Über „Alles total groovy hier“ von Jörg Juretzka

Besprochen von Patrick Ewald

Die ersten Worte scheinen einem Dalí-Bild entsprungen: ein schroffes, felsiges Küstenterrain, darin dorniges Gestrüpp und Baumleichen, skelettdürre Pferde und verbrannte staubige Weiden. Inmitten dieser Einöde, die „Küste des Lichts“ genannt wird, jagt eine Meute mit Steinen bewaffneter halbstarker Zigeuner einen brennenden Hund durch die endlose Agrarwüste Süd-Spaniens. Die furios beginnende Geschichte versandet jedoch bald in einer sich erst zum Ende wieder ins Furiose steigernden Kriminalgeschichte um das Verschwinden des Mitglieds einer Motorradgang.
Schisser, Anführer der Motorradgang „Stormfuckers“, ist mit hundertachtzigtausend Euro im Tank seiner Buell in den Süden gebrettert, um dort ein Kiffer-Paradies, die Stormfuckers Ranch, zu gründen. Doch seit einiger Zeit gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Also macht sich Gangmitglied und Privatdetektiv Kristof Kryszinski, zusammen mit seinem etwas begriffsstutzigen Kumpan Scuzzi auf ins ferne Spanien, um seinen Verbleib zu klären. Es verschlägt sie in die „Paradise Lodge“, einen von deutschen Hippies geleiteten Campingplatz. Sie wären wohl nur Randnotiz geblieben, hätte Kristof dort nicht erste Anzeichen für Schissers Verbleib entdeckt: einen Stummel der von ihm bevorzugten, mit Maisblättchen selbstgedrehten Zigaretten. Bei seinen Nachforschungen kann er jedoch kaum auf Unterstützung hoffen: Die Campbetreiber um den Anführer Leroy verstoßen ihn, die örtliche Polizei ist ein korrupter Haufen, und seinen Freund Scuzzi hat er gleich am ersten Tag an die Hippies verloren.
In der Folge entwickelt sich die Handlung mit erfreulich unvorhersehbaren Verstrickungen, vielen kleinen Details, die dem Leser beiläufig untergeschummelt werden, und einem derben, aber amüsanten Humor, der stets zwischen Gossenjargon und intelligenter Ironie alterniert. Beinah glaubt man, mit Juretzkas neuestem Streich das Buch eines Stand-Up-Artists zu lesen. Fesselnd beschreibt er alles, was ein primetimeverdächtiges Comedy-Abendprogramm ausmachen würde: amouröse Bettgeschichten, Szenen auf hoher See und actiongeladene Konflikte mit den Zigeunern und der örtlichen Polizei.
Bei all diesen Nebenschauplätzen hätte man den Grund der Reise Kristofs beinah vergessen. Ein Verdienst des erzählerischen Talents Juretzkas, der bewusst den Blick des Lesers auf vermeintliche Nebensächlichkeiten lenkt und diese in der Auflösung zu einem fulminanten und überraschenden Ende verknüpft: Schisser tauscht zwar im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr auf, doch auf dem Meeresgrund aller Tatsachen angekommen, bietet sich eine überraschende wie abstoßende Erklärung für alle Strapazen. Es erwartet den Leser ein actiongeladenes, furioses Ende, das ein Genrefilm nicht besser hätte bieten können.

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