Soziologisches Rucksackwissen Paris. Über ‘Sociologie de Paris’ von Michel Pinçon und Monique Pinçon-Charlot

Besprochenvon Michael Tillmann

  • PINÇON, Michel/ PINÇON-CHARLOT, Monique: Sociologie de Paris. La découverte, Paris 2004. ISBN 978-2707142801.

Dass die Stadt – und insbesondere eine so geschichtsträchtige Metropole wie Paris – ein lebendiges Gebilde ist mit ihren eigenen Gesetzen und ihrer eigenen Entwicklungsdynamik, ist keine neue Erkenntnis. Honoré de Balzac oder Émile Zola betrachteten mit unverhohlener Faszination das rapide Anwachsen der französischen Kapitale und erwiesen sich dabei als genaue Beobachter sozialer Entwicklungsprozesse. Als politischer, wirtschaftlicher und kultureller Dreh- und Angelpunkt Frankreichs und – zumindest phasenweise – auch Europas tritt Paris natürlich auch ins Blickfeld soziologischen Interesses. Gerade die sozialräumlichen Segregations- und Aggregationsprozesse in und um Paris sind in den letzten Jahren einer kritischen Betrachtung unterzogen worden (vgl. etwa Donzelot 2003, der die stadtpolitischen Maßnahmen in Frankreich und den Vereinigten Staaten miteinander vergleicht, sowie vor allem auch Maurin 2004). In den „Repères“, einer bei La Découverte erscheinenden Reihe mit Einführungsbänden in wissenschaftliche Fachgebiete, liefern Michel Pinçon/Monique Pinçon-Charlot eine kondensierte und gedrängte Soziologie der Stadt Paris, die zum Teil an ihr Buch Paris mosaïque. Promenades urbaines anknüpft. Als Soziologen der „besseren Gesellschaft“ (vgl. die in der Bibliographie verzeichneten Veröffentlichungen und insbesondere die Kurzrezension zu Voyage en grande bourgeoisie) sind sie natürlich besonders prädestiniert, um die Verbürgerlichungs- bzw. Gentrifizierungsprozesse nachzuzeichnen, denen sich auch eine Stadt wie Paris nicht hat entziehen können. In sieben dichten Kapiteln werden die geographische Organisation (Lire Paris), die demographische Entwicklung (L’attraction de Paris), die Funktion als politische Hauptstadt (Paris, ville capitale), die „Gentrification“ („Gentrification“ et déprolétarisation de Paris), die (wahl)politischen Aspekte der Kapitale (Paris, ville bourgeoise, ville de gauche?), das Problem sozialräumlicher Mischung (Les enjeux de la mixité) und das Verhältnis der Hauptstadt zu ihren Vororten (Paris-banlieue: une agglomération?) abgehandelt. Insofern bietet dieser Einführungsband interessierten Lesern nicht nur soziologische Grundinformationen zur Stadt Paris, sondern allen Touristen das notwendige Rucksackwissen, das eine genauere Lektüre einer der attraktivsten Großstädte Europas bietet und die Sinne für sozialräumliche Ordnung und ihre politischen Implikationen schärft.

© www.passerelle.de, März 2006

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