Jürgen Landt: Realität ist Zauberwald (Kurzgeschichten)

Besprochenvon Ronald Klein

Der Ostsee-Poet Jürgen Landt legte erst diesen Herbst seinen brillanten Debüt-Roman „Der Sonnenküsser“ vor. Den Lesern ist der Greifswalder hingegen seit 20 Jahren als Meister der hintersinnigen Kurzgeschichte bekannt. In Zeiten, in denen der Mario-Barth-Humor auch die deutschen Lesebühnen heimsucht, kehrt Landt der stringenten Erzählweise den Rücken. Die Geschichten im neuen Band sind angenehm sperrig, keine Fast-Food-Literatur. Die meist zwei, drei Seiten lange Mini-Prosa bewegt sich grazil an der Schnittstelle zur Lyrik und eröffnet weite Interpretationsräume. Bereits die Titel wecken Neugier: „MOOSE, NICHT ZÄHLBAR TIEF IM SUMPF“. Ähnlich offen der Anfang: „Da lief er nun. / So verwirrt und bemoost vom Vorhandensein. / Obwohl er immer noch, mindestens auswendig, bis 100 Trilliarden hätte zählen können. / Keine Zeit, in diesem Sumpf zu wandern. / Angst, die Sonne anzuspucken. / […]“. Wer sich für den Band Muße zugesteht und sich den Luxus gönnt, innerhalb kürzester Zeit, die Geschichten mehrfach zu lesen, wird bemerken, wie sich die anfänglichen Interpretationen immer wieder auflösen und sich neue Bilder formen. Mal intertextuell mit dem Roman korrespondierend, mal durch persönliche Erfahrungen inspiriert. Landt oktroyiert nicht. Sein Schreiben öffnet Räume: Für Literatur im Prinzip eine essentielle Eigenschaft, steht er leider mit einigen wenigen Kollegen auf weiter Flur allein. Es wird Leser geben, die überfordert den Buchdeckel zuklappen oder sich an bestimmten Schlagworten reiben. Wer hingegen von der Literatur mehr als nur kurzweiligen Zeitvertreib FORDERT, wird mit diesem Buch lange Freude haben.

 

Bench Press Publishing, ISBN 978-3-933649-24-9, 160 Seiten, 14,90 €