahre 1789 und ’90 zusätzlich eine regionalistische Note. Die Wahlen zum Kolonial- und zu den Provinzversammlungen standen unter diesem Vorzeichen. Das Zentralparlament Saint-Domingues, das in Saint-Marc (Westprovinz) tagte (April-August 1790), manifestierte bald autonomistische Tendenzen. Die Eliten der den Norden beherrschenden Hafenstadt Cap Français traten diesen Bestrebungen als Verteidiger des status quo entgegen und bezichtigten die Autonomisten des Verrats an Frankreich. Freilich fehlte den Autonomisten die Macht, sich in eine echte Unabhängigkeitsbewegung zu verwandeln. Drei Viertel aller weißen Kolonisten waren gebürtige Franzosen, mithin repräsentierten die Kreolen – üblicherweise die natürlichen Träger des Separatismus – nur eine Minderheit. Im August 1790 kam es zum offenen Eklat zwischen der Nordprovinz und der Versammlung von Saint-Marc. Der Gouverneur warf der Kolonialversammlung vor, sich vom Mutterland lösen zu wollen, und zerschlug sie militärisch. Er löste damit landesweite Unruhen aus. Handelte es sich zunächst um einen Machtkampf innerhalb der kolonialen Eliten, so ermutigte das allgemeine Chaos die „kleinen Weißen“, sich in den Konflikt einzumischen. Aus Armut weit mehr an persönlicher Bereicherung als an politischen Programmen interessiert, trieb ihr Eingreifen die allgemeine Destabilisierung voran.

Seit der Mitte des Jahres 1789 wurde die koloniale Revolution von einer weiteren Ebene überlagert, die schließlich die zweite Phase des Konflikts beherrschen sollte. Entgegen dem geltenden Recht waren die freien Farbigen Saint-Domingues von allen Wahlen ausgeschlossen worden. Der 1685 erlassene Code Noir, der die Prinzipien des Kolonialrechts festgelegt hatte, stellte Freie afrikanischen Ursprungs den Weißen weitgehend gleich. Die Erklärung der Menschenrechte vom August 1789 stärkte diese Position. Das Zensuswahlrecht bezog im Prinzip wohlhabende Farbige mit ein, die Weißen von Saint-Domingue hingegen hatten sie stillschweigend übergangen. Nach der Einberufung der Versammlung von Saint-Marc gingen die weißen Eliten einen Schritt weiter: Sie beanspruchten die Gesetzgebung in Kolonial- und damit auch in „Rasse“-Fragen für sich allein. Dies wäre auf eine Festschreibung der Sklaverei und der bestehenden „rassischen“ Hierarchien hinausgelaufen, und dagegen liefen die farbigen Plantagenbesitzer nunmehr Sturm. Ihre Lobby, geführt von Julien Raymond, versuchte die Pariser Nationalversammlung auf ihre Seite zu ziehen. Als der erhoffte Erfolg ausblieb, beschloss eine kleine Zahl von Farbigen unter Führung von Ogé und Chavannes im Jahr 1790, in Saint-Domingue zu den Waffen zu greifen. Da ihre Schicksalsgenossen passiv blieben, brach der Aufstand rasch zusammen. Die Führer der Revolte wurden gefangen genommen und Anfang 1791 zum Tode verurteilt. Ihre Richter ließen sie in Cap rädern – eine besonders schmerzhafte Hinrichtungsart, die in Europa längst verschwunden war. Die Leichen wurden zur Abschreckung auf Pfählen ausgestellt, in vielen Städten folgten pogromartige Ausschreitungen gegen die Farbigen.[12] Erneut hatten die weißen Eliten Saint-Domingue einen höchst zweifelhaften Sieg errungen. Als gute Taktiker und schlechte Strategen gelang es ihnen, kurzfristig ihre Vorherrschaft abzusichern, doch hatten sie die farbigen Pflanzer auf üble Weise erniedrigt. Langfristig entfremdeten sie sich aus „rassischem“ Hochmut eine wichtige Fraktion ihrer Besitzklasse und machten sich damit auf Dauer einen potentiellen Verbündeten zum Feind. Als schließlich der Sklavenkrieg ausbrach, sollte ihnen dieses politische Fehlkalkül das Genick brechen.

In den Jahren 1789-91 veränderte sich die politische Landschaft Frankreichs und damit auch die Voraussetzungen der Kolonialpolitik maßgeblich. Kritiker wie Verteidiger der Sklaverei waren gleichermaßen in der Nationalversammlung vertreten. Der mächtige Club Massiac und die Kaufmannschaft der Atlantikstädte übten massiven Druck aus, um die Eigentumsrechte der Pflanzer und damit die Sklaverei zu bewahren. Sie erreichten, dass die Kolonialgesetzgebung einem von ihnen dominierten Komitee übertragen wurde, und setzten zugleich alles daran, jede öffentliche Erörterung des Themas zu unterbinden. Sklavereifeindliche Theaterstücke wie etwa jenes der Feministin Olympe de Gouges wurden abgesetzt, Abolitionisten von Schlägerbanden bedroht. Die sozialen Konflikte zwischen Eliten und städtischen Unterschichten konnten gerade in Paris schnell eskalieren, und in einer Zeit, in der revolutionärer Freiheitspathos immer stärker um sich griff, konnte ein offener Einsatz der Koloniallobby für die Sklaverei fatale Folgen für diese haben. Eine Übertragung der Gesetzgebung an im Geheimen tagende Zirkel und eine semantische Verschleierung der Sklaverei, die von den Verantwortlichen immer seltener offen beim Namen genannt wurde, schienen einen Ausweg aus diesem Dilemma zu bieten. Zugleich griff die Koloniallobby zunehmend auf nationalistische Diskurse und Appelle an die „Rassensolidarität“ zurück, um ihre Positionen unangreifbar zu machen. Die afrikanischen Sklaven seien zu primitiv, um die gleichen Rechte wie Europäer zu erhalten. Frankreich verdanke seine Prosperität vorrangig den Kolonien, und angeblich hingen bis zu 4 Millionen Arbeitskräfte im Mutterland unmittelbar von der Sklavenwirtschaft ab. Entsprechend brandmarkte man die Gegner des kolonialen Systems als Feinde Frankreichs – ihr Erfolg würde den ökonomischen Triumph des Erzfeindes England herbeiführen. Obwohl die meisten Behauptungen der Koloniallobby frei erfunden waren, hinterließen sie ihren Eindruck in der Öffentlichkeit.

Die erste Phase der Französischen Revolution endete in der kolonialen Frage mit einem Patt. Die Interessen der Besitzklassen setzten sich bis 1791 weitgehend durch. Selbst in der Frage der rechtlichen Gleichstellung der freien Farbigen schwankte die Nationalversammlung. Das Gesetz, das sie am 15. Mai 1791 zu ihren Gunsten erließ und das in Saint-Domingue die Solidarität der Besitzenden über die „Rassengrenzen“ hinweg erzwingen sollte, wurde vor Ort von den Weißen strikt zurückgewiesen. Dies nun führte zu einem Aufstand farbiger Plantageneigentümer im Norden und Westen der Kolonie. Eine weitere mächtige Konfliktpartei trat in die politische Arena. Die Nationalversammlung entschloss sich schließlich zur Intervention. Eine Zivilkommission wurde entsandt, um die Verantwortlichen der Unruhen dingfest zu machen und der französischen Justiz zu überantworten. Gleichzeitig wurden in Saint-Domingue Wahlen zu einem neuen Kolonialparlament ausgeschrieben. Doch führten diese Maßnahmen nicht zu einer Stabilisierung der Lage. Denn inzwischen hatten sich in Frankreich Dinge ereignet, die die Revolution in völlig neue Bahnen lenken sollte. Mitte Juni 1791 beschloss König Ludwig XVI., ins Ausland zu fliehen und von dort aus eine gewaltsame Gegenrevolution anzuführen. Die Revolution hatte dem Absolutismus ein jähes Ende bereitet und den Grundstein für eine konstitutionelle Monarchie gelegt. Der König unterwarf sich dieser Entwicklung nur zum Schein und suchte nach einer passenden Gelegenheit, den revolutionären Spuk zu beenden und seine alte Machtposition zurückzugewinnen. Seine Flucht zu Verbündeten am Rhein diente diesem Ziel. Doch der Monarch wurde vor der Grenze gefasst und nach Paris zurückgebracht. Dies stürzte zunächst das Königtum, bald auch das sie tragende Besitzbürgertum in eine Systemkrise, die schließlich 1792 in die Revolutionskriege, die Abschaffung der Monarchie und die Machtübernahme der Jakobiner mündete. Viele der reichen karibischen Absentisten hatten sich eng an die Krone gebunden und gingen gemeinsam mit ihr unter. Die Konsequenzen, die diese Radikalisierung der Revolution für die Kolonien hatte, ließen nicht lange auf sich warten.

Die Nachricht von der gescheiterten Flucht des Königs erreichte Saint-Domingue Mitte August 1791. Die ganze Kolonie schien zu diesem Zeitpunkt in Bewegung. Die Kämpfe mit den aufständischen Farbigen waren im vollen Gange, viele weiße Kolonisten verließen ihre Plantagen, um die Rebellen niederzuwerfen oder um an politischen Versammlungen teilzunehmen. Hunderte von ihnen waren unterwegs, um der Eröffnung der zweiten Kolonialversammlung beizuwohnen. Diese massenhafte Abwesenheit lockerte die soziale Kontrolle auf vielen Plantagen. Die Sklaven der Nordprovinz erreichte die Nachricht von der Gefangennahme Ludwigs XVI. zugleich als spektakuläres Gerücht: Der König habe die Abschaffung der Sklaverei beschlossen und sei von den Weißen mit Gewalt daran gehindert worden, dies in die Tat umzusetzen. Ihre Herren hatten über zwei Jahre hinweg ihre Differenzen vor den Augen ihrer Sklaven gewaltsam ausgetragen und einen Teil der Afrikaner sogar bewaffnet. Langsam und unmerklich hatte sich auf vielen Plantagen der Schutzwall aufgelöst, der die Herren in Form der privilegierten Haussklaven umgab. Letztere waren es, die über eine gewisse Bewegungsfreiheit verfügten und gelegentlich auch die Plantagen verlassen durften. Diese Gelegenheit nutzten Haussklaven der Nordprovinz, um sich heimlich zu treffen und einen Aufstand vorzubereiten. Mitte August 1791 war der Zeitpunkt zum Losschlagen aus den genannten Gründen besonders günstig.

Die Ereignisse des ersten Tages des großen Sklavenaufstands von Saint-Domingue sind mythenumrankt. Ihr historischer Kern lässt sich nur mit Mühe freilegen.[13] Lange Zeit galt eine nächtliche Voodoo-Zeremonie im Bois Caïman in der Nordprovinz als Startschuss der Revolte. Die Authentizität späterer Beschreibungen ist jedoch ebenso umstritten wie das Datum, an dem es stattfand. Um den 14. August 1791 trafen sich die Organisatoren des Aufstands – Haussklaven und Aufseher –, um ein gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren. An anderem Orte scheint unter Leitung des Voodoo-Priesters Boukman ein Blutbund zwischen Aufständischen geschlossen worden zu sein. Beide Ereignisse werden oftmals verwechselt. Eine Woche später (22. August) erhoben sich die Sklaven in den Gemeinden Acul und Limbé. In den darauffolgenden Tagen griff der Aufstand auf die Plantagen der reichen Ebene um Cap Français über, den Tagungsort des neuen Kolonialparlaments. Die Weißen wurden von der Insurrektion völlig überrascht. In kurzer Zeit lagen weite Teile der Nordprovinz in der Hand der Aufständischen. Zahlreiche Weiße wurden in diesem ersten Ansturm getötet, doch gingen die Aufständischen überwiegend gegen Kolonisten und Verwalter vor, die sie schlecht behandelt hatten. Viele Europäer flohen in die nahegelegenen Städte. Kolonisten, die vormals Offiziere gewesen waren, befestigten ihre Plantagen und organisierten den Widerstand. Der Sklavenkrieg verschärfte sich zusehends und die in Bedrängnis geratenen Pflanzer kannten bei der Aufstandsbekämpfung kein Erbarmen. Feldherren wie der Kaffeepflanzer und falsche Marquis de Rouvray drangen mit Stoßtrupps in das Aufstandsgebiet vor und massakrierten alle Schwarzen, die ihnen in die Hände fielen. Boukman, der zu den Aufstandsorganisatoren gehört hatte, geriet bald in Gefangenschaft der Weißen. Sein Kopf wurde neben dem eines Pfarrers aufgespießt, der sich den Schwarzen angeschlossen hatte. Kolonialarmee und Kolonisten gingen in die Gegenoffensive über und warfen das Gros der Aufständischen nieder. Die Führer der Revolte suchten um Verhandlungen nach, doch forderte das Kolonialparlament von ihnen eine bedingungslose Unterwerfung. Da die offene Konfrontation mit den gut ausgerüsteten Kolonialtruppen zu gefährlich wurde, griffen die Aufständischen mehr und mehr auf Praktiken des Guerillakriegs zurück. Sie konnten sich solange im Bergland halten, bis im Frühjahr 1792 in Europa die Revolutionskriege ausbrachen und Spanien in den Krieg eintrat. Ab diesem Zeitpunkt verbündeten sich die revoltierenden Sklaven, die offiziell für den König kämpften, mit den Spaniern und wurden von diesen mit Waffen versorgt. In der Westprovinz Saint-Domingues flammten unterdessen die Kämpfe zwischen Weißen und freien Farbigen von neuem auf. Die aus Frankreich entsandten Zivilkommissare versuchten vergeblich, die Kampfparteien zu versöhnen und mussten schließlich das Scheitern ihrer Mission eingestehen. Der Zerfall der Kolonie schien unmittelbar bevorzustehen.

In Paris war unterdessen ein neues Gesetz zur rechtlichen Gleichstellung der freien Farbigen erlassen worden. Die neue Nationalversammlung (Législative) beauftragte eine zweite Kommission mit seiner Umsetzung. Diesmal wurden ihnen mehrere Tausend Soldaten zur Verfügung gestellt. Die drei Kommissare Sonthonax, Polverel und Ailhaud begaben sich in den Hexenkessel eines kolonialen Kriegs, der zunehmend unübersichtlicher wurde und in eine Vielzahl von Teilkonflikten zerfiel – Ailhaud ergriff sehr bald die Flucht, die beiden anderen blieben. Die Fehden zwischen den weißen Kolonisten hörten mit dem Sklavenkrieg keineswegs auf, sondern verschärften sich sogar noch. Einzelne Zuckerbarone wie der Chevalier de Borel hielten sich Privatarmeen und fielen in Raubrittermanier in Nachbargemeinden ein. Nachdem die freien Farbigen der West- und Südprovinz sich erst einmal militärisch organisiert hatten, ließen sie sich nicht mehr demobilisieren. Sie blieben bis zur Unabhängigkeit ein politischer Faktor von Gewicht. Zugleich setzte eine Fluchtwelle ein, die viele weiße Kolonisten in die umliegenden Kolonien führte.

Die Kommissare Sonthonax und Polverel gehörten zum Jakobinerklub, dessen egalitäre Grundhaltung bekannt war. Die Kolonisten ahnten, dass hier zwei Feinde der Sklaverei mit quasi diktatorischen Vollmachten in Saint-Domingue gelandet waren. Der Jurist Sonthonax stieg bald zur prägenden Kraft der Kommission auf. Offiziell gehörte es zu seinen Aufgaben, die Unruhen einerseits, den Sklavenaufstand andererseits notfalls mit Gewalt zu beenden. Er nutzte seine Vollmachten, um die ihm feindlich gesinnte Kolonialversammlung aufzulösen, und begann, Farbige systematisch in militärische Kommandoposten zu bringen. Manifestierte sich offener Widerstand von Seiten der Weißen, ließ Sonthonax die Verantwortlichen verhaften und nach Frankreich verschiffen. Nachdem sich der ihm unterstellte Gouverneur Galbaud weigerte, mit ihm zusammenzuarbeiten, eskalierte der Konflikt in der Nordprovinz. Nur mit Hilfe aufständischer Sklaven gelang es Sonthonax, die in Cap verschanzten Anhänger des Gouverneurs niederzuwerfen. Koalitionsunfähig und nicht bereit, ihren Rassedünkel zu überwinden, hatten sich die weißen Eliten mehrheitlich gegen Frankreich erhoben und damit selbst ins Abseits manövriert. Sonthonax dekretierte im August 1793 die Abschaffung der Sklaverei, in der Hoffnung, damit einen Teil der inzwischen mit den Spaniern verbündeten Schwarzen auf seine Seite zu ziehen. Tatsächlich gelang es ihm, die meisten der ihm feindlich gesinnten Kolonisten aus Saint-Domingue zu vertreiben. Wenig später landeten im Süden und Norden englische Truppen, um die Kolonie zu erobern. Viele französische Pflanzer verbanden mit der englischen Invasion die Hoffnung, die alten Verhältnisse wiederherstellen zu können, und schlossen sich deshalb den Feinden Frankreichs an. Im Februar 1794 bestätigte der französische Konvent die Abschaffung der Sklaverei und dehnte sie auf alle kolonialen Besitzungen aus. Einer kleinen Gruppe intriganter Kolonisten war es inzwischen gelungen, die Abberufung der beiden Zivilkommissare zu erwirken, denen Verrat an der Revolution vorgeworfen wurde. Allein die Kolonialarmee und ihr Gouverneur Laveaux hielten nach der Verhaftung von Sonthonax und Polverel im Chaos des tropischen Mehrfrontenkriegs die Stellung.[14] Mit der Flucht vieler weißer Kolonisten waren die freien Farbigen auf republikanischer Seite zur prägenden Kraft aufgestiegen, als ein bis dahin kaum bekannter Offizier der schwarzen Revolte auf die Bühne trat, der schließlich zum Revolutionsführer aufsteigen sollte.

Toussaint Louverture, um den es hier geht, war 1743 als kreolischer Sklave auf der Plantage des Grafen Noé geboren worden. Er stammte direkt vom König der Arada (Dahomey), Gaou-Guinou ab, und er wusste um seine fürstliche Herkunft. Freigelassen, hatte er bis zur Revolution ein bescheidenes Dasein als Grundbesitzer mit eigenen Sklaven geführt und sich zu einem unbekannten Zeitpunkt der Sklavenrevolte angeschlossen.[15] Die Aufstandsführer Biassou und Jean-François verstanden sich nicht als Revolutionäre mit weitreichenden Visionen. Spanien hatte sie zu Verbündeten und Offizieren gemacht, und dies genügte ihnen. Toussaint Louverture befehligte in ihrem Auftrag die strategisch wichtige Ebene von Gonaives. Als er 1794 beschloss, die Seiten zu wechseln, befand sich die Republik gerade in einer wenig beneidenswerten Lage. Über seine Motive, die Seiten zu wechseln, ist viel gerätselt worden. Strebte er als Sprössling aus Fürstengeschlecht nach der Macht und nutzte dabei die Freiheitssehnsucht der Schwarzen nur als Vehikel, oder hatte er die Eroberung der Kolonie als Heimstatt ehemaliger Sklaven zu seinem Lebenswerk erkoren? Mit letzter Sicherheit lässt sich diese Frage nicht beantworten, beide Intentionen schließen sich keineswegs aus. Im Gegensatz zu den anderen schwarzen Aufstandsführern hatte er eine Vision, erwies sich als brillanter Feldherr und Politiker. Nachdem er sich der Republik angeschlossen hatte, begann er, die Mächte gegeneinander auszuspielen. Die Invasoren Spanien und England führten in Saint-Domingue einen Abnutzungskrieg gegen die französische Armee, ohne einen entscheidenden Sieg zu erringen. Währenddessen schonte Louverture seine Kräfte und stieg mit ihrer Hilfe nach dem Rückzug Spaniens 1795 zur beherrschenden Kraft der Kolonie auf. Seit 1797 Gouverneur der Kolonie, drängte er alle Vertreter Frankreichs nach und nach ins Abseits. Großbritannien musste einsehen, dass eine Eroberung der Insel nicht zu bewerkstelligen war, und zog sich 1798 zurück. Der Weg zur Macht stand Louverture nunmehr offen.[16]

Das Projekt des schwarzen Machthabers lässt sich mit wenigen Punkten charakterisieren. Unmissverständlich strebte er nach einem Autonomiestatus, wenn nicht gar nach der Unabhängigkeit von Frankreich. Es war nicht sicher, ob dies seinem Machtinteresse oder der realistischen Einschätzung zuzuschreiben war, dass die Abschaffung der Sklaverei nicht von Dauer sein würde. Das zweite Ziel bestand in der Wiederherstellung der Plantagenwirtschaft, allerdings ohne Sklaverei. Ein schwarzes Autonomieprojekt war ohne eine solide finanzielle Basis nicht zu realisieren, und Alternativen zur Zucker- und Kaffeewirtschaft gab es nicht. So führte Louverture neue Formen des Arbeitszwangs ein und rief weiße Kolonisten als Investoren ins Land.[17] Bis 1802 gelang ihm auf diese Weise ein beachtlicher Aufschwung, das Produktionsniveau blieb freilich weit unter dem der vorrevolutionären Zeit, was angesichts der kriegsbedingten Zerstörungen auch nicht weiter verwunderlich war. Doch die Masse der ehemaligen Feldsklaven hatte es satt, auf den Zuckerplantagen zu arbeiten. Sie strebten ein Dasein als Kleinbauern mit eigener Parzelle an, die allein der Selbstversorgung diente. Toussaint Louverture blieb zwar ihr Held, seinen politischen Visionen hingegen verweigerten sie sich. Als Napoleon 1802 kurzfristig Frieden mit Großbritannien schloss, entsandte er eine militärische Expedition nach Saint-Domingue, um dem schon weit fortgeschrittenen Autonomieprojekt Louvertures ein gewaltsames Ende zu bereiten. Zunächst kapitulierten die Schwarzen vor der Übermacht der französischen Streitkräfte, und der schwarze Gouverneur wurde gefangen genommen. Er starb bald darauf in französischer Festungshaft. Als die Sklaverei wieder eingeführt wurde, erhoben sich die Schwarzen. Ein verheerender, mit großer Grausamkeit geführter Guerillakrieg folgte, der 1803 mit der Niederlage der Franzosen endete. Die Kolonie erklärte am 1.1.1804 ihre Unabhängigkeit und nahm den Namen Haiti an. Der erste Staat Lateinamerikas lebte zwei Jahrzehnte mit der Gefahr einer gewaltsamen Rückeroberung durch Frankreich. Erst 1825 erkannten die einstigen Kolonialherren die Unabhängigkeit Haitis an, zwangen es aber im Gegenzug zur Zahlung einer hohen Entschädigungssumme an die ehemaligen Plantagenbesitzer.

Die siegreiche Sklavenrevolution hinterließ nicht nur in der Karibik und den USA, sondern auch in Europa einen tiefen Eindruck. Viele weiße Kolonisten aus Saint-Domingue waren nach Jamaica, Cuba, Venezuela und in die USA geflüchtet. Sie übten erheblichen Einfluß auf die öffentliche Meinung ihrer Gastländer aus. Unfähig, die eigene Verantwortung für den Sklavenaufstand zu erkennen, machten die karibischen Vertriebenen die „Philanthropen“, d.h. die Gegner der Sklaverei, für das hereingebrochene Unheil verantwortlich. Ihre Agitation hatte schwerwiegende Konsequenzen. Namentlich in Cuba und dem Süden der USA – Louisiana gehörte zu Siedlungsschwerpunkten der Flüchtlinge – hat sie die friedliche Beseitigung der Sklaverei um Jahrzehnte verzögert, galt doch eine Kritik an dieser Institution fortan als krimineller Akt. Zugleich hatten die Emigranten erheblichen Anteil am Aufbau der Plantagenwirtschaften ihrer Gastländer.

Doch die Revolution von Saint-Domingue kam auch den Gegnern der Sklaverei zugute. In einer Reihe von Ländern löste sie kleinere Aufstände der Zwangsarbeiter aus, die freilich ausnahmslos gescheitert sind. 1795 beispielsweise führte José Leonardo Chirino im venezolanischen Bergland von Coro eine schwarze Insurrektion an, die sich auf das Vorbild Saint-Domingues berief. Auch in Louisiana wurde die Lage bedrohlich. Die von den französischen Flüchtlingen mitgebrachten Sklaven standen im Ruf, mit revolutionärem Gedankengut infiziert zu sein.[18] In den spanischen Kolonien des nördlichen Südamerika verhalf der haitianische Einfluss den afrikanischen Zwangsarbeitern sogar zur Freiheit. Als die südamerikanische Unabhängigkeitsbewegung in die Defensive geraten war, erhielt Simón Bolívar, einer ihrer Führer, von dem damals bereits unabhängigen Haiti materielle Unterstützung. Im Gegenzug verpflichtete er sich, im Falle seines Sieges die Sklaverei zu beseitigen. Bolívar hat sein Versprechen gehalten.[19] Daneben prägt die haitianische Revolution das politische Bewusstsein vieler Afroamerikaner bis in unsere Tage. Der Triumph ehemaliger Sklaven über drei europäische Großmächte, ihre Machtübernahme und die Vertreibung der weißen Herren – all dies stand in einem so deutlichen Kontrast zur Lebenswirklichkeit amerikanischer Schwarzer, die wegen ihrer Hautfarbe von Geburt an schwerwiegende Nachteile erleiden mussten und die am Boden einer neuen, unangreifbar wirkenden „Rassen“-Hierarchie lebten: Die Sklavenrevolution lieferte den Beweis, dass solche Machtverhältnisse nicht ewig währen. Entsprechend interpretierten viele Afroamerikaner dieses historische Ereignis als Beweis ihrer eigenen Stärke.[20] Die Vergangenheit wird hier nicht akademisch angegangen – als tote Materie – sondern politisch – als Hoffnungsspender und Teil einer eigenen afroamerikanischen Erfolgsgeschichte, deren Abschluss noch in ferner Zukunft liegt.
Auch im deutschsprachigen Raum stieß das epische Ereignis des Sklavenkriegs auf breites Interesse.[21] Alle wichtigeren Bücher zum Sklavenkrieg wurden ins Deutsche übersetzt, so etwa Bryan Edwards‘: „Geschichte des Revolutionskrieges in Sankt Domingo“ (1798). Heinrich von Kleist, in der gleichen Festung wie der Aufstandsführer Toussaint Louverture inhaftiert, widmete dem Umsturz eine Novelle: „Die Verlobung in St. Domingo“. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass im frühen 19. Jahrhundert auf dem deutschsprachigen Buchmarkt weit mehr Titel über Haiti zu kaufen waren als in unseren Tagen. Über die Gründe für dieses Interesse lässt sich nur spekulieren. Die Revolution als welthistorisches Ereignis weckte Sehnsüchte gerade in jenen Ländern, in denen ein ähnliches Ereignis ausblieb. Als exotisches Thema profitierte es von der hohen Nachfrage nach Reiseliteratur. Zudem hatten die Schwarzen von Saint-Domingue mit Napoleon den gleichen Feind wie die deutschsprachigen Staaten Mitteleuropas, und in der Karibik wurde der Korse weit früher besiegt als in Europa.

Wie eingangs bereits erwähnt, gehört Haiti heute zu den ärmsten Ländern des Westens, und in vieler Hinsicht ist diese Armut eine späte Last des kolonialen Erbes. Die Sklaverei war ein überaus gewaltsames System, das die ihm Unterworfenen entzweite, moralisch korrumpierte und von jeglicher Bildung fernhielt. Die Sklaven hatten als Zwangsgemeinschaften keine gemeinsamen Traditionen und Normen. Nahezu mittellos wurden sie in die Freiheit entlassen. Die langjährigen Kriege bis zur Unabhängigkeit zerstörten die Infrastruktur der Kolonie und militarisierten die schwarze Gesellschaft. Die Nachbarländer behandelten die Schwarzenrepublik wie einen Paria. Zur Wiederbelebung seiner Plantagen fehlte das nötige Kapital. All dies waren denkbar schlechte Ausgangsbedingungen für die Gründung einer Nation. Die Freiheit bedeutete deshalb für das haitianische Volk einen Aufbruch in neue Abhängigkeiten. Den Preis für das Interesse unserer europäischen Vorfahren an Zucker und Kaffee zahlen die Nachfahren der Sklaven noch heute.

Quellen

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  1. Pluchon 1991: 40
  2. Bernecker 1996: 11-21
  3. Frostin 1975:119-165
  4. Mintz 1992:29-46
  5. Mager 1980:175, 196
  6. Heise 1996, Teuteberg 1980
  7. Geggus 2002:55-68
  8. Debien, 1953b
  9. Frostin 1975:51
  10. Benot 1988
  11. Debien 1953a
  12. Blackburn 1996:182, Garran-Coulon II 1797-99:3-73
  13. Geggus 2002:81-92
  14. Stein 1985
  15. Cauna 1989
  16. Blackburn 1996:213-264
  17. Moïse 2001
  18. Lachance 1979
  19. Geiß 1991:200
  20. James 1984
  21. Schüller 1992