von Leif Allendorf
- Maximilian Schell Jubiläums Edition. Die preisgekrönten Film-Regiearbeiten. Eurovideo, 374 Min, EUR 34,99. Enthält: Erste Liebe (1970), Der Fußgänger (1973), Der Richter und sein Henker (1975), Geschichten aus dem Wiener Wald (1979). Mit Birgit Doll u.a.
Maximilian Schell, der 2005 seinen 75. Geburtstag feierte, ist für zwei Karrieren bekannt. Ersten Ruhm errang der Österreicher als international gefragter Schauspieler und Frauenschwarm der Nachkriegszeit. In jüngster Zeit machte Schell sich als Dokumentarfilmer einen Namen. So porträtierte er zwei Frauen, die im Alter zu Schatten ihres Ruhmes wurden: Marlene Dietrich und seine Schwester Maria Schell.
Dazwischen liegt eine nicht weniger spannende Erfolgsgeschichte. Für seine erste Regiearbeit, die 1970 gedrehte Turgenjew-Adaption „Erste Liebe“ erhielt Schell drei Oscar-Nominierungen. Sein nächster Spielfilm, „Der Fußgänger“ von 1973 bekam Dutzende internationaler Preise, unter anderen den Golden Globe. Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker“, und Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ folgten 1975 und 1979.
Ein Stück Film- und Zeitgeschichte
Nun ist bei Eurovideo eine Gesamtausgabe der genannten vier Spielfilme auf zwei DVDs erschienen, die Gelegenheit bieten, sich ein Stück Zeit- und Filmgeschichte noch einmal anzusehen. Dabei steht Zeitgemäßes neben Unzeitgemäßem. So ist das Drama „Der Fußgänger“ mit seine Schwere und Langatmigkeit heutzutage kaum mehr zu ertragen. All diese Debatten um Schuld und Sühne jener Unternehmer der Adenauerzeit, die in Verbrechen des NS-Regimes verstrickt waren, sind in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten ausgiebig geführt worden. Für eine Überraschung sorgt in diesem Film nur der revolutionäre 68er-Sprößling, der seinen Nazi-Vater von aller Schuld freispricht, mit der Begründung: „Ich habe es sat, immer der Sohn eines bösen Nazis zu sein.“ Statdessen will er lieber gegen den Vietnam-Krieg der Amerikaner protestieren. Dass diese auch schon die Gegner des Vaters waren, schwingt hier leise mit. Dies wirkt wie eine gruselige Vorwegnahme des Spaziergangs von Ronald Reagen mit Bundeskanzler Kohl über die SS-Soldatengräber von Bitburg. Damals, 1985, signalisierte der US-Präsident, die deutschen Wehrmachtssoldaten seien ja eigentlich auf der richtigen Seite gewesen – schließlich hätten sie die Kommunisten bekämpft.
Prominent besetzter Thriller statt Europudding
Ganz und gar zeitgemäß dagegen wirkt die Dürrenmatt-Verfilmung „Der Richter und sein Henker“. Dass dieser Streifen mit Jaqueline Bisset und Martin Shaw (nicht zu vergessen Donald Sutherland als Leiche) nicht zum Europudding wurde, verdankt er den schrulligen Hauptpersonen. Wenn Kommissar Bärlach (Martin Rit) und sein Assistent Tschanz (heute nicht wiederzuerkennen: Jon Voight) sich gegenseitig die Bälle zuwerfen, ist das so frisch und neu wie Frotzeleien der heutigen „Tatort“-Polizisten Leitmayer und Batic.
Einen schönen Gegensatz bieten auch das älteste und das jüngste Werk des Spielfilmregisseurs Schell. „Erste Liebe“ ist ein in jeder Hinsicht schöner Film. Er ist leise, melancholisch und zeigt die Unzulänglichkeit des Menschen wie mit einem Weichzeichner. Die Horváth-Verfilmung von 1979 ist – dem österreichischen Dramatiker getreu – eine zynische Abrechnung mit den letzten präfaschistischen Jahren der Alpenrepublik.