Über „Webwissenschaft – Eine Einführung“ von Konrad Scherfer (Hg.)

Besprochen von Thomas Weber

Ist das World Wide Web (WWW) überhaupt ein Medium? Die Frage wird vor allem dort relevant, wo es um disziplinäre Zuständigkeiten geht. Wenn das Web ein Medium wäre, dann würde es dem Bereich der Medienwissenschaft zugerechnet. Doch wie genau soll man ein Medium definieren – fragt Herausgeber Konrad Scherfer -, das sich anders als Fotografie, Film oder Malerei nicht über eine Kunstform definiert? Muss für das Web also eine eigene Wissenschaft, eine Webwissenschaft geschaffen werden, die das in den letzten Jahren sich rasant entwickelnde WWW zum Gegenstand hat?

Die Beiträge, die Konrad Scherfer in dem Band „Webwissenschaft – Eine Einführung“ versammelt, geben auf diese Fragen keine eindeutige Antwort, zeigen vielmehr ein heterogenes Feld von methodischen Ansätzen und Themen, die in der Summe einen guten Überblick bieten über zentrale Problemfelder, die derzeit die Diskussion über das Web 2.0 prägen und es damit als einen neuen Gegenstandsbereich wissenschaftlicher Forschung empfehlen: Beiträge zu anwendungsorien­tierten Aspekten wie Medienrecht fürs Internet, wirtschaftlichen Aktivi­täten im Netz, Ratgebern (z. B. Medizin) im Web oder Webgestaltung finden sich ebenso wie Reflexionen über Forschungsmethoden etwa zur Suchmaschinenforschung oder zum Webjourna­lismus und mithin eine Reihe von z. T. hervorragenden Aufsätzen zu Einzelaspekten wie z. B. die übersichtliche Darstellung von unterschiedlichen Qualitätskriterien zur Beurteilung von Websites von David Kratz oder Rainer Leschkes entlarvende Analyse von Netzliteratur und ihres Mythos‘ der grenzenlosen Kombinationsmöglichkeiten.

Gerade die Heterogenität der verschiedenen Aufsätze scheint dabei das programmatisch angelegte Vorhaben von Scherfer zu rechtfertigen: Muss nicht tatsächlich gefragt werden, ob man die unterschiedlichen Beobachtungsstandpunkte bei der Analyse des WWW nicht in einer neuen Wissenschaft vereinen könnte?

Besonders markant nehmen hierzu die beiden Aufsätze von Konrad Scherfer und Helmut Volpers Stellung, können sich aber zunächst nur – wie sie selbst eindringlich begründen – nur in Abgrenzung zu etablierten Disziplinen positionieren. Konrad Scherfer skizziert in seinem einleitenden Beitrag grundlegende Positionen des Diskurses über das Web (z. B. Digitalisierung, Hybridisierung, Interaktivität) und versucht sie in einen systematischen Zusammenhang zu bringen. Und Helmut Volpers drängt in seinem konzeptionellen Beitrag „Warum eine Webwissenschaft?“ darauf, theoretische Unschärfen bei der nunmehr zu beobachtenden Verstetigung des WWW nicht länger in Kauf zu nehmen und verweist auf Ansätze – insbesondere der US-amerikanischen Kommunikations­wissenschaft – das Web als eigenen wissenschaftlichen Gegenstands­bereich zu konstitutieren. Doch führt seine Konklusion letzthin zu der paradoxalen Feststellung, dass nur trans­disziplinäre Ansätze hier weiterführend sein können, also Ansätze, die verschiedene Disziplinen im Hinblick auf eine übergreifende Fragestellung koordinieren. Dass dies „die Herausbildung einer eigen­ständigen Webwissenschaft kontraindiziert“, wird von ihm selbst eingeräumt, nicht ohne jedoch aus „forschungsprak­tischen Erwägungen für eine Webwissenschaft“ zu plädieren, um eine grundlegende „Phänomenologie“ des Webs zu erarbeiten.

Vielleicht ließe sich das Paradoxon in zukünftigen Arbeiten zum Web leichter auflösen, wenn man sich von der Logik der institutionellen Ausdifferenzierung des universitären Wissenschafts­betriebs und dem Profilierungsdruck von Einzeldisziplinen zumindest für die forschungsleitende Diskussion befreien und stärker auf die – ja bereits existierenden – transd­isziplinären Ansätze einlassen würde.

Fürs erste ist Konrad Scherfern und seinen Mit-Autoren mit dem Band „Webwissenschaft – Ein Einführung“ ein erhel­lender Fragenkatalog gelungen, der Grenzen bisheriger disziplinärer Methoden und Zuordnungen aufzeigt, eine erste Bestandsaufnahme von aktuellen Diskussionsansätzen über das Web bietet und damit eine wichtige Orientierungshilfe in einem neuen Forschungsfeld leistet.

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Rezension erstmals erschienen in: „Webwissenschaft?“, Rezension zu Scherfer, Konrad (Hrsg.): „Webwissenschaft – Eine Einführung“, Münster 2008, „Medien und Kommunikation“ 1/2009, S. 94-95.

Wieczerza, Joanna: Literatur im Netz = Netzliteratur?, 21.04.09

AVINUS Magazin Sonderedition Nr. 3, Berlin 2008.

Kompletter Aufsatz als PDF-Version: Download PDF

Abstract

Durch das Internet und die Multimedialität, die der Computer bietet, ist eine Verbindung von Literatur und Computertechnik entstanden, die so­genannte digitale Literatur. Auf der Suche nach neuen Erscheinungs­formen kann das Phä­no­men digitale Literatur durchaus als neues Genre verstanden wer­den. Die Forschung geht zwar wie selbstver­ständlich davon aus, dass die Elek­tronisierung von Schrift einen Paradigmenwechsel mit sich bringt, doch bisher wurden die zahl­reichen theoretischen Aus­führungen nur durch we­nige Untersu­chungen ergänzt, die sich der literarischen Praxis zuwenden und konkrete Projekte einer Literatur im Internet analysieren. Erst in letz­ter Zeit wurden Netz­kunst und digitale Literatur Gegenstand feu­ille­tonisti­schen Interesses, und auch etablierte Literaturzeitschriften wie NdL war­ten mittlerweile mit einer regelmäßigen Kolumne zum The­ma Netzlite­ratur auf. Einige wichtige Schlagworte bezüglich Netzliteratur lauten Inter­textualität, Unabschließbarkeit von Texten, Aufhebung der Autor­schaft und Ermächti­gung des Lesers. Inwiefern sich diese auf den ersten Blick positiven Vor­urteile  bewahrheiten, soll in dieser Arbeit ebenso überprüfen werden, ebenso wie die Frage, ob der traditionelle Litera­turbetrieb von der Literatur im Netz profitiert. Letztendlich soll eine Bilanz gezogen werden, welche Probleme digitaler Literatur nach wie vor bestehen und welche Veränderungen Netzliteratur be­wirken kann und wie sie sich noch ändern muss.

Müller, Markus: Die gewandelte Rolle des Journalismus im Web 2.0, 01.04.09

AVINUS Magazin Sonderedition Nr. 2, Berlin 2008.

PDF-Version: Die gewandelte Rolle des Journalismus im Web 2.0

Abstract

Wie selten ein anderes Medium zuvor, hat das Internet in kürzester Zeit das Leben der Menschen erheblich verändert. So erheblich, dass Karikaturisten bereits erste Spottbilder einer Evolution zeichnen, bei welcher der Mensch vom aufrechten Gang in den gebeugten Sitz vorm Bildschirm übergeht. Der heutige Medienumbruch scheint dabei alles in sich aufzusaugen, was vor ihm bestand. Einer dieser Teilbereiche ist der Journalismus. Seit dieser zunehmend in das Medium Internet immigriert, ist er einem radikalen Wandel ausgesetzt. Es fragt sich daher, ob er uns in seiner klassischen Form zukünftig überhaupt noch begegnen wird oder ob sich seine Ziele und Standards fundamental verändern werden.Auch Journalismus ist spätestens mit dem Web 2.0 multimedial, multiperspektivisch und interaktiv, wie es die Versuche Weblog, Slashdot und Wikinews vormachen. Angesichts überragender Vorteile des Internets, stehen die Überlebenschancen klassischer Journalismusträger andererseits auf des Messers Schneide. Ist das, was im Internet geschieht aber auch alles Journalismus und falls nicht, wird es das werden? Sobald sich die Aufgaben und Arbeitsweisen des netzbasierten Nachrichtenwesens nämlich verschieben, könnte es zu einer Rollenverschiebung kommen, welche unmittelbar auf unsere Ansprüche an seriöse Berichterstattung zurückwirkt. Der Journalismusbegriff müsste dann um ein Vielfaches weiter gefasst werden.

Weber, Thomas: Ravensbrück – Zwei WebSites oder Die Frage nach der medialen Perspektivierung des Holocausts, 05.03.09

AVINUS Magazin Sonderedition Nr. 4, Berlin 2008.

Kompletter Artikel als PDF-Version: Ravensbrück. Zwei WebSites oder die Frage nach der medialen Perspektivierung des Holocausts.

Abstract

Der Aufsatz befasst sich mit der Problematik von Gedenkkultur im Web 2.0 am Beispiel von zwei unabhängig voneinander entstandenen WebSites zum Frauenkonzentrationslager Ravensbrück: derjenigen der Gedenkstätte Ravensbrück und derjenigen der Bundeszentrale für Politische Bildung zu Ravensbrück. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf einer Analyse der medialen Transformation von Gedenkkultur durch das Internet und einer Reflexion über mögliche Qualitätskriterien (wie z.B. „Transmersion“) von WebSites.