von Michael Tillmann
- LAHIRE, Bernard: La culture des individus. Dissonances culturelles et distinction de soi. La Découverte, Paris 2004. ISBN 978-2707142221.
In einem voluminösen, an theoretischen Ausführungen und empirischen Datensätzen qualitativer und quantitativer Natur reichen Werk setzt sich der Lyoner Soziologe Bernard Lahire mit dem kultursoziologischen Mainstream in Frankreich auseinander, d.h. mit der Theorie kultureller Legitimität, die kulturelle Produkte hierarchisiert, kulturelle Praktiken mit gesellschaftlichen Klassen- und letztlich Macht- und Herrschaftslagen in Bezug setzt. Der Titel seines fast 800seitigen Buches La culture des individus ist dabei bereits Programm, weil hier das Kulturelle, das doch zumeist als kollektives Phänomen verstanden wird, zu einer Eigenschaft der Individuen wird. Die Individuen sind hier allerdings keine Träger eines inkorporierten Klassen-Habitus. Wenn hier von den kulturellen Präferenzen und Verhaltensmustern der Individuen die Rede ist, dann nicht insofern sie sozialstrukturell definierte Dispositionen abspulen, sondern weil – wie der Untertitel es verrät – Dissonanzen ihre kulturellen Praktiken prägen. Dabei werden die Erkenntnisse Bourdieus und anderer nicht einfach über Bord geworfen.[1]