Gae Bolg „Requiem“

Besprochen von Ronald Klein

Bereits mit dem Vorgänger-Album „Aucassin et Nicolette”, einer Literatur-Vertonung aus dem 13.Jahrhundert, bewies der ehemalige Sol Invictus-Trompeter Eric Roger, dass seine Interpretation mittelalterlicher Musik nichts mit dem Gothic-Crossover-Rummelplatz-Kitsch der üblichen Verdächtigen zu tun hat. Die Totenlieder der aktuellen Veröffentlichung sind den verstorbenen Freunden und Verwandten Rogers gewidmet. Vom einstigen Bombast früherer Gae-Bolg-Werke ist wenig geblieben. Selbst die Trompete muss auf den dritten Titel („Lacrymosa“) warten, um endlich zum Einsatz zu kommen. Ansonsten finden Bläser und Schlaginstrumente nur noch sehr akzentuiert Verwendung. Statt dessen dominiert die Orgel und verleiht den sakral arrangierten Liedern die für das Album typische Färbung. Dazu gesellen sich Chöre, die bisweilen im Kanon agieren. Die andächtige Atmosphäre wird gen Ende durch einen Song gebrochen, der ausgerechnet „Totentanz“ heißt. – Es klingt als wäre die Trauer überwunden und die Lebenden zelebrieren ein ausgelassenen Fest in Einklang mit der Erinnerung an die Toten. Ohne Frage, Gae Bolg gelang erneut ein Album, das mit bisherigen Hörgewohnheiten bricht, aber in seiner Melancholie und Kirchenmusik-Instrumentierung Kompositionen erschafft, die eine dunkle und zeitlose Schönheit besitzen.

 

 

Über „The Water Sprite“ von Noekk

Besprochenvon Ronald Klein

Es ist nun längst kein Geheimnis mehr, dass hinter den Noekk-Musikern Baldachin und Yugoth die Herren Helm und Schwadorf stecken, die zusammen das letzte Empyrium-Album einspielten. Ähnlich wie auch das andere Nachfolge-Projekt The Vision Bleak einen eigenen Charakter besitzt, knüpft Noekk nicht genau dort an, wo einst die Legende, die den Spagat zwischen anspruchsvollen Black Metal und Neofolk vollzog, aufhörte. Der Sage nach handelt es sich bei Noekk um ein Wesen, das sowohl Frauen wie Männer betörte und anschließend in den Abgrund riss. Auch bei „The Water Sprite“ fühlt sich der Hörer gefangen genommen, wenn er den sieben, stark prog-rock beeinflussten Stücken eine Chance gibt. Prog-Rock? Richtig! Die beiden Musiker orientieren sich an dem 70er Jahre Art-Rock, arbeiten mit Orgeln, verleugnen jedoch nie ihre Metal-Wurzeln, was sich gerade bei den Arrangements der schnelleren Songs in den Vordergrund tritt. Also, keine Sorge. Es handelt sich um alles andere als laschen Retro-Rock, sondern um sieben pfiffige Komposition, die einerseits durch ihre Kraft (auch in den langsamen Parts!) und die immer wieder auftretende Unvorhersehbarkeit gewinnen. Man soll nicht immer den beigelegten Pressetexten Glauben schenken, aber wenn Baldachin den fehlenden Probenprozess betont, möchte man nur nicken. Denn die mitreißende Spontaneität macht zweifelsohne den Charme dieser wirklich starken Platte aus, die mit „How Fortunate The Man With None“ auch über eine exzellente Dead-Can-Dance-Coverversion verfügt.

Über „Aucassin Et Nicolette“ von GAE BOLG

Besprochenvon Ronald Klein

Bei “Aucassin et Nicolette, Chantefable“ aus dem Jahr 1225 handelt es sich um das erste Prosimetron (Mischung aus Prosa- und Versen) der französischen Literatur. Der namentlich nicht bekannte, pikardisch schreibende Autor erzählt in 21 Vers- und 20 Prosapassagen mit feiner Ironie die Geschichte des Grafensohnes Aucassin und der schönen Sklavin Nicolette, die sich gegen den Willen des Grafen lieben und erst nach allerlei Schwierigkeiten und Abenteuern endlich heiraten dürfen.
Das Werk enthält Anlehnungen an den hellenistischen Liebes- und Schicksalsroman à la Heliodor, die Chanson de Geste, die höfische Lyrik, den höfischen Roman und den damals neuen Prosa-Ritterroman.

Kaum verwunderlich, dass dieses Album des französischen Musikers Eric Roger (Mitglied bei Sol Invictus) alles andere als Pop-Musik darstellen kann. Sehr stark mittelalterlich beeinflusst und authentisch arrangiert, erzählen die 15 Perlen von Schlachtgetümmel, sagenhaften Abenteuern und der phantastischen Liebesgeschichte. Wer sich auf Musik einlässt, die nichts mit den Mittelalter-Crossover-Bands gemein hat, erlebt eine aufregende Reise, die nach 48 Minuten mit dem Drücken der Repeat-Taste auf dem CD-Player zum ersten Mal endet, um dann sofort erneut zu beginnen.

Über „Der Satanische Surfer“ von Festival der Geisteskranken

Besprochenvon Ronald Klein

Vor fast zehn Jahren feierte das Projekt von DJ Demian (Ex-Soko Friedhof) mit „Burn, Manson, Burn“ sein Debüt. Zumindest als literarische Figur trat danach Demian in David Lines kongenialen Roman „Schwarze Messe“ auf. Die literarische Brücke schlägt auch der Albumtitel, der sich auf eine Kurzgeschichte Demians aus seiner Teenager-Zeit bezieht. In einer von einem Virus geplagten Welt haben nur die Gegensätze überlebt: Die Mörder und die Sklaven, die Huren und Heuchler. Alle Elemente des Splatter-Film sind auf der CD enthalten. Wie im Film-Genre bilden die Extrem-Darstellungen nur eine Schablone zur Interpretation der Wirklichkeit. Musikalisch geht es angenehm heftig zu. Gleich der Opener „Trail of Blood“ begeistert mit bös verzerrter Stimme, finsteren Samples und einen treibenden Beat. Mit „Kill My Baby“ befindet sich ein schaurig-schöner Ohrwurm auf der Scheibe, der entfernt an die melancholische Seite Soko Friedhofs erinnert. „Go Go Chick“ hingegen swingt regelrecht, während „Virus“ selbst Wumpscut alt aussehen lässt. „Black Hole“ wiederum geht als schwermütige, aber originell arrangierte Rock-Ballade durch. Letztlich verhält es sich mit allen 16 Tracks des Konzept-Albums ähnlich: Jedes einzelne Stück steht musikalisch für sich, fügt sich beim Durchhören aber wunderbar ins Gesamtkonzept, das Wiederholungen auslässt. Man merkt Demian die Liebe zu den Klängen an, denn nicht nur Komposition und Arrangement nehmen auch dem x-ten Durchlauf gefangen – ebenso harmonisch betten sich die Samples in die Songstrukturen. Echter Tipp für aufgeschlossene Ohren!

Über „The Grimalkin“ von Noekk

Besprochen von Ronald Klein

Bereits das letztjährige Debüt-Album „The Water Sprite” bewies, dass die talentierte Zwei-Mann-Band nicht nur die Möglichkeiten des Prog-Rock-Genres auszuschöpfen mochte, sondern gegebenenfalls auch sprengte. Mit Spannung wurde der Nachfolger erwartet, der zwar nur drei Songs enthält, die aber alle im zweistelligen Minutenbereich liegen. Der Opener „The Albatross“ weiß mit einem furiosen Spannungsbogen zu begeistern. Ruhige Passagen treffen auf pure Dramatik. Ebenso intelligent arrangiert überzeugt mit „The Grimalkin“ der Titelsong des Albums. Das 20-minütige „Codex Deserta“ hingegen klingt anfangs nach wahrem Doom, entwickelt sich nach und nach zu einem verspielt-epischen Track. Je öfter das Album im CD-Player rotiert, um so mehr eröffnet sich die Klangwelt Noekks. Die vielen Details eröffnen sich nach und nach, was lang anhaltenden Hörgenuss garantiert. Überhaupt hat man das Gefühl, das Duo hat alles richtig gemacht. Die Vielfalt der Einflüsse (Doom, Folk, Hard Rock) trifft auf eine sympathische Aufnahmetechnik: verwendet wurden ausschließlich die stimmlichen First-Takes, was den anti-septischen Klang vieler Prog-Rock-Kapellen vermeidet. Empfehlenswert!

 

 

Über „Stallion Batallion“ von The Boss Hoss

Besprochen von Bastian Buchtaleck

  • The Boss Hoss: Stallion Batallion. 2007.

Musikalisch sind „The Boss Hoss“ schon immer ihren eigenen Weg gegangen. Wollte man sie anfänglich milde belächeln – eine deutsche Band, die Country spielt und dabei bekannte Pop-Songs covert – beweisen sie mit den 19 Tracks ihres dritten Albums „Stallion Batallion“, dass es hierzulande eine echte Sehnsucht nach punkigem Country-Rock gibt. Während sie in ihren ersten beiden Alben hauptsächlich andere Songs nachspielten, legen sie im aktuellen Album mehrere eigene Kompositionen vor, die längst mit den Cover-Versionen mithalten können.
Schon das Titellied „Stallion Batallion“ klingt nach dem wüsten Genremix von Country, Rock’n’Roll und Punk, der die Berliner Band auszeichnet. Die sieben Musiker spielen sowohl Instrumente, die man klassischerweise dem Country zuordnen würde, wie das Waschbrett oder die Mundharmonika, als auch elektrische Rock-Gitarren. Man kennt auch den nasal-erzählenden Tonfall von typischen Country-Sängern. Die Sänger der Band Boss Burns und Hoss Power treffen diesen Tonfall sehr gut und lassen zugleich die kratzige Kehle des Rock deutlich anklingen.
Reinhörtipps sind die Lieder „High“ und „José and Myling“. „High“ würde textlich einer Reggae-Band viel besser zu Gesicht stehen, da in diesem Lied ironisch-lustvoll die Wirkung von Marihuana besungen wird. Darin heißt es, so viele Dinge seien zu erledigen – „But I’m high – and it’s the best thing I ever had“ – Dinge, die dann liegen bleiben. Die bei „José and Myling“ erzählte Geschichte ist genauso wild, wie die Musik. Zumindest dem Namen nach kommen Jo?e und Myling aus zwei Kulturkreisen und doch finden sie als Paar zusammen, genau wie die Musik verschiedene Genres vereint.
Bezeichnend für die unerschrockene Haltung ist auch das Cover des electroclash Songs „Gay Bar“ der Performance-Sängerin Peaches. Eigentlich eignet sich dieser Song gar nicht für Country-Musik, doch genau das zeichnet „The Boss Hoss“ aus. Ihre Cover-Versionen leben weniger von den bekannten Vorbildern und mehr von dem Boss-Hoss-Sound. Gerade darin liegt die Stärke der Band: Was sie auch tun und spielen, ihr Stil, dieser anarchische Genremix, ist unverkennbar.
Mit „Stallion Batallion“ ist „The Boss Hoss“ ein sehr gutes Album gelungen und die Mischung aus elf Eigenkompositionen und acht Cover-Songs birgt Abwechslung. Es ist nicht nur für Country-Fans interessant, sondern eine Bereicherung für jede Party. Letztlich haben sie sich Boss Hoss – um es mit einer Übertreibung zu sagen – nicht dem Publikumsgeschmack angepasst, sondern sich ihre Hörer geschaffen. In diesem Sinne: Höre das Album, entdecke deinen inneren Cowboy – auf die Pferde, an die Stromgitarren, fertig, los!

 

Die Skeptiker: DaDa in Berlin (Rozcomb Records)

Besprochen von Ronald Klein

  • Die Skeptiker: DaDa in Berlin, 2007.

Vor einem Jahrzehnt hätte sich die explizite Vorstellung der 1986 in Ost-Berlin gegründeten Band erübrigt. Die Skeptiker galten als eine der wichtigsten und originellsten deutschen Punk-Combos. Nach einigen Kassetten-Veröffentlichungen erfolgte zum Mauerfall das Debüt-Album „Harte Zeiten“, das poetisch und gleichsam unsentimental die Endzeitstimmung der DDR einfing. Die Texte ließen sich aber auch auf das wiedervereinigte Deutschland übertragen: Stillstand, Ausgrenzung, Homophobie, Zwang zur Konformität funktionieren systemübergreifend. Die ausgefeilte Lyrik und die außergewöhnliche Stimme des Sängers Eugen Balanskat sprengten das Punk-Korsett. Die Presse glaubte die deutschen „Dead Kennedys“ entdeckt zu haben. Doch derartige Vergleiche kennzeichneten nur den verzweifelten Versuch, etwas Eigenständiges zu kategorisieren. Mit den darauffolgenden Scheiben „Sauerei“ (1991) und „Schwarze Boten“ (1993) erweiterten sich die Facetten wiederum. Zorniger Widerstand, artikuliert in „Straßenkampf“ oder „Deutschland halt’s Maul“ (auf die die Band leider oftmals reduziert wurde) trafen auf literarisch inspirierte Liebeslieder („Pierre und Luce“ – nach Romain Rolland) und dunkle, resignierte Lyrik (z.B. „Der Rufer in der Wüste schweigt“ oder „Komm tanzen“). 1995 erfolgte mit „Stahlvogelkrieger“ das ungewöhnlichste Album in der Bandgeschichte. Der moderne Sound, eine Mischung aus harten Metalriffs und elektronischen Elementen wurde erst ein paar Jahre später populär und kommerziell erfolgreich. Das Werk überforderte anno dazumal zahlreiche Fans. Auch Punk erscheint bisweilen sehr konservativ. Nach „Wehr dich!“ (1998) lösten sich die Skeptiker auf und ließen ihre Anhänger lange bezüglich einer möglichen Rückkehr bangen. Ende des letzten Jahres erfolgte das Comeback. Die Club-Tour und die Festivals bewiesen die Wichtigkeit der Berliner auch nach einem Jahrzehnt Abstinenz: Balanskats treffsichere Texte wurden lange vermisst und auf den Gigs Zeile für Zeile vom Publikum mitgesungen. Da die alten Alben schon lange nicht mehr erhältlich sind, markiert „DaDa in Berlin“ die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart: 13 neu eingespielte Klassiker und zwei gänzliche Neu-Kompositionen. Erstaunlich wie aktuell selbst die Texte wirken, die 20 Jahre auf dem Buckel haben (z.B. „Strahlende Zukunft“). Musikalisch klingt die Band kraftvoll und agil wie eh und je. Mit Nostalgie hat die Re-Union nichts zu tun. Album und Konzerte präsentieren die fünf Musiker in Spiellaune, deren Energie sich sofort auf das Publikum überträgt. Die neuen Songs „Kein Weg“ und „Verraten und verkauft“ fügen sich organisch neben die Klassiker und das Programmatische des Bandnamens: „Freiheit nicht nur in Gedanken / Sie wurde wahr gemacht / Diktatur in Agonie / Wir hatten Illusionen / Träume sind verraucht / […] Weder Osten oder Westen / Waren erstrebenswert / Korrumpierung wieder da / Neue Ufer sind die Besten / […]“. So klingt der letzte Track „Verraten und verkauft“ wie die Zusammenfassung der Bandgeschichte zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung. Die darauffolgende Ernüchterung führte aber noch (nicht) zur Resignation. Das springt beim Hören sofort über und macht Lust auf mehr!

www.rozbomb.de (Rozcomb Records)

www.dieskeptiker.com

 

Über „Amanethes“ von Tiamat

Besprochen von Ronald Klein

  • Tiamat: Amanethes, 2008.

Noch eine Best-Of-Tiamat-CD, obwohl die letzte nur ein Jahr zurück liegt? Die Verschiedenartigkeit der Songs lässt auf verschiedene Kontexte und Ursprünge schließen. Immerhin veröffentlichten Tiamat zwar keine Konzeptalben, aber zumindest Platten, die klanglich sehr dicht und homogen klangen. Nichtsdestotrotz, es handelt sich tatsächlich um ein neues Album der Metal-Revolutionäre um Johan Edlund – immerhin das erste seit fünf langen Jahren. Die Schweden waren ihren Kollegen immer um mehrere Nasenlängen voraus. Bereits die ersten Alben „Sumerian Cry“ (1990), „The Astral Sleep“ (1991) und „Clouds“ (1992) vereinigten aus dem Spannungsfeld jugendlichen Black-Metals kommend, auf innovative Weise Death Metal, Progressive und Gothic zu einer sehnsuchtsvollen Melange. Edlund entdeckte seine Blaue Blume in „Lucifer, Satan, Devil“ – LSD. Während andere Death-Metal-Combos über Krieg, Tod und Teufel sangen, boten Tiamat verspielte Visionen, die die Nähe zu Pink Floyds Syd Barrett illustrierten. Mit „Wildhoney“ gelang 1994 der Meisterstreich, ein naturromantisches Werk, das Tiamat international riesige Popularität und hohe Verkaufszahlen bescherte. Nach einer Welttournee mit Black Sabbath zerstörte das 1997er Nachfolge-Werk „A Deeper Kind Of Slumber“ alle kommerziellen Erwartungen. Violinen und Celli – gespielt von den Berlinern Inchtabokatables – und sperrige Kompositionen dominierten die Reise in die Nacht. Spätestens von da an erfindet sich die Band immer wieder neu. „Skeleton Skeletron“ (1999) klingt deutlich nach der Dortmunder Provinz, in die Edlund der Liebe wegen zog. Geschenkt! Auf das gothiclastige Album folgen jedoch die stärksten Veröffentlichungen der Band: „Judas Christ“ (2002) und „Prey“ (2003) haben mit den Metal-Wurzeln nichts mehr gemein. Anno 2008 heißt Tiamats Plattenfirma Nuclear Blast. Das süddeutsche Label steht für mehr oder weniger zünftige Gitarrenmusik. Somit wundert es auch nicht, dass die ersten beiden Songs aus den Boxen brettern wie anno 1992. Wuchtig, metallisch. Irritierend. Erst das leise, getragene „Until the Hellhounds Sleep Again“ klingt vertraut nach der Entwicklung der letzten Jahre. Auch das melancholische „Will They Come?“ offenbart erneut die kompositorische Leistung Edlunds. Das Manko hingegen liegt in der Entwicklung, die auch Bands wie Paradise Lost oder Moonspell gehen mussten: die Rückkehr ins Metal-Gefilde. Während die alten Fans die Entwicklung zur elektronischen Instrumentierung alles andere als goutierten und „Ausverkauf!“ schrieen, kamen jedoch die innovativen (Ex-)Metal-Bands nie im Mainstream an. So klingt auch Tiamats Double-Bass, die schneidenden Gitarren oder der verzerrte Gesang nicht wie der radikale Versuch, an die jugendliche Härte oder Kompromisslosigkeit anzuknüpfen, sondern wie ein lästiges Korsett, dessen sich Edlund permanent zu befreien versucht. Die Stellen, wo es konsequent gelingt, entpuppen sich dann auch als die stärksten auf dem Album: das herrlich hippieske „Summertime Is Gone“, das griechische Instrumental „Amanitis“ oder das stille, nach 60er-Jahre klingende „Meliae“.– Letztlich bleibt ein zwiespältiger Eindruck. Ein paar Songs weniger und Tiamat hätten ein hochwertiges Album erschaffen, das für Fans von Coldplay genauso interessant wäre wie für Anhänger von Fields of the Nephilim. Statt dessen findet sich zwar „für jeden etwas“, aber diese modularisierte Form der Komposition wirkt leider versatzstückhaft und damit unbefriedigend. Die Mannen um Edlund waren schon mal weiter. Bleibt zu hoffen, dass sie auf den alten Weg zurückfinden.

 

Über „Alles dreht sich um nichts (Kurz-Prosa)“ von Roland Lampe

Besprochen von Ronald Klein

  • LAMPE, Roland: Alles dreht sich um nichts : Kurzprosa. Erata-Literaturverl., Leipzig 2008. ISBN 978-3-86660-049-2.

Man möchte an Nietzsche denken. Den großen Sucher. Als Nihilist verkannt. Es sei leichter etwas zu verneinen, konstatierte er. Auch Lampe verneint: „Seine Sinne sind erfroren, sein Körper ist ein Eiszapfen, / und wenn er den Mund aufmacht, schneit es“, heißt es gleich im Auftakt, passend „Gleichgültigkeit“ betitelt. Doch das Abwehrende, Resignierte bedeutet nur eine Facette im unheimlich spannungsreichen Dramaturgiebogen, der aufs minimalsten reduzierten Prosa. Lampe erzählt u.a. von der verstörenden Dominanz eines übermächtigen Vaterbildes, von der Endstation Pflegeheim, von der Introvertiertheit der Paare, deren Schweigen zur emotionalen Nekrose mutiert. Jeder Satz, jedes Wort passend genau. Stellenweise an Kafkas ultra verkürzte Prosa („z.B. „Die Bäume“) erinnernd, hat der Berliner Autor längst seinen eigenen sprachlichen und ikonographischen Kosmos erschaffen. Ein Band, der trotz der wenigen Worte lange zu begeistern weiß.

 

Über „Hexenwind“ von Dornenreich

Besprochenvon Ronald Klein

Nach dem fulminanten 2001er Werk „Her Von Welken Nächten“ kündigten die Österreicher an, sich mit einem Seiten-Projekt anderen Klängen zu widmen. Aus dem einstigen Projektnamen wurde der Albumtitel, der programmatisch eine neue Richtung verspricht. Der raubeinige Black Metal gehört der Vergangenheit an. Der „Hexenwind“ flüstert mal verträumte, mal unheimlich verwunschene Lieder – langsame Akustik-Parts dominieren die fünf Songs (knapp 44 Minuten), während die verzerrten Gitarren deutlich in den Hintergrund treten. Sänger Eviga haucht, flüstert und beschwört und entfesselt den Freiraum der Fantasie, welcher die Hexen schweben lässt. Die Fabelwesen klingen auf dem Album weniger böse als vielmehr nach tanzenden Naturweisen. So bauen sich die Songs unheimlich langsam auf und kreieren mit den sich wiederholenden Passagen ein sowohl mystisches, wie unheimlich melodiöses Mantra, das in knapp einer dreiviertel Stunde die Geschwindigkeit der realen Welt da draußen vergessen macht.

 

www.prophecy.cd

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