von Leif Allendorf
- Der Felsen, Regie: Dominik Graf, Produktion: Deutschland 2002, Laufzeit: 122 Minuten.
Etwas ratlos reagierte die Filmkritik auf Dominik Grafs Kinofilm, in der eine deutsche Urlauberin sich auf eine verhängnisvolle Liebesgeschichte mit einen jungendlichen Kriminellen auf Korsika einlässt. Über die Professionalität des Werkes war man sich einig. Aber irgendwie wurden die Rezensenten mit dem Streifen nicht so recht warm. Die bei Eurovideo erschienene DVD gibt Gelegenheit, sich den Kinofilm noch einmal in Ruhe anzusehen. Die Geschichte lebt zweifellos von der Hauptdarstellerin Karoline Eichhorn, die mit schlafwandlerischer Sicherheit durch die manchmal grausam scharfen, manchmal nächtlich verwischten Bildern der Digitalkamera durch die Ereignisse taumelt.
Filmkunst oder Manierismus?
In einer Online-Ausgabe des Film-Magazins Der Schnitt konnten sich selbst die Kritiker der gleichen Redaktion nicht einigen. „Der Felsen ist eine Initiation, glasklar, radikal, die härteste, die es gab im Kino der letzten zwanzig Jahre”, schwärmt Fritz Göttler. “Karoline Eichhorn, sie ist so unglaublich in diesem Film, wie Karina es war bei Godard und Deneuve bei Truffaut.” Der Verweis auf filmische Meilensteine wie Godards Alphaville verdeutlicht, wie hoch die Filmkunst von Dominik Graf sich von der all seiner deutschen Kollegen unterscheidet. Ist da schon zuviel Kunst? “Zweifellos, Der Felsen ist Kunst, doch sei gefragt, ob er außerhalb seines Korsetts von Kunstbegriffen, bei aller Kodierung noch lesbar ist,” kritisiert Maqtthias Grimm in der gleichen Ausgabe. “Die Strenge, mit der Graf sein Werk in jedem Aspekt als Kunst denotiert, versetzt es in eine Abhängigkeit zu seinen Mitteln, die nicht zwangsweise Sinn macht und den Intellektualismus bisweilen ebenso übertreibt wie diese Filmkritik.”
Alles ist gleich scharf
Kameramann Benedict Neuenfels schildert in einem Interview gegenüber dem Schnitt, welche Probleme die Verwendung der Digitalkamera mit sich brachte: “Alles ist scharf!” Wo der Effekt der Tiefenschärfe nicht mehr greift, ist alles gleich deutlich, Vordergrund wie Hintergrund, Hauptdarsteller und Komparsen. Dieser Realismus wird durch die in Alltagsgestammel formulierten Dialoge unterstrichen. Gleichzeitig ist das Werk hochartifiziell: Zwei Stimmen aus dem Off, eine männliche und eine weibliche, kommentieren die Ereignisse, ohne zur Klärung beizutragen. Dies in Verbindung mit der hypnotischen Musik von Dieter Schleip erzeugt einen hypnotischen Sog.
Der Kreis schließt sich nicht
Allerdings zeigt sich beim nüchternen Betrachten auf dem heimischen Bildschirm, dass nicht alles so glatt aufgeht, wie die Anfangsmetapher es nahelegt. Zu Beginn berichtet ein Afrikaner auf Korsika den Touristen von dem Spiel, in dem aus einer Reihe beliebiger Gegenstände eine Geschichte gesponnen wird. Jeder in der Runde fügt einen Gegenstand hinzu und spinnt den Faden weiter. Dem letzten Redner obliegt es dann, die Geschichte vom letzten Gegenstand mit dem ersten zu verknüpfen. Und dies will im Felsen nicht so recht gelingen. Doch selbst das wird anscheinend autopoetisch thematisiert, durch den deutschen Korsikareisenden, der dem Afrikaner zuraunt: “Na, schwindelst du wieder den Touristen etwas vor?”
Was bleibt ist dennoch filmisches Erzählen von höchstem Rang, für jeden, den es bei deutschen Filmen nach mehr verlangt als platten Komödien oder Hollywood a la Bavaria aus dem Hause Eichinger.