Vom Verschwinden des Qualitätsjournalismus

Besprochen  von Bastian Buchtaleck

  • DONSBACH, W./ RENTSCH, M./ SCHIELICKE, A.M./ DEGEN, S. (Hrsg.): Entzauberung eines Berufs. Was die Deutschen vom Journalismus erwarten und wie sie enttäuscht werden. UVK, Konstanz 2009. ISBN 978-3-86764-192-0.
vom verschwinden des qualitätsjournalismus                                     © UVK – Verlag

 

Die Ergebnisse des Buchs „Entzauberung eines Berufs“ sind nicht nur alarmierend, sie sind niederschmetternd: „Die Mehrheit der Befragten, darunter gerade auch die Jungen, hält Journalisten für unmoralisch, rücksichtslos, manipulativ, bestechlich und – überraschend im Hinblick auf ihre Kontrollfunktion als vierte Gewalt – für zu mächtig. Zudem fühlen sie sich nicht sachlich genug informiert.“ Ebenso wird eine Studie zitiert, wonach acht von zehn Zeitungsredakteuren einräumen, dass im redaktionellen Teil der eigenen Zeitung auf die Interessen von Inserenten Rücksicht genommen wird.

Das alles klingt wahrlich ernüchternd. Doch worin bestand der Zauber des Berufs Journalist ursprünglich? Walter Donsbach und seine Co-Autoren schreiben, „Recherchetiefe, Neutralität und Fairness“ seien zentrale Merkmale des Journalismus gewesen. Lange Zeit war Journalismus eine Instanz, die die Wahrheit über finanzielle und persönliche Interessen gestellt hat und darum eine Kontrollfunktion auf Wirtschaft und Politik ausübte. Gleichzeitig brachten Journalisten das Neueste vom Tage in die Haushalte.

Journalismus in Deutschland – kein Vertrauen und wenig Glaubwürdigkeit

Die Ergebnisse der Studien rechnen deutlich mit dieser offensichtlich nicht mehr aktuellen Einschätzung ab. Gefragt wurden deutschlandweit 1054 Personen ab 18 Jahre. Ihr Bild vom derzeit praktizierten Journalismus ist düster. Weniger als Journalisten vertrauen die Deutschen nur noch Managern und Politikern.

Für die Erosion der Glaubwürdigkeit des Berufsstandes machen die Autoren mehrere Gründe aus. Allen voran den wachsenden Online-Markt, der andere Anforderungen an die Journalisten stellt als die klassischen Printausgaben. Seit im Internet fast alle Informationen und Nachrichten sekundenschnell verfügbar sind und ebenso schnell übernommen werden können, ist es schwierig, mit exklusiven Nachrichten und hoher Geschwindigkeit positiv herauszustechen. Es gibt immer mehr Anbieter, die dieselben Inhalte im Überfluss anbieten.

Mehr Anbieter bedeuten gleichzeitig weniger Auflage oder Klicks pro Angebot. Um trotzdem ein möglichst großes Stück des verbleibenden Kuchens zu erhalten, passen die Redaktionen ihre Inhalte an die Nachfrage an. Sie ändern sich in Richtung Personalisierung (People), Emotionalisierung (Klatsch) und Skandalisierung – kurz: das was man unter Boulevard versteht.

Soft News verdrängen die klassischen Hard News

Diese neuen Themen werden als Soft News bezeichnet. Sie unterscheiden sich von den Hard News dadurch, dass sie mehr auf Gerüchte und Spekulationen setzen als auf Fakten. Obwohl der Studie nach die meisten Zeitungsleser Soft News ablehnen, sind jene Zeitungen und Webseiten, die in erster Linie mit Soft News arbeiten, stärker nachgefragt als seriöse Angebote. Der Verdacht liegt nahe: auf die „Entzauberung eines Berufs“ folgt auch die Entzauberung des Lesers. Offensichtlich bevorzugen Leser in Umfragen andere Inhalte als sie sie schließlich am Kiosk oder im Internet nachfragen. Anspruch und Wirklichkeit gehen nicht nur bei den Journalisten auseinander.

Den Leser zu journalistischer Qualitätsarbeit nötigen

Vor diesem Hintergrund scheint es sogar möglich, dass der klassische Journalismus gerade darum gut gewesen ist, weil er seine Monopolstellung ausgenutzt und nicht auf die Bedürfnisse seiner Leser geachtet hat. Es gab ihn nur als Gesamtpaket und alternativlos in Form einer Tageszeitung. Wer Vermischtes lesen wollte oder Sport, musste immer erst an Wirtschaft und Politik vorbei. Der Leser wurde also ein Stück weit zum Qualitätsjournalismus genötigt. Man konnte es sich leisten, der Leser war auf die Zeitung oder Zeitschrift als Informationsquelle angewiesen. Journalismus hat sich lange auf einem künstlichen Plateau befunden. Nun wandelt sich der Journalismus, weg von einem Vollangebot und hin zu einem an der Nachfrage orientierten Journalismus.

Insgesamt liegt der Titel „Entzauberung eines Berufs“ vollkommen richtig. Früher war der Beruf des Journalisten irgendwie magisch. Er war der weiße Ritter gegen Korruption und Lüge. Doch die Zeiten haben sich geändert. Mit dem Internet sind Nachrichten Massenware geworden und wahrscheinlich ist es so, dass der Journalismus erst jetzt sein wahres Publikum findet. Das Buch zeigt dies gut auf, auch wenn der Anteil, den der Lesers daran hat, nicht genügend gewürdigt wird. Guter, ausführlicher, intensiv recherchierter Journalismus ist teuer, und die Gesellschaft muss entscheiden, wie viel ihr Qualitätsjournalismus wert ist.