Paul Lukas: „Vinyl“

Besprochen von Julia Schmidt

  • Paul Lukas: Vinyl. Milena: Wien 2012. 232 Seiten.

Wie ein ständiges Auf und Ab, himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt: so beschreibt Paul Lukas in seinem Roman „Vinyl“ die Liebesbeziehung zwischen dem Ich-Erzähler und seiner großen Liebe, der unberechenbaren und kompromisslosen Nadja.

Der Protagonist, ein ehemaliger Musiker, dessen Namen der Leser während des gesamten Romans nicht erfährt, arbeitet in einer Berliner Plattenfirma und führt ein trostloses Leben. Immer wieder springt er  zurück in die Vergangenheit und erzählt, wie er seine große Liebe Nadja kennenlernte, wie sie sich verliebten, wie sich ihre Beziehung entwickelte. Und wie er zu seiner Band, den „Sonntagsmördern“ kam, mit denen er so viele Jahre verbracht und gespielt hat.

Während all seiner Erzählungen steht die Beziehung zu Nadja im Mittelpunkt. Diese hat nichts Beständiges, nichts Sicheres oder Routiniertes. Wunderschöne und harmonische Momente wechseln sich ab mit heftigen Streitereien. Nadja ist eine komplizierte Person,  auf der einen Seite sehr stark und selbstbewusst, eine junge Frau mit klaren moralischen Vorstellungen, der Spießertum, Heuchelei und Geldgier ein Gräuel sind. Doch auf der anderen Seite verliert sie schnell die Kontrolle über ihre Emotionen, bricht zusammen und muss gepflegt und geschont werden, bis es ihr wieder besser geht. Auch mit der musikalischen Karriere des Erzählers geht es nicht immer steil bergauf. Die Band hat einige Anlaufschwierigkeiten, es dauert lange, bis die Musiker wirklich genug Erfolg haben, um von ihrer Musik leben zu können. Dies bringt ständige Geldprobleme für den Protagonisten mit sich, der zudem noch eine kleine Tochter aus einer früheren Beziehung zu versorgen hat.

Trotz dieser Schwierigkeiten steht der junge Mann von „damals“  in klarem Kontrast zu seinem jetzigen Ich. Als der Protagonist Nadja kennenlernt, ist er ein lebenshungriger junger Mann, der optimistisch in die Zukunft blickt, sein älteres Ich jedoch ist ein Zyniker. Dieser Mensch hat von Politik, Jugend und Gesellschaft eine sehr geringe Meinung und verspricht sich auch von seinem eigenen Leben nicht mehr viel. Mit Nadja ist er nicht mehr zusammen, sie fehlt ihm sehr und er hat ihren Verlust nicht überwunden. Durch die Zeitsprünge setzt sich das Leben des Protagonisten nach und nach wie ein Puzzle zusammen und die Frage, wie und warum die Beziehung zu Nadja ein endgültiges Ende findet, wird erst am Schluss beantwortet.

Nadja sucht ihren ehemaligen Geliebten nach einer mehrjährigen Trennung auf und bittet ihn um Hilfe. Erneut fühlt sich der Protagonist zu ihr hingezogen. Als sie ihm jedoch von ihrem Plan erzählt, ist er geschockt. Nadja ist traurig und wütend über den Tod ihrer Tante, der auf eine falsche ärztliche Behandlung zurückzuführen war und möchte ein Zeichen setzen. Sie will eine Bombe zünden und so gegen die Geldgier im Gesundheitssystem protestieren. Ihr Ex-Geliebter schafft es nicht, sie aufzuhalten; Nadja wirft die Bombe. Sie stirbt, er verliert eine Hand. Die musikalische Karriere des Protagonisten ist vorbei, doch dies scheint ihm gleichgültig zu sein. Nadjas Tod reißt ihn in tiefe Depressionen, sie bedeutete ihm alles.

Die Geschichte insgesamt ist ein wenig düster, von der Tatsache überschattet,  dass der Protagonist nicht mit seiner großen Liebe zusammenbleibt, er in einem Job endet, den er nicht ausstehen kann und seinen Kummer in Alkohol ertränkt. Dagegen ist die Sprache sehr bunt, reich an Bildern und Metaphern. Das ständige Auf und Ab in der Beziehung ist spannend mit zu verfolgen und auch die Frage, was zum endgültigen Bruch zwischen Nadja und ihrem Geliebten führt, erhält die Neugier aufrecht.  Vinyl – ein umgangssprachliches Wort für „Schallplatte“; genau wie dieser Tonträger scheint auch der Protagonist seine beste Zeit hinter sich zu haben. Er hängt einer vergangenen Liebe nach und auch seine berufliche Lage scheint aussichtslos. Das Ende des Romans gibt jedoch Mut: der Erzähler erwacht aus seiner Gleichgültigkeit, kündigt seinen ihm so sehr verhassten Job und beschließt, es noch einmal mit der Musik und dem Leben zu versuchen.