von Linda Stanke
- FISCHER, Heinz-Dietrich: Picture Coverage of the World. Pulitzer Prize Winning Photos. Lit Verlag 2011. ISBN: 978-3643108449.
Welche Erwartungen weckt ein Buch mit dem Titel Picture Coverage of the World. Pulitzer Prize Winning Photos? Die meisten werden wohl einen Bildband vermuten, der mit ergänzenden Hintergrundinformationen zu den Bildern, den Fotografen und vielleicht noch zur Geschichte des „Pulitzer Prize for Press Photography“ ergänzt wird. Je nach wissenschaftlichem oder künstlerischem Anspruch bestimmen Text oder Bilder die äußere Erscheinung des Werkes. Blättert man durch Heinz-Dietrich Fischers 2011 im Lit Verlag erschienenes Buch, ist man sich der Bestimmung nicht sicher. Da der Textanteil überwiegt, kann nicht von einem Bildband gesprochen werden. Man einige sich also auf die wissenschaftliche Lesart.
Fischer beginnt erwartungsgemäß mit einer Einleitung, in der er seine Absicht zu diesem Buch erklärt („The book at hand attempts to document the evolution of this award“) und sein Vorgehen präsentiert, die Gewinnerfotos aus 70 Jahren „Pulitzer Prize for Press Photography“ kulturell und inhaltlich gewissenhaft einzuordnen.
In der Folge werden auf 233 Seiten alle Gewinnerfotos auf jeweils einer Doppelseite vorgestellt. Das Schema ändert sich nicht: Nach der Nennung der Kategorie („Feature Photography Award“ oder „Spot News/Breaking News Photography Award“), des Jahres, des Fotografen und der Tageszeitung, in der das Foto erschienen ist, geht der Autor in vier Absätzen kurz auf die Juryentscheidung ein, benennt weitere Nominierungen, portraitiert den Fotografen und erläutert knapp das Foto. Die Redundanz ist sicherlich dem Chronikcharakter geschuldet und stört an sich nicht, wenn der Leser einen Bildband erwartet hätte. So jedoch fehlt dem Text die Tiefe: historische oder kulturelle Hintergründe zur Entstehung der Bilder werden zwar gegeben, nicht aber in einen wissenschaftlichen Kontext eingeordnet; die Juryentscheidungen werden nicht analysiert oder kritisch hinterfragt. Der gesamt Text kratzt an der Oberfläche, mehr nicht.
Liest man das Buch hingegen als Bildband, fällt als erstes die schlechte Bildqualität auf. Zwar weist Fischer in seiner Einleitung auf Qualitätsunterschiede hin und begründet dies mit fehlendem Archivmaterial. Dieses Argument wird jedoch hinfällig bei Fotografien neueren Datums, die mit allergrößter Wahrscheinlichkeit digital vorliegen und deren Macher mit Sicherheit kontaktiert werden können, um eine bessere Auflösung des Bildes zu liefern.
Die Frage ist nun: Wenn der Verlag schon viel Geld für Bildrechte ausgibt, warum er das Material dann so lieblos abdruckt? Körnige Schwarzweiß-Fotografien können durchaus Charme besitzen, doch hier hat man sich keine Mühe gemacht, die Bildauflösung zu prüfen oder Kontraste nachzubessern. Das Gewinnerfoto „Severely wounded U.S. soldiers in Baghdad“ (John Moore et al.) aus dem Jahr 2005 beispielsweise ist pixelig. Stan Grossfelds „Shiite moslem orphans playing in Lebanon“ von 1984 ist so schlecht reproduziert, dass man auf den ersten Blick keine kleinen Mädchen mit Hoolahoop-Reifen erkennt, sondern behelmte Marsmenschen wie in Tim Burtons „Mars attacks“ vermutet. In unserem digitalen Zeitalter kann man wirklich mehr erwarten.
Der Kommunikationswissenschaftler Heinz-Dietrich Fischer hat schon zahlreiche Bücher zum Pulitzer Prize veröffentlicht. Dieses hier trägt jedoch nicht zu seiner Reputation bei. Die inhaltlichen Mängel könnte man sogar verschmerzen, wenn der Verlag sich für die richtige Präsentation dieser (informativen, aber nicht wissenschaftlichen) Arbeit entschieden hätte. Diese langweilige und billige Darstellung ist enttäuschend und rechtfertigt den hohen Ladenpreis von 89,90 EUR keineswegs.