Laurent Jullier: Star Wars. Anatomie einer Saga

Besprochen von Bastian Buchtaleck

  • JULLIER, Laurent: Star Wars. Anatomie einer Saga, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2007. ISBN 978-3896695574.

Zweifelsfrei: die Star-Wars-Saga hat sich in allen Punkten, d.h. Erzählung, Vermarktung und Publikumserfolg zu einem modernen Mythos entwickelt. Bekannt ist auch, dass sich ihr Schöpfer George Lucas bei der Konzeption von den Erzählstrukturen klassischer Mythen hat inspirieren lassen. Der französische Filmwissenschaftler Laurent Jullier hat 2007 mit dem Buch „Star Wars“ eine neue, wissenschaftsnahe „Anatomie einer Saga“ vorgelegt. Auf 344 Seiten nähert er sich dem Thema, ohne ihm wirklich nah zu kommen.
In der Einleitung des Buchs warnt Jullier vor der Betriebsblindheit wissenschaftlicher und feuilletonistischer Emsigkeit. „Denn vor allem von ihnen [den Forschern und Journalisten] werden die Konzepte und Ideologien herangetragen, von denen erwartet wird, dass sie sich im Werk selbst befinden“. Heißt: man interpretiert nicht seinen Gegenstand, sondern redet in dessen Namen über die eigenen Interessen. Dass der Autor im Verlauf des Buchs mehrfach ausgerechnet selbst in diese Falle tappt, ist mehr als ärgerlich. Aber Jullier trifft auch die begrüßenswerte Unterscheidung zwischen einer internen und einer externen Analyse des Erkenntnisgegenstandes. Die interne Analyse zeichnet sich dadurch aus, dass sie in „der Welt des Films bleibt und Wiederholungen, Antinomien und Symmetrien ausfindig macht. Man nimmt Maß, man verzeichnet technische Details“. Die externe Analyse dagegen beleuchtet die Verbindungen zwischen Film und Realität, Saga und Welt – sie ist das, was man einen kulturwissenschaftlichen Ansatz nennt.
Entsprechend der getroffenen Unterscheidung beginnt Jullier mit einer Analyse der formalen Struktur der Filme. Hierbei ist es allerdings schwer, der Argumentation zu folgen, da ausschließlich Zahlenreihen durchdekliniert werden. Der Zusammenhang zur inhaltlichen bzw. narrativen Ebene wird nicht hergestellt – etwas, was nicht nur möglich, sondern auch angebracht wäre. Insgesamt ist die interne Analyse zwar schlüssig, aber in ihrer Argumentation nicht zwingend und inhaltlich wenig aufschlussreich. Zumindest aber der Vergleich zwischen dem Pod-Race in „Star Wars Ep. 1“ und dem Wagenrennen in dem Film „Ben Hur“ mit Charlton Heston stellt ein gelungenes Stück Wissenschaft dar.
Diese gelungenen Stücke bleiben jedoch viel zu vereinzelt, da sich der Autor gerade im zweiten Teil seiner Arbeit – der externen Analyse – darauf verlegt, die Arbeiten anderer Interpreten auf ihre Schwächen hin abzuklopfen. Mehr noch, oftmals wirkt es geradezu zwanghaft, wie sich Jullier gegen andere Interpretationen stellt und spätestens, wenn er an der Verbindung der Begriffe „High Concept“ und „Star Wars“ mäkelt, wird seine Masche zur Macke.
Über weite Passagen ist das Buch in einem schnoddrigen Stil und dozentenhaften Tonfall geschrieben, der in Deutschland für wissenschaftliche Arbeiten sehr untypisch ist. Zudem wechselt das Buch phasenweise in den Modus der Ironie, der kaum von ernst gemeinten Aussagen zu unterscheiden ist.
Letztlich entspricht Julliers „Anatomie einer Saga“ weder sprachlich, analytisch oder inhaltlich dem, was man von einem wissenschaftlichen Werk erwarten darf. So richtig die prinzipielle Forderung nach einer Interpretation ist, die erst nah am Werk bleibt und sich dann für die Verbindung von Werk und Welt hin öffnet; so sehr steht der Verdacht nah, dass Jullier seinen Gegenstand wegen der popkulturellen Bedeutung und der großen Menge an vorhandenen Paratexten gewählt hat, um daran redselig seine Sicht auf die Welt abzuarbeiten. Von einer textnahen Interpretation jedenfalls kann kaum mehr die Rede sein. Insofern eignet sich dieses Buch nur für hart gesottene Fans der Star-Wars-Saga oder als ein Blick auf die Wirren des Wissenschaftsbetriebs.