Über „Geht so. Wegbeschreibungen“ von Peter Hein

Besprochen von Ronald Klein

  • HEIN, Peter: Geht so : Wegbeschreibungen. Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2007. ISBN 978-3-940357-03-8.

Auch die vermeintliche Hochkultur kocht nur mit Wasser. Goethe schlief auf seiner ersten Italienreise beim Besuch der Sixtinischen Kapelle in Rom ein. Bekanntlich führte der Aufenthalt im Mittelmeerland trotzdem zu einem kreativen Schub, der nicht nur Literarisches, sondern auch knapp 1000 Aquarelle hervorbrachte. Mehr als 200 Jahre später reiste Roger Willemsen zwar nicht so weit, aber dafür kreuz und quer zwischen Sylt und Passau, Koblenz und Leipzig hin und her. Daraus entstand das Buch „Deutschlandreise“: die eindringliche Beschreibung einer fremden Heimat. Was die Beiden können, kann Peter Hein alias Janie J. Jones, Sänger der Fehlfarben, schon lange und spitze seinen Stift: „Wegbeschreibungen, der vom Lektorat gewählte Untertitel, lässt doch einige hübsche Möglichkeiten zu“, wird der Leser am Ende des Buches aufgeklärt. Der Aufbruch nach Italien steht an. Auf den hundert Seiten davor prangen Beschreibungen deutscher Landstriche, die in der Regel mit der Suche und dem Finden einer Tränke eingeleitet werden: „[…] Also erst einmal einen Kaffee bzw. einen Espresso und je nach Sonderangebotslage ein Hefeweizen oder ein kleines Frischgezapftes; da entscheidet der Literpreis.“ („Rheinstrecke“); „[…] Richtung Reeperbahn könnte man wahrscheinlich noch wo saufen, kenn mich da nicht mehr so aus, aber ein paar gebratene Eier zum Hellen – Fehlanzeige.“ („Hamburg“); „[…] Also lässt man sich irgendein totes Tier aufs Brot schmieren, noch ein Bier auf den Weg – und jetzt ins unbekannte Augsburg“ (na, klar: „Augsburg“). Dazu die Schilderung des Bummels durch die Innenstadt, wo die Dominanz der Einkaufsstraßen nur noch Tristesse verbreitet. Spätestens nach der dritten Station offenbart sich das Erzählschema als voraussehbar. Auch wenn Hein genüsslich und gekonnt Spitzen gegen Mehdorn und die Bahn, Kunstsammler und Immobilienmakler etc. einbaut, lesen sich die Beschreibungen der Städte und ihrer Bewohner freundlich bis desinteressiert. Lediglich Magdeburg erhält hier eine Sonderstellung. An die Schilderung der Langeweile der Elbmetropole schließt sich die folgende Passage an: „Diese Arschstadt entpuppt sich als genauso verschissenes Volldeppen-Scheißnazidrecksnest, wie ich es von dieser verdammten Scheißzone nie wirklich glauben wollte, aber in meinen wüstesten Angstvorstellungen immer imaginiert habe. Es hatte schon seine Richtigkeit, diese Scheißwende zu ignorieren, außer wenn man nach Scheißberlin muß, das hat doch keine Vorteile gebracht. Nichs und Niemandem.“ – Die Düsseldorfer Musiker treffen dort auf pöbelnde Nazis-Skins und Polizisten, die sich nur äußerlich von den Glatzköpfen unterscheiden. „Es liegt ein Grauschleier über der Stadt“ postulierte Peter Hein 1980 mit den Fehlfarben. Mittlerweile hat er sich über das Land ausgebreitet. Das Buch lüftet den Schleier nicht. Letztlich ist alles so, wie wir es uns immer schon vorgestellt haben.