Israelischer Diplomat Avi Primor: „Kein Land im Nahen Osten wünscht sich einen Krieg.“ Avi Primor im Gespräch mit Camilo Jiménez, 03.08.06

Interview mit dem ehemaligen israelischen Botschafter in Berlin und Top-Diplomaten Avi Primor über den Nahost-Konflikt, das Recht Israels zur Selbstverteidigung und den verhüllten Größenwahn des Iran.

Am 12. Juli wurden zwei israelische Soldaten von der Hisbollah im nördlichen Israel entführt. Vier Tage später überfiel eine Miliz dieser Extremistenorganisation eine israelische Armee-Patrouille. Folge: Israel bombardiert den Libanon und den Gaza-Streifen, sein Recht zur Selbstverteidigung ausdrückend. Ist die Auseinandersetzung mit der Hisbollah einen Krieg wert?

Das hängt davon ab, was Sie unter Krieg verstehen. Ich weiß nicht, ob das ein Krieg ist. Ich glaube, ein Krieg bedeutet eigentlich eine Konfrontation zwischen zwei oder mehr Armeen bzw. Ländern, und das ist heute nicht der Fall. Wir verteidigen uns gegen eine Miliz, eine Terrororganisation, die uns aus dem Territorium des souveränen Libanon bombardiert, ohne dass der Libanon interveniert oder intervenieren kann, oder dass wir überhaupt eine Konfrontation mit einem arabischen Land haben. Wir haben überhaupt keine Ansprüche auf libanesisches Territorium, wir wollen gar nichts; die einzige Sache, die wir verlangen ist, dass man uns in Ruhe lässt. Und wenn wir aus dem Südlibanon, einem Territorium, das wir freiwillig und einseitig vor sechs Jahren geräumt haben, bombardiert werden, da bleibt doch nichts anderes übrig, als dass wir uns dadurch verteidigen, dass wir versuchen, die Miliz zu entwaffnen. Auf jeden Fall: keine Raketen mehr über unsere Grenze.

Wie rechtfertigen Sie dann die Konsequenzen, die solche Aktionen gerade in der libanesischen Bevölkerung hinterlassen?

Das Problem ist natürlich, dass diese Miliz, die Hisbollah, die von Iran bewaffnet wird und ihre Anweisungen aus Teheran bekommt, ein Bannerträger des iranischen Islamismus ist. Sie verschanzt sich innerhalb der Zivilbevölkerung der Schiiten im Libanon. Wenn wir uns dann verteidigen wollen, also wenn wir die Raketen der Hisbollah treffen wollen, so haben wir keine andere Alternative, als dass wir dort angreifen, wo sie sich tatsächlich befinden. Und wenn sie sich innerhalb der Zivilbevölkerung befinden, dann haben wir ein Dilemma. Manchmal fordern wir die Bevölkerung auf, ihr Dorf oder ihre Stadt zu verlassen, weil wir dorthin zurückschießen müssen. Schön oder angenehm ist das nicht. Wir haben aber keine Wahl: Wir müssen uns dort verteidigen, wo der Feind sich befindet; wir können nicht anderswohin schießen.

Berichten zufolge stieg die Anzahl an libanesischen Zivilopfern auf fast eintausend Menschen. Eine der gefürchteten Folgen der Bombardements im Libanon und im Gazastreifen ist das Risiko, dass die schnell steigende Zahl an Opfern so groß wird, dass eine neue Generation von Arabern entsteht, die Israel leidenschaftlich hasst. Machen Sie sich keine Sorgen darüber?

Ich glaube, dass die schiitische Bevölkerung im Südlibanon Israel ohnehin schon hasst, weil sie unter einer fundamentalistischen schiitischen islamistischen Gehirnwäsche lebt und dies mindestens seit sechs Jahren, d.h. seit dem wir das Territorium geräumt haben – aber bestimmt auch schon vorher. Also, in diesem Sinne wird sich nichts verändern. Es geht darum, dass diese Zivilbevölkerung die terroristische Miliz beherbergt; sie unterstützt sie, liebt sie, jubelt ihr zu – also ganz neutral sind diese Leute nicht. Und ich möchte noch hinzufügen: Sie sprechen von 600 Zivilopfern. Woher wissen Sie eigentlich, dass es dabei um Zivilisten geht? Das weiß ja kein Mensch. Diese Miliz, die Hisbollahmiliz, die trägt keine Uniform, es sind oft dieselben Leute, die in diesen Dörfern leben: Nachts tragen sie die Raketen, mit denen sie uns beschießen, und tagsüber arbeiten sie als Bauern, sodass man sie gar nicht erkennen kann. Natürlich, wenn ein Milizkämpfer der Hisbollah umkommt, dann sagt die Hisbollah sofort: Guck mal, da ist ein Zivilist umgekommen; aber das kann kein Mensch beweisen. Jeder Libanese, der bis heute gefallen ist, wird als Zivilist beschrieben. Sollte das bedeuten, dass wir heute in unserem Kampf noch keinen einzigen Hisbollahkämpfer getroffen hätten?

Der Chef der IAEA Mohamed El-Baradei hat gesagt, er könne sich nicht erinnern, die Situation in der Region schon einmal so bedrohlich empfunden zu haben. Betrachten Sie auch die Lage im Nahost als eine so alarmierend verschärfte?

Nein. Ich verneine die Frage, denn es gibt kein Land im Nahen Osten, das sich heute einen Krieg wünscht. Israel will keinen Krieg und die Nachbarn des Staates Israel auch nicht: Ägypten nicht, Jordanien nicht, auch nicht der Libanon und selbst Syrien wünscht sich keinen Krieg; und solange die Länder in Nahost keinen Krieg wollen, wird es keinen Krieg geben. Deshalb ist die Lage heute noch nicht so extrem gefährlich. Aber es gibt ein Land, das von uns weit entfernt ist und sich den Krieg wünscht: Das ist der Iran. Der Iran ist ein Brandstifter, der seine eigene Ambitionen im Nahost hat und auch die Hisbollahmiliz aufgefordert hat, den Krieg zu entfesseln. Aber der Iran liegt weit von uns entfernt, und wenn unsere Nachbarn keinen Krieg haben wollen, dann wird es keinen Krieg geben. Der Iran kann allein in unserer Region keinen Krieg führen, zumindest nicht, solange er über keine Atomwaffen verfügt. Trotzdem meine ich, dass die jetzige Situation gefährlich ist, weil man nie weiß, wie eine Krise eskalieren kann; man kann es sich ‚logisch’ vorstellen, wie ich es eben getan habe, aber nicht immer ist alles so logisch. Ich glaube, dass wir auf jeden Fall nicht nur eine Beruhigung des Südlibanon anstreben sollen und dies anhand von internationalen Truppen, sondern wir müssten auch mit Syrien verhandeln, obwohl unsere Regierung heute nicht dazu bereit ist, unter anderem, weil die Amerikaner es verhindern.

Es gibt auch eine weit verbreitete Vorstellung davon, wie nach einem Ende des Konflikts ein Friedensprozess durchgeführt werden konnte. Einige Leute behaupten aber, dass die immer wiederkehrenden Schwierigkeiten des Friedensprozesses nicht in der Theorie liegen, sondern in der praktischen Umsetzung in der Realität. Haben Sie unter den zahlreichen Vorschlägen zur Stabilisierung im Nahost einen gefunden, den Sie für realisierbar halten?

Ich sage Ihnen klipp und klar meine Meinung in dieser Sache: Das erste Problem des Nahen Ostens heute ist das palästinensische Problem. Mit den Palästinensern müssen wir verhandeln, wir müssen die palästinensischen Gebiete und die jüdischen Siedlungen auf diesem Boden räumen. Im Gaza-Streifen haben wir das einseitig gemacht. Die damalige Regierung Sharons behauptete, es gebe keinen Gesprächspartner. Ich stimme und stimmte dem damals nicht zu; aber ich war schon ziemlich zufrieden damit, dass sie zumindest als ‚Schlussfolgerung’ den Gaza-Streifen und vor allem die Siedlungen geräumt haben. Nun haben wir heute eine eher realistische und pragmatische Regierung, die von der rechten, nationalistischen Ideologie nicht geprägt ist. Aber diese Regierung steht heute vor einer neuen Situation im palästinensischen Lager. Da findet nämlich ein Machtkampf statt. Es gibt heute keine echte Regierung der Palästinenser. Die Hamas hat die Wahlen gewonnen, konnte aber nicht richtig die Macht ergreifen: Erstens, weil sie zersplittert ist zwischen der Führung vor Ort und der, die sich in Damaskus befindet. Zweitens reiben sie sich an der Macht des Staatspräsidenten Abu Mazen (Mahmoud Abbas), der verfassungsgemäß nicht nur viele Befugnisse besitzt, sondern dem auch Streitkräfte zur Verfügung stehen. Und solange dieser Machtkampf nicht zu Ende kommt, sei es, dass einer die Oberhand erzielt, oder dadurch, dass man einen Kompromiss schließt und eine Koalition bildet, haben wir Schwierigkeiten mit den Palästinensern zu verhandeln. Meine Meinung ist dennoch, dass wir mit jedem Palästinenser verhandeln müssen, sowohl mit Abu Mazenals auch mit der Hamas. Solange diese Verhandlungen nicht fruchtbar sein können, müssen wir auf jeden Fall die besetzten Gebieten und die Siedlungen räumen. Das ist auch die Meinung des neuen Ministerpräsidenten Olmert, wie auch die des Hauptpartners des Ministerpräsidenten, des Koalitionspartners Amir Peretz, der Chef der Arbeiterpartei und heute unser Verteidigungsminister ist. Aber gleichzeitig müssen wir mit den Syrern verhandeln. Mit denen kann man verhandeln, sie sind dazu bereit und wir kennen den Preis: Das ist ein Preis, den frühere Ministerpräsidenten wie Ehud Barakoder Benjamin Netanjahu zu zahlen bereit waren. Es besteht nur die Schwierigkeit, dass die Amerikaner es nicht zulassen wollen – es gibt sogar viele Amerikaner, die uns noch heute hinter den Kulissen dazu drängen, Syrien anzugreifen. Ich glaube, man müsste mit Syrien verhandeln. Ich glaube, man müsste mit den Palästinensern verhandeln oder zumindest die besetzten Gebiete einseitig räumen. Und das wird zu einem echten Friedensprozess führen. Aber all dies erst, nachdem wir Ruhe im Südlibanon bekommen. Es kann nicht alles parallel getan werden.

Sie haben eben auf die Amerikaner hingewiesen. Wie schätzen Sie die bisher zurückhaltende Beteiligung der USA im Nahost-Konflikt im Gegensatz zur klaren Einstellung der UNO ein, die von Israel den sofortigen Waffenstillstand und Entschädigung gefordert hat?

Da gebe ich den Amerikanern Recht – und ich gebe den Amerikanern nicht immer Recht: In Sachen Syrien und Irak widerspreche ich der Bush-Regierung. Aber im Südlibanon finde ich, dass sie Recht hat, denn sollten wir heute einen Waffenstillstand akzeptieren, würde das bedeuten, dass die Hisbollah da bleibt, wo sie vorher war, mit ihren Stellungen gegenüber Israel, mit ihren Raketen, mit den entführten israelischen Soldaten und mit dem Kontakt zu Iran, sodass sie sich weiter ausrüsten und weitere Anweisungen und Geld von dem Iran bekommen kann. Da hat man bisher überhaupt nichts getan. Insofern gebe ich den Amerikanern Recht und meine, erst müssen wir den Südlibanon von den Hisbollah-Milizen und ihren Waffen räumen, dann soll eine internationale Truppe kommen, damit sie die Übernahme des Südlibanon durch die libanesische Regierung ermöglicht, und nur dann kann man einen Waffenstillstand akzeptieren. Aber nicht in der heutigen Situation.

Sie würden also der israelischen Außerministerin Tzipi Livni zustimmen, die Ende Juli sagte, die Internationale Gemeinschaft dürfe momentan keine Waffenruhe fordern, weil ein Vakuum hinterlassen würde, das ein großer Sieg für die Hisbollah sei?

Ich würde das Wort Sieg nicht benutzen, denn das wäre kein Sieg für die Hisbollah. Die Hisbollah kann über uns keinen Sieg erlangen. Die Hisbollah würde nur in einer Position bleiben, in der sie uns bedrohen kann, aber vor allem würde der Iran an seiner Stelle bleiben. Und das können wir nicht zulassen. Insofern stimme ich der Außerministerin zu, weil dieses Vakuum zwischen Libanon und Israel weiter bestehen würde.

Selten war die Internationale Gemeinschaft dermaßen ratlos wie diese letzten Wochen. Würden Sie trotz aller Disparitäten im Westen immer noch von einer Internationalen Gemeinschaft im Bezug auf den Nahost-Konflikt sprechen?

Ich glaube nicht, dass die Internationale Gemeinschaft ratlos ist. Natürlich war sie überrascht, genau wie wir überrascht waren, weil keiner es erwartet hat, dass man uns aus dem Südlibanon wieder angreift, schließlich haben wir den Südlibanon vollkommen, total, freiwillig und einseitig geräumt, uns auf die internationale Grenze, wie die UNO es verlangt und dann anerkannt hat, zurückgezogen; warum soll man uns nun angreifen? Das hat keiner erwartet. Für die Internationale Gemeinschaft geht es um eine Lösung, die man vorbereiten muss, und das ist nicht so einfach. Die Internationale Gemeinschaft ist heute dazu bereit, eine internationale Friedenstruppe, eine ‚robuste’ Truppe, eine Kampftruppe, in den Südlibanon zu entsenden. Dort soll sie den Waffenstillstand und das Ende der Miliz nicht nur beobachten, sondern gerade zu erzwingen. Eine solche Friedenstruppe zusammenzusetzen braucht Zeit. Zunächst muss man ein Mandat der UNO bekommen, dann (nur) wahrscheinlich eine Schirmherrschaft der NATO. Schließlich muss man Länder finden, die sich dazu bereit erklären, Truppen zu entsenden, Truppen, die bereit sind zu kämpfen, ihr Leben zu riskieren. Das können natürlich nur Länder sein, die auch ein eigenes Interesse im Libanon haben. Doch zuvor müssen diese Länder die Genehmigung ihrer Parlamente bekommen und erst dann muss man die Truppe zusammensammeln und hinschicken. Das alles braucht Zeit. Selbst wenn man dieses Prozedere so weit als möglich beschleunigt – und das tun die Länder –, wird es noch ein paar Wochen dauern. Da ist also keine Ratlosigkeit der Internationalen Gemeinschaft, sondern eine Prozedur, die man durchgehen muss.

Wie Sie es angemerkt haben, hat die US-amerikanische Wochenzeitschrift TIME behauptet, der Iran sei die zentrale Figur des ganzen Konflikts. Glauben Sie, sollte eine Lösung für den Konflikt erst mal gefunden sein, dass der Iran wie auch immer einen Konflikt mit Israel anstrebt?

Ich hoffe sehr, dass dies nicht der Fall ist. Ich bin fest davon überzeugt, es gibt keine Widersprüche innerhalb der Interessen der Staaten zwischen Israel und dem Iran. Gerade heute habe ich einen Artikel für die Süddeutsche Zeitung geschrieben, in dem ich erkläre, was für eine unglaublich tief greifende Zusammenarbeit es zwischen dem Iran und Israel vor der Zeit Khomeinis gegeben hat – weil es ein ihnen gemeinsames geopolitisches Interesse für Israel und den Iran ist, zusammenzuarbeiten. Die Fundamentalisten ziehen das religiöse, fanatische Interesse dem Interesse des Staates vor und deshalb haben sie die Zusammenarbeit mit Israel zugrunde gerichtet und sich zum Bannerträger im Kampf gegen die Existenz Israels erklärt. Ich glaube, dass es nicht im Interesse des Staates Iran ist und infolgedessen wird es auch nicht so bleiben. Irgendwann gewinnt das Interesse des Landes die Oberhand. Auch der islamische Iran hat nationale, ja, imperiale Interessen, genau wie der Schah, und seine Interessen gelten nicht Israel.

In Iran ist Israel heute ein ‚schwarzer Peter’, den man verwendet, um die Bevölkerung aufzuhetzen. Also der Hass gegen Israel, die Drohungen gegen Israel sind eigentlich Folge der Volksverhetzung, und zwar der Volksverhetzung vor allem im Iran, aber auch in der arabischen Welt, um sich darin als Held darzustellen.

Aber der Iran hat seine Schwierigkeiten in der arabischen Welt. Zunächst einmal, weil die Iraner keine Araber sind und historisch im Konflikt mit den Arabern stehen. Ferner, weil sie Schiiten sind und die große Mehrheit der arabischen Welt sind Sunniten, und die Feindschaft zwischen den beiden ist historisch und tief greifend. Gleichzeitig hat der Iran einen eigenen Ehrgeiz. Dieser besteht darin, die unmittelbaren Nachbarn, also die arabischen Staaten, Irak, Saudi Arabien und die Emiraten im Golf zu beherrschen. Nicht unbedingt erobern, aber so oder so irgendwie beherrschen. Sollte ihnen das gelingen, würden sie, also der Iran mit den arabischen Vasallenstaaten, über 75% der weltweiten Erdölreserven verfügen. Wenn Sie nun bedenken, dass Russland die Atomprojekte des Iran sowohl mit Geld als auch mit 6.000 russischen Experten unterstützt, dann können Sie sich eine Allianz zwischen zwei atomaren Staaten vorstellen. Das ist die eigentliche Gefahr, die vom Iran ausgeht – und sie ist nicht unmittelbar gegen Israel gerichtet – auch wenn man sich im Iran schon freuen würde, sollte Israel ausgelöscht werden –, sondern sie richtet sich gegen die unmittelbaren Nachbarn. Gemeinsam mit Russland zur Weltmacht aufsteigen, und dann die Welt erpressen zu können.

Sie sprachen von einer tief greifende Zusammenarbeit zwischen dem Iran und Israel. Könnte diese nicht wieder neu entstehen?

Ich glaube schon, weil beide Länder ein echtes Interesse daran haben. Eben deswegen war es schon so vor der Khomeinistischen Revolution. Solange der Fanatismus, der Fundamentalismus, der Messianismus – wenn Sie wollen – im Iran herrschen, spielen die Interessen des Staates eine kleinere Rolle. Aber ich bin der Überzeugung, dass sich das im Laufe der Zeit ändert. Der Iran selber wandelt sich allmählich: Die Bevölkerung will sich modernisieren, fühlt sich mehr den USA verbunden als den religiösen Führern. Noch kann es kein Parlament, keine Demokratie geben, da die religiösen Kräfte die Regierungsgeschäfte in der Hand haben. Es gibt diese so genannten ‚Pasdaran’, das sind die Kämpfer der Revolution, das sind die Fanatiker, die dem so genannten ‚geistlichen Entführer’ entkommen, dem hamanai, unterstellt sind, und sie erpressen die Bevölkerung. Aber man weiss, wie es bei Diktaturen ist: Wenn sie über die Mehrheit der Bevölkerung jahrelang nicht verfügen können, zerbrechen sie irgendwann. Dann kehrt der Iran zurück zu seinen normalen staatlichen Interessen, die mit den Interessen des Staates Israel eigentlich viele Gemeinsamkeiten haben.

Deutschland könnte sich als möglicher Vermittler profilieren, falls die Hisbollah und Israel indirekte Verhandlungen zum Austausch von Gefangenen aufnehmen. Dennoch, selbst der libanesische Präsident Emile Lahoud bezweifelt, dass die Deutschen diesmal so behilflich sein können, wie sie es 2004 waren, als 400 palästinensische Gefangene durch die deutsche Intervention freigelassen wurden. Trotzdem hat der BND bereits Aufgaben im Nahost übernommen. Halten Sie Deutschland im Augenblick für einen angemessenen Vermittler?

Der beste Vermittler, weil Deutschland von einem hohen Ansehen auf beiden Seiten profitiert. Die Frage ist nur – und insofern hat der libanesische Ministerpräsident Recht –, mit wem verhandelt man? Wir wollen mit der Hisbollah nicht verhandeln, aber wir bestehen darauf, dass die Hisbollah, die aus Libanesen besteht, dem souveränen libanesischen Staat die Macht zum Verhandeln sowie die Geiseln übergibt. Dann werden wir verhandeln wollen, und da können die Deutschen die besten Vermittler sein.