Über „Die Silikonliebhaber“ von Javier Tomeo

Besprochen von Bastian Buchtaleck

Mit dem Roman „Die Silikonliebhaber“ führt der spanische Autor Javier Tomeo den Leser auf leichtfüßige Weise in eine skurrile, doppelbödige Erzählwelt. Eine Welt, in der Sexpuppen aus Silikon nicht nur sprechen können und ein Bewusstsein besitzen, sondern ihren Besitzern beim Liebesakt die Hörner aufsetzen. Mit mehr als 70 Jahren erzeugt Tomeo eine derbe, sexualisierte Welt, die einen ironischen Blick auf die heutige Gesellschaft erlaubt.

Die Liebesbeziehung des alternden Ehepaares Basilio und Lupercia ist derart heftig eingeschlafen, dass sich beide unabhängig voneinander Sexpuppen angeschafft haben – Marilyn und Big John. Zwar erinnert sich das Paar einmal wöchentlich bei einem gemeinsamen Mittagessen daran, „dass sie während einer kurzen Zeitspanne in ihrem Leben einigermaßen glücklich miteinander gewesen waren“, nun aber können sie sich nicht mehr füreinander erwärmen. Sex haben sie nur noch mit ihren Puppen.

Schrille Erzählung als Spiegel der Gesellschaft

Skurril wird die Erzählung, als Basilio und Lupercia ihre Puppen beim Sex erwischen. Big John besorgt es Marilyn richtig, und beide bestehen anschließend darauf, dass dies ihr Recht sei. Die sich in der Folge entspinnenden Ereignisse halten nicht nur Lupercia und Basilio einen Spiegel vor, sondern der heutigen Gesellschaft. Gummipuppen begreifen im Gegensatz zu vielen Menschen, dass „Ficken nicht alles sein kann“, und verlieben sich. Die unterschiedlichen Weltsichten der menschlichen und der dinglichen Protagonisten zeigen: Menschen benehmen sich oft nur menschenähnlich. Lupercia jedenfalls findet es völlig normal, Marilyn eine Schlampe zu nennen und Big John durch ein Loch in der Hülle zu töten, während die Puppen für ein Recht auf freie Entscheidung eintreten.

Zweite Erzählebene: Vom Wahnsinn des Schreibens

Um diese überzeichnete Erzählung herum hat der zu den meistübersetzten spanischen Gegenwartsautoren gehörende Tomeo eine zweite Erzählebene gefügt. In dieser begleitet ein genervter aber geduldiger Lektor einen mäßig begabten Autoren bei dessen Romanprojekt. Bezeichnenderweise heißt der Verfasser des Romans im Roman Ramón. Gegenüber seinem Lektor bezeichnet er sein Werk als einen interaktiven, pornosentimentalen Roman. Dem Lektor bleibt nichts weiter übrig als dem Wahnsinn freien Lauf zu lassen. »Kein Mensch hat das Recht, irgendjemanden daran zu hindern, den Blödsinn, der ihm einfällt, zu Papier zu bringen.« Eine postmoderne, sehr tolerante, eine zeitgenössische Position.

Insgesamt ist „Die Silikonliebhaber“ ein vielschichtiges, verspieltes Buch und auf eine schrille Weise komisch, vergleichbar den Filmen des spanischen Regisseurs Pedro Almodovar. Der stetige Wechsel zwischen den verschiedenen Ebenen; die komischen Effekte durch die die, dem Geschehen entsprechende, derbe Sprache, machen den Reiz des Buchs aus und zugleich die Unterscheidung schwierig, ob die letzte Volte noch eine weitere Sinnebene eröffnet hat oder es sich vielmehr um pittoreskes Beiwerk handelt. Mal liegt die eine, dann wieder die andere Vermutung näher. Treffenderweise nimmt man den Roman zwar gerne in die Hand, kann ihn jedoch ebenso einfach wieder zur Seite legen.

© bastianbuchtaleck.de

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