Gae Bolg „Requiem“

Besprochen von Ronald Klein

Bereits mit dem Vorgänger-Album „Aucassin et Nicolette”, einer Literatur-Vertonung aus dem 13.Jahrhundert, bewies der ehemalige Sol Invictus-Trompeter Eric Roger, dass seine Interpretation mittelalterlicher Musik nichts mit dem Gothic-Crossover-Rummelplatz-Kitsch der üblichen Verdächtigen zu tun hat. Die Totenlieder der aktuellen Veröffentlichung sind den verstorbenen Freunden und Verwandten Rogers gewidmet. Vom einstigen Bombast früherer Gae-Bolg-Werke ist wenig geblieben. Selbst die Trompete muss auf den dritten Titel („Lacrymosa“) warten, um endlich zum Einsatz zu kommen. Ansonsten finden Bläser und Schlaginstrumente nur noch sehr akzentuiert Verwendung. Statt dessen dominiert die Orgel und verleiht den sakral arrangierten Liedern die für das Album typische Färbung. Dazu gesellen sich Chöre, die bisweilen im Kanon agieren. Die andächtige Atmosphäre wird gen Ende durch einen Song gebrochen, der ausgerechnet „Totentanz“ heißt. – Es klingt als wäre die Trauer überwunden und die Lebenden zelebrieren ein ausgelassenen Fest in Einklang mit der Erinnerung an die Toten. Ohne Frage, Gae Bolg gelang erneut ein Album, das mit bisherigen Hörgewohnheiten bricht, aber in seiner Melancholie und Kirchenmusik-Instrumentierung Kompositionen erschafft, die eine dunkle und zeitlose Schönheit besitzen.

Über „Aucassin Et Nicolette“ von GAE BOLG

Besprochenvon Ronald Klein

Bei “Aucassin et Nicolette, Chantefable“ aus dem Jahr 1225 handelt es sich um das erste Prosimetron (Mischung aus Prosa- und Versen) der französischen Literatur. Der namentlich nicht bekannte, pikardisch schreibende Autor erzählt in 21 Vers- und 20 Prosapassagen mit feiner Ironie die Geschichte des Grafensohnes Aucassin und der schönen Sklavin Nicolette, die sich gegen den Willen des Grafen lieben und erst nach allerlei Schwierigkeiten und Abenteuern endlich heiraten dürfen.
Das Werk enthält Anlehnungen an den hellenistischen Liebes- und Schicksalsroman à la Heliodor, die Chanson de Geste, die höfische Lyrik, den höfischen Roman und den damals neuen Prosa-Ritterroman.

Über „The Grimalkin“ von Noekk

Besprochen von Ronald Klein

Bereits das letztjährige Debüt-Album „The Water Sprite” bewies, dass die talentierte Zwei-Mann-Band nicht nur die Möglichkeiten des Prog-Rock-Genres auszuschöpfen mochte, sondern gegebenenfalls auch sprengte. Mit Spannung wurde der Nachfolger erwartet, der zwar nur drei Songs enthält, die aber alle im zweistelligen Minutenbereich liegen. Der Opener „The Albatross“ weiß mit einem furiosen Spannungsbogen zu begeistern. Ruhige Passagen treffen auf pure Dramatik. Ebenso intelligent arrangiert überzeugt mit „The Grimalkin“ der Titelsong des Albums. Das 20-minütige „Codex Deserta“ hingegen klingt anfangs nach wahrem Doom, entwickelt sich nach und nach zu einem verspielt-epischen Track. Je öfter das Album im CD-Player rotiert, um so mehr eröffnet sich die Klangwelt Noekks. Die vielen Details eröffnen sich nach und nach, was lang anhaltenden Hörgenuss garantiert. Überhaupt hat man das Gefühl, das Duo hat alles richtig gemacht. Die Vielfalt der Einflüsse (Doom, Folk, Hard Rock) trifft auf eine sympathische Aufnahmetechnik: verwendet wurden ausschließlich die stimmlichen First-Takes, was den anti-septischen Klang vieler Prog-Rock-Kapellen vermeidet. Empfehlenswert!

Über „Alles dreht sich um nichts (Kurz-Prosa)“ von Roland Lampe

Besprochen von Ronald Klein

  • LAMPE, Roland: Alles dreht sich um nichts : Kurzprosa. Erata-Literaturverl., Leipzig 2008. ISBN 978-3-86660-049-2.

Man möchte an Nietzsche denken. Den großen Sucher. Als Nihilist verkannt. Es sei leichter etwas zu verneinen, konstatierte er. Auch Lampe verneint: „Seine Sinne sind erfroren, sein Körper ist ein Eiszapfen, / und wenn er den Mund aufmacht, schneit es“, heißt es gleich im Auftakt, passend „Gleichgültigkeit“ betitelt. Doch das Abwehrende, Resignierte bedeutet nur eine Facette im unheimlich spannungsreichen Dramaturgiebogen, der aufs minimalsten reduzierten Prosa. Lampe erzählt u.a. von der verstörenden Dominanz eines übermächtigen Vaterbildes, von der Endstation Pflegeheim, von der Introvertiertheit der Paare, deren Schweigen zur emotionalen Nekrose mutiert. Jeder Satz, jedes Wort passend genau. Stellenweise an Kafkas ultra verkürzte Prosa („z.B. „Die Bäume“) erinnernd, hat der Berliner Autor längst seinen eigenen sprachlichen und ikonographischen Kosmos erschaffen. Ein Band, der trotz der wenigen Worte lange zu begeistern weiß.

Über „Hexenwind“ von Dornenreich

Besprochenvon Ronald Klein

Nach dem fulminanten 2001er Werk „Her Von Welken Nächten“ kündigten die Österreicher an, sich mit einem Seiten-Projekt anderen Klängen zu widmen. Aus dem einstigen Projektnamen wurde der Albumtitel, der programmatisch eine neue Richtung verspricht. Der raubeinige Black Metal gehört der Vergangenheit an. Der „Hexenwind“ flüstert mal verträumte, mal unheimlich verwunschene Lieder – langsame Akustik-Parts dominieren die fünf Songs (knapp 44 Minuten), während die verzerrten Gitarren deutlich in den Hintergrund treten. Sänger Eviga haucht, flüstert und beschwört und entfesselt den Freiraum der Fantasie, welcher die Hexen schweben lässt. Die Fabelwesen klingen auf dem Album weniger böse als vielmehr nach tanzenden Naturweisen. So bauen sich die Songs unheimlich langsam auf und kreieren mit den sich wiederholenden Passagen ein sowohl mystisches, wie unheimlich melodiöses Mantra, das in knapp einer dreiviertel Stunde die Geschwindigkeit der realen Welt da draußen vergessen macht.