Über „Amanethes“ von Tiamat

Besprochen von Ronald Klein

  • Tiamat: Amanethes, 2008.

Noch eine Best-Of-Tiamat-CD, obwohl die letzte nur ein Jahr zurück liegt? Die Verschiedenartigkeit der Songs lässt auf verschiedene Kontexte und Ursprünge schließen. Immerhin veröffentlichten Tiamat zwar keine Konzeptalben, aber zumindest Platten, die klanglich sehr dicht und homogen klangen. Nichtsdestotrotz, es handelt sich tatsächlich um ein neues Album der Metal-Revolutionäre um Johan Edlund – immerhin das erste seit fünf langen Jahren. Die Schweden waren ihren Kollegen immer um mehrere Nasenlängen voraus. Bereits die ersten Alben „Sumerian Cry“ (1990), „The Astral Sleep“ (1991) und „Clouds“ (1992) vereinigten aus dem Spannungsfeld jugendlichen Black-Metals kommend, auf innovative Weise Death Metal, Progressive und Gothic zu einer sehnsuchtsvollen Melange. Edlund entdeckte seine Blaue Blume in „Lucifer, Satan, Devil“ – LSD. Während andere Death-Metal-Combos über Krieg, Tod und Teufel sangen, boten Tiamat verspielte Visionen, die die Nähe zu Pink Floyds Syd Barrett illustrierten. Mit „Wildhoney“ gelang 1994 der Meisterstreich, ein naturromantisches Werk, das Tiamat international riesige Popularität und hohe Verkaufszahlen bescherte. Nach einer Welttournee mit Black Sabbath zerstörte das 1997er Nachfolge-Werk „A Deeper Kind Of Slumber“ alle kommerziellen Erwartungen. Violinen und Celli – gespielt von den Berlinern Inchtabokatables – und sperrige Kompositionen dominierten die Reise in die Nacht. Spätestens von da an erfindet sich die Band immer wieder neu. „Skeleton Skeletron“ (1999) klingt deutlich nach der Dortmunder Provinz, in die Edlund der Liebe wegen zog. Geschenkt! Auf das gothiclastige Album folgen jedoch die stärksten Veröffentlichungen der Band: „Judas Christ“ (2002) und „Prey“ (2003) haben mit den Metal-Wurzeln nichts mehr gemein. Anno 2008 heißt Tiamats Plattenfirma Nuclear Blast. Das süddeutsche Label steht für mehr oder weniger zünftige Gitarrenmusik. Somit wundert es auch nicht, dass die ersten beiden Songs aus den Boxen brettern wie anno 1992. Wuchtig, metallisch. Irritierend. Erst das leise, getragene „Until the Hellhounds Sleep Again“ klingt vertraut nach der Entwicklung der letzten Jahre. Auch das melancholische „Will They Come?“ offenbart erneut die kompositorische Leistung Edlunds. Das Manko hingegen liegt in der Entwicklung, die auch Bands wie Paradise Lost oder Moonspell gehen mussten: die Rückkehr ins Metal-Gefilde. Während die alten Fans die Entwicklung zur elektronischen Instrumentierung alles andere als goutierten und „Ausverkauf!“ schrieen, kamen jedoch die innovativen (Ex-)Metal-Bands nie im Mainstream an. So klingt auch Tiamats Double-Bass, die schneidenden Gitarren oder der verzerrte Gesang nicht wie der radikale Versuch, an die jugendliche Härte oder Kompromisslosigkeit anzuknüpfen, sondern wie ein lästiges Korsett, dessen sich Edlund permanent zu befreien versucht. Die Stellen, wo es konsequent gelingt, entpuppen sich dann auch als die stärksten auf dem Album: das herrlich hippieske „Summertime Is Gone“, das griechische Instrumental „Amanitis“ oder das stille, nach 60er-Jahre klingende „Meliae“.– Letztlich bleibt ein zwiespältiger Eindruck. Ein paar Songs weniger und Tiamat hätten ein hochwertiges Album erschaffen, das für Fans von Coldplay genauso interessant wäre wie für Anhänger von Fields of the Nephilim. Statt dessen findet sich zwar „für jeden etwas“, aber diese modularisierte Form der Komposition wirkt leider versatzstückhaft und damit unbefriedigend. Die Mannen um Edlund waren schon mal weiter. Bleibt zu hoffen, dass sie auf den alten Weg zurückfinden.