Zell, Verena: Innovative Serienvermarktung am Beispiel der US-Fernsehserie Lost, 16.03.09

AVINUS Magazin Sonderedition Nr. 5, Berlin 2009.

Kompletter Artikel als PDF-Version: Innovative Serienvermarktung am Beispiel der US-Fernsehserie Lost

Abstract

Die US-Fernsehserie Lost ist eine der erfolgsreichsten Serien in den USA mit einer ungewöhnlichen dramaturgischen Struktur, die mit einer innovativen Strategie vermarktet wurde. Der Aufsatz skizziert den dramaturgischen Aufbau der Serie und legt den Schwerpunkt auf eine Untersuchung der internet- und mobilbasierten Marketinginstrumente, welche die Fernsehausstrahlungen von Lost optimal ergänzen und damit die Zuschauerbindung stärken.

Lost is one of the most successful TV series in the USA. It exhibits an unusual dramaturgical structure, combined with an innovative marketing strategy. The paper outlines the dramaturgical construction of the series, focusing on those internet-based and mobile-based marketing instruments that support TV broadcasting and strengthen viewers’ engagement.

Weber, Thomas: Ravensbrück – Zwei WebSites oder Die Frage nach der medialen Perspektivierung des Holocausts, 05.03.09

AVINUS Magazin Sonderedition Nr. 4, Berlin 2008.

Kompletter Artikel als PDF-Version: Ravensbrück. Zwei WebSites oder die Frage nach der medialen Perspektivierung des Holocausts.

Abstract

Der Aufsatz befasst sich mit der Problematik von Gedenkkultur im Web 2.0 am Beispiel von zwei unabhängig voneinander entstandenen WebSites zum Frauenkonzentrationslager Ravensbrück: derjenigen der Gedenkstätte Ravensbrück und derjenigen der Bundeszentrale für Politische Bildung zu Ravensbrück. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf einer Analyse der medialen Transformation von Gedenkkultur durch das Internet und einer Reflexion über mögliche Qualitätskriterien (wie z.B. „Transmersion“) von WebSites.

Filho, Osmar Goncalves dos Reis: Die Inszenierung des Vagen: Notizen zu einer Ästhetik der Videokunst, 28.11.08

Eine zeitgenössische Kunst

Inmitten der Ungewißheiten, die die heutige Gesellschaft uns bietet, gibt es etwas Solides, etwas, über das keine Zweifel bestehen: Nie wurde so viel auf dem Gebiet der Kultur produziert wie heute. Jeden Tag überschwemmt uns die Mediengesellschaft mit einer Flut von Bildern, Videos, Hologrammen, Texten. Wie bereits Peirce voraussah, wurde die Welt zu einem Überfluß an Zeichen. Anders als in früheren Zeiten, als noch eine spezifische semiotische Chiffrierung herrschte, leben wir heute in einer Zeit der Konvergenz der Medien, der dröhnenden Sprachverschiedenheit, der ästhetischen Stützpunkte und Angebote.

Die gegenwärtige kulturelle Praxis ist zweifellos ein unbeständiges, vielfältiges Phänomen. In ihrer Gärung präsentiert sie sich wie ein Fraktal, wie eine chaotische Landschaft, die sich jedem Versuch zur Verallgemeinerung zu entziehen scheint. Bei genauerem Hinsehen jedoch erscheinen einige Gemeinsamkeiten, Elemente, die uns erlauben, ein wenig Konsistenz im Chaos aufzuzeigen. In ihren verschiedensten Formen erscheinen die zeitgenössischen Zeichen mit Geräuschen vermengt, mit Formen, die ins „Elliptische“ und „Offene“ weisen. Ob in der plastischen Kunst oder in der Literatur, die heutige kulturelle Praxis wird von der Unbestimmtheit durchkreuzt.

In der plastischen Kunst z. B. beginnt diese Suche nach dem Vagen bei Cézanne und kommt zur Reife mit der Geburt des Kubismus. Das kubistische Porträt mit seinen vielfachen Perspektiven wollte uns die Erfahrung der visuellen Vielfalt bieten, den Pluralismus der Betrachtungsweisen – eine Art von Wahrnehmung, die anders ist als die vom Renaissancebild gebotene. Die Perspektive der Renaissance setzte in ihrer Starrheit und räumlichen Konsistenz einen einzigen, zentralen Gesichtspunkt, einen Punkt, von dem aus jede Wahrnehmung gezwungenermaßen strukturiert sein muß. Es gibt keine andere Weise, ein Bild der Renaissance zu „lesen“, es sei denn unter dieser visuellen Hierarchie, die ein für allemal von der Perspektive aufgezwungen wird.

So wie das modernistische Bild definitiv mit der linearen Sicht gebrochen hat und ein „offenes“ und unvorhersehbares Werk vorschlägt, so hat auch die Literatur unserer Zeit aufgehört, linear zu sein und hat eine labyrinthische Struktur angenommen. In Werken wie Ulysses, Die Gesänge oder Rayuela, Himmel und Hölle sind verschiedene Wege gleichzeitig möglich. Gleichzeitigkeit von Handlungen im Ablauf der Erzählung, die Möglichkeit, die Kapitel zu mischen und jeden Moment eine andere Geschichte herauszuholen, läßt den zeitgenössischen Leser die Erfahrung des Widerspruchs und der begrifflichen Vielfalt machen. Anstelle einer endgültigen Mitteilung, eines erstrangigen Sinnes, der während vieler Generationen vermittelt wurde, bietet uns die moderne Literatur ein Feld vieler Möglichkeiten, eine vielfältige und unabgeschlossene Struktur. Obwohl Werke wie z.B. die von Stendhal, Proust, Kafka, Joyce und so vieler anderer heute in ‚endgültiger Form‘ zirkulieren, wurden sie niemals von ihren Autoren als „abgeschlossen“ angesehen. Wie Borges sagte, zweifellos eine Ikone der modernen Literatur: „der Begriff des definitiven Texts entspricht nur der Religion oder der Müdigkeit“.[1]

Ein glitschiger, jedoch „offener“ und unvorhersehbarer „Text“ ist der, der als videographische Erzählung aufgebaut ist. In ihrer hybriden, unterbrochenen und variierenden Sprache wird die videographische Erzählung in bestimmten intellektuellen Kreisen als die prototypische Ausdrucksform der heutigen Kultur angesehen. Eigentlich haben wir im Video nicht einmal mehr eine Geschichte, von der zu reden wäre, sei sie nun labyrinthisch oder nicht. Was es uns in den meisten Fällen bietet, sind verstreute Stücke, deren Ganzheit unmöglich wiederherzustellen ist – die Welt als unstetiges Aufbrausen von Bildern. Jede Handlung wird in Fragmenten vorgetragen, es gibt keine Kontinuität, die zu suchen wäre. Das Ergebnis ist, in einem Wort, daß das Video uns die Inszenierung des Vagen vorträgt, die Unbestimmtheit als Darstellungskategorie.

Während die labyrinthische Struktur der modernen Literatur und die visuelle Vielfalt der kubistischen Bilder bereits eine gewisse „Zerrüttung“ des Sinnes vorbildeten, eine Suche nach Erweiterung und Polyphonie, bildet die unterbrochene Erzählung der Videokunst den Höhepunkt dieser Entwicklung. Auf dem Bildschirm entrinnt uns der Sinn und scheint sogar an das Absurde zu grenzen, an den totalen nonsense. Angesichts der videographischen Poetik wäre es vielleicht angemessen, von einer Ästhetik des Vagen zu sprechen, von einer Sprache, die mehr von Geräuschen als von Zeichen gebildet wird.[2] Wenigstens ist es dieser Eindruck, der uns bleibt, wenn wir uns nacheinander die großen Werke dieser kleinen Ausdrucksform ansehen, deren Geschichte bereits ein halbes Jahrhundert alt ist. Mich interessiert hier jedoch nicht die Bildung eines neuen Begriffs. Mein Ziel ist es vielmehr, diese Ästhetik, die zugleich reich und beunruhigend ist, zu verstehen; eine Kritik zu entwerfen, die ihre höchst quälenden Fragen, ihre kontroversen Aspekte berücksichtigt.

Geräusch, Verzerrung, Vielfalt

Im Allgemeinen, so Jean Paul Fargier, erscheint die Wirklichkeit nicht im Video; sie kommt uns nicht entgegen, wie beispielsweise gewohnheitsmäßig im Kinosaal.[3] Denn seine Schreibung ist an erster Stelle von der Verzerrung gekennzeichnet, von der Interferenz. Auf dem kleinen Bildschirm des Videos erscheinen die Bilder selten unversehrt, unberührt, in derjenigen Form, in der sie aufgenommen wurden. Bevor sie den Monitor beleben, ist es wahrscheinlich, daß sie eine Form der Manipulation erlitten haben, eine Art von Eingriff. Denn im Herzen des Mediums Video lebt ein destruktives Anliegen hinsichtlich des Bildes, eine bilderstürmerische, zerstörerische Haltung. Während das Kino sich geschichtlich durch eine bestimmte Dezenz gefestigt hat, durch einen fast heiligen Respekt vor dem Bild, zeigt das Video ein unehrerbietiges Verhalten, gefällt sich in spielerischer Freiheit, im Wagemut des Eingreifens und Radierens. Ja, die Schreibart des Videos greift etwas von der abbauenden Furie der Avantgarde auf, doch übertrifft sie diese Praxis, insofern sie aus der Verzerrung die Quintessenz ihrer Grammatik macht. Zum Beispiel Television Decollage von Wolf Vostell und Magnet TV von Nam Jane Paik, zwei grundlegende Werke der Videokunst, sind nichts weiter als Verzerrungen des Fernsehablaufs. Durch Frequenzerzeuger, elektronische Prozessoren, entstellen diese Werke die Fernsehinformation, indem sie den Fernseher zu einer Stütze für abstrakte, experimentelle Bilder machen, Bilder, die nur auf dem Ikonoskop erscheinen, um zu tanzen.

Ein schlichter Tanz freilich, der sich zudem in einem ganz anderen Freiraum als dem des Kinos abspielt. Seinem einheitlichen und homogenen Bild stellt das Video die für es charakteristische Mannigfaltigkeit und fragmentarische Beschaffenheit entgegen. Tatsächlich erscheint in den meisten Fällen das videographische Paneel dem Beobachter wie ein großes Mosaik, wie eine hybride Oberfläche, die die einförmige und systematische Ansicht der Photographie, gemäß der auf der Renaissance gründenden Darstellungsmodelle, durch eine vielfache und kaleidoskopische Ansicht ersetzt. Anstatt jeweils ein einziges Objekt zu betrachten, pflegt das Video die Bilder zu überschneiden, indem es mit Hilfe des Chroma Key eins über das andere legt oder sie durch die Öffnung von „Fenstern“ nebeneinanderstellt. Auf diese Weise häufen sich die verschiedenen Fragmente auf dem Bildschirm ins Unendliche, und man steht, wenn man es am wenigsten erwartet, vor einer riesigen elektronischen Collage, vor einem heterogenen und komplexen Gebilde. Was die Wahrnehmung betrifft, ist der bleibende Eindruck in diesem Kontext der des Übermaßes, der Zerstreuung, denn die Bilder kommen nicht mehr allmählich in ihrer Ganzheit zu uns, wie sie es in dem großen dunklen Saal taten. Sie schwärmen wie Bienen oder Hornissen im Flug. Es sind Splitter, Funken, die alle zugleich in einer ungebrochenen und beschleunigten Bewegung die kathodische Röhre besprengen.

Ein weiteres hervorstechendes Element der elektronischen Schrift ist ihre Fähigkeit und Einstellung, Zeichen verschiedener Art zu verflechten. Wegen ihrer Gefügigkeit – im Grunde ist das elektronische Bild nur modulierte elektrische Strömung – schafft sie es, auf eine freiere und erfinderischere Weise als die Medien mechanischer Art, unterschiedliche Zeichen wie Texte, Stimmen, Töne, Geräusche und Bilder zu mischen und zu verbinden. Freilich handelt es sich nicht nur um eine Fähigkeit. Normalerweise entscheidet sich die Videographik für die Verflechtung, die Hybridisation. Sie fühlt sich davon angezogen, sie flirtet mit den Techniken der Collage, des Mosaiks und mit den zahlreichen Möglichkeiten der Assoziation. Es handelt sich, kurz gesagt, um eine vielfältige Schreibform, um den Versuch, die größtmögliche Zahl von Informationen in einem einzigen gleichen Raum zu verbinden. Es sind Texte, die parallel zu den Bildern laufen, unterschiedliche Aussagen, die aufeinanderprallen und sich widersprechen, Landkarten, Figuren, Töne und Geräusche jeglicher Art, die zusammen mit den Bildern ein Geflecht seltener Komplexität erstellen. Das Ergebnis ist konfus und kann Zuschauer, die weniger mit den unerwarteten Weisen der elektronischen Imagination vertraut sind, verwirren.

Was die Zeit betrifft, baut das Video ebenfalls recht komplexe Beziehungen auf. Anstatt, wie das Kino, ihre Bewegung nachzuahmen, ihre Dauer zu zeichnen, zieht das Video es vor, sie abzubauen, zu zerrütten, in ihrem Innern Fallen aufzustellen. Es handelt sich um plötzliche Beschleunigungen, eingefrorene, synkopierte Bilder, Slow Motion Kameras. Alles, damit wir den 24 Bildern pro Sekunde entgehen können, dieser idealisierten und idealisierenden Geschwindigkeit, die uns die siebte Kunst vererbt hat. Ja, auf der elektronischen Leinwand verwandelt sich die Zeitlichkeit in etwas Anderes, Elastischeres, Biegsameres. Vielleicht, damit die herkömmliche Wahrnehmung sich ebenfalls verändert, sich in der Verfremdung revidiert. Möglicherweise ist dies die geheime Architektur des Videos, die intime Alchimie seiner Schreibweise, sein letztes Ziel. Seit den ersten Experimenten schwebt ihm ein Ort vor, der die reine Sensibilität beherbergt.

In Wahrheit haben das Video nie die großen Ereignisse, die großen Persönlichkeiten, der Eindruck oder der Glanz des Wirklichen interessiert. Es waren immer anonyme, banale Bilder, Figuren ohne Gewicht oder Tiefe, die es ins Spiel brachte. Auf der kleinen Leinwand scheint die Schönheit sich an der Oberfläche zu bergen, in der Plastizität, im Tanz der Farben. Während das Kinobild sich stets behauptet hat durch die Rolle, die in ihm die Tiefe des Feldes spielt, konstituiert sich das Video als Bild und als Ästhetik mittels der Stelle, die in ihm die Oberfläche einnimmt. Das Video ist vornehmlich dieses Lob der Oberfläche, die während der Jahrzehnte von audiovisueller Poetik unbekannt und unklar geblieben war. In der ikonoskopischen Röhre hat sie die Gelegenheit, flimmernd uns leuchtend wiederzukehren wie der Elektronenregen, von dem sie geformt wird.

In der Videographie ist demnach die Materialität selbst das Wichtige, das Bild nicht mehr als unsichtbarer Filmstreifen, als Glas oder Fenster zur Welt, sondern als Wirklichkeit in sich selbst, als eine selbständige Welt, die mit eigenem Stoff, eigenem Körper und eigener Textur ausgestattet ist. Wenn wir die großen Werke der Videokunst betrachten, von den teleklastischen Vorläufern bis zu den letzten zeitgenössischen Arbeiten, werden wir sehen, daß, im indikativischen Sinne des Wortes, sehr wenig zu „sehen“ oder zu „lesen“ ist. In den allermeisten Fällen trägt uns das Video rein visuelle Impulse vor; es sind Formen, Massen, Texturen in Bewegung. Wenn es allerdings auch Bilder gibt, die erkannt werden sollen, ist es vor allem das sogenannte nicht-hermeneutische Feld der Kommunikation, das die vorderste Stelle im Video einnimmt – ein Raum, in dem die Sinne oder Bedeutungen nicht sehr wichtig sind. Der große Gast in dieser Domäne ist der Körper, das Empfindliche, das Empfinden. Es gibt jedoch nichts glitschigeres und unergründlicheres als die Empfindungen. Sie sind lediglich da oder existieren, sagen nichts, behaupten nichts, produzieren nur Anwesenheit.

Eine nicht-erzählerische Kunst

 

Im Allgemeinen ist es das, was das Video erzeugt: eine nicht-erzählerische Kunst. Im Gegensatz zum Kino interessiert es sich nicht dafür, eine Geschichte zu inszenieren, einen Bericht vorzutragen, sei er linear, fragmentiert oder labyrinthisch. In den allermeisten Fällen sagt oder erzählt man nichts auf der kleinen Leinwand, man zeigt lediglich etwas. Etwas wird in seiner Stofflichkeit, Substanz und Oberfläche vorgetragen. Eine Art von ästhetischem Vorschlag steht mit einer Jahrhunderte langen Entwicklung der Verkümmerung der Erzählung, einem Niedergang der Erzählkunst im Zusammenhang. Dieser Prozeß wurde prägnant von Walter Benjamin in seinem wunderbaren Essay Der Erzähler ((In: Obras Escolhidas vol. I – Magia e técnica, arte e política. Übers. von Sérgio Paulo Rouanet. São Paulo: Brasiliense, 1996.)) beschrieben. Die Erzählkunst sei im Niedergehen begriffen, weil sie auf der gemeinsamen Tradition fußt, auf der gemeinsamen Erinnerung und dem gemeinsamen Wort, kurz, auf einer kollektiven Erfahrung.

In der Moderne verschwinden solche Bedingungen. Die Tradition setzt für ihr Existieren eine Lebens- und Sprachgemeinschaft voraus, die vor allem die schnelle Entwicklung des Kapitalismus, der Technik zerstört hat. Die Virulenz der Veränderungen im fortgeschrittenen Kapitalismus bringt es mit sich, daß die Lebensbedingungen sich von einer Generation zur anderen rapide wandeln. Auf diese Weise entsteht eine Lücke zwischen den Generationen. Was von den Eltern und Großeltern erlebt wurde und von der Erzählung aufgegriffen wird, hat bereits keine Bedeutung mehr für die Herausforderungen, vor die sich die Kinder und Enkel gestellt sehen. Nicht einmal die Chiffrierungen der Redeformen sind die gleichen, da die Sprachformen und semiotischen Systeme ununterbrochen wuchern. Im Spätkapitalismus überlebt nicht einmal die Landschaft. Aus eigener Erfahrung schöpfend sagt Benjamin, daß „eine Generation, die noch in einer von Pferden gezogenen Straßenbahn zur Schule gegangen war, … sich verlassen (sah), obdachlos, in einer Landschaft die in allem anders war, mit Ausnahme der Wolken“. ((BENJAMIN, Walter. Experiência e Pobreza [Erfahrung und Armut]. In: Obras Escolhidas (Bd.1). Magia e Técnica, Arte e Política. Übers. von Sérgio Paulo Rouanet. São Paulo: Brasiliense, 1985, p.115.))

Verbunden mit diesen Verwandlungen oder in ihrem Innern am Werk ist eine andere Zeitlichkeit. Die vorkapitalistischen Arbeitsweisen, besonders solche, die mit dem Handwerk verbunden waren, zeichneten sich durch eine langsame und abrundende Zeit aus. Es handelte sich um eine Zeit, die die Sedimentation der Erfahrungen in der Gemeinde erlaubte und das Auftauchen einer gemeinsamen Erinnerung und Sprache ermöglichte. Ob auf dem Land oder in der Stadt, die gedehnte Zeit begünstigte eine tiefe Aufnahme der Geschichten. Und weil sie sie so häufig hörten, entwickelten die Hörer die Gabe, sie zu erzählen.

Im modernen Kapitalismus erlaubt die schnelle und unterbrochene Zeit der Arbeit nicht mehr diese Sedimentation. Was ist jedoch die Tradition, wenn nicht dieses geteilte Gedächtnis? Unerschöpfliche Quelle der mündlichen Erzählungen ist das kollektive Gedächtnis, das die Existenz, Erneuerung und Weitergabe der Geschichten ermöglicht. Mit seinem Niedergang werden auch die Geschichten nicht mehr tradiert, die wichtigsten Sinngebungen gehen verloren, und der Prozeß der Erschöpfung und sozialen Fragmentierung schreitet siegreich fort.

Angesichts dieser neuen Erfahrungsweise entstehen neue Kommunikationsformen, die in der sozialen Dynamik immer mehr Anhalt haben. Der klassische Roman, der den ratlosen und unberatenen Helden auf seiner ständigen Suche nach dem Sinn des Lebens in Szene setzt, ist ein Beispiel hierfür. Es handelt sich um einen Sinn, der schon nicht mehr in der Dynamik des sozialen Lebens zu finden ist, da sie zu sehr von Jahrhunderte langen Prozessen der Fragmentierung und der Beschleunigung der Zeitlichkeit durchkreuzt wird. ((Darüber, s. Gyorgy Lúkacs. A teoria do romance: um ensaio histórico-filosófico sobre as formas da grande épica [Die Theorie des Romans…]. São Paulo: Duas Cidades: Ed. 34, 2000.)) Im Gegensatz zur Erzählung hat diese Art des Romans eine geschlossene Struktur. Er muß der Geschichte ein Ende, dieser Entwicklung einen Schlußpunkt setzen, damit der Leser, selbst ratlos, seinem eigenen Dasein Sinn geben kann. Neben dieser klassischen Form des Romans entsteht, als Gegen- und Ergänzungsvorschlag, die moderne Literatur. Von Unvollständigkeit, Diskontinuität und Fragmentierung gezeichnet versucht diese Literatur, die Erzählung noch stärker zu zerfasern, indem sie den Sinn bis an die Grenzen des Unverständlichen zerstreut und zerstört. Das klassische/typische Beispiel ist in diesem Kontext die surrealistische Poesie, doch kann man auch Kafka, Joyce, Proust u. a. nennen.

Von Frederic Jameson als ‚Surrealismus ohne Unbewußtes’ tituliert, ((Pós-Modernismo: A Lógica Cultural do Capitalismo Tardio [Post-Moderne: Die kulturelle Logik des Spätkapitalismus]. Übers. von Maria Elisa Cevasco. São Paulo: Ática, 1997.)) folgt die Videokunst auf klare und unverwechselbare Weise dieser Tendenz. Seit ihren ersten Experimenten hat sie darauf verzichtet, eine Geschichte zu erzählen, und in keiner ihrer Strömungen wollte sie sich als erzählende Kunst präsentieren. Im Gegensatz zum Kino war es dem Video immer wichtig, die Geschichten zu zerrütten, zu zerschmelzen, zu verflechten. Es handelte sich speziell darum, das Bild zu verzerren; es zu beschmutzen, abzubauen, zu erschüttern und aufzulösen, damit es in einem anderen Format wiedergeboren wird. Seit der anfänglichen Interferenzen von Nam June Paik war die Ästhetik des Videos immer eine Ästhetik des Geräuschs, der Vagheit und der Metamorphose. Während das Kino den Blick und die Sinne aufbietet, lädt das Video den Körper ein und läßt ihn fühlen. Es gibt keine Geschichten, keine Ratschläge. Es wird nichts gesagt; es gibt nur Dabeisein, etwas, das sich zeigt, und das uns zur Erfahrung ruft.

Negativität und volle Mitteilbarkeit

Die Videographie ist eine schwierige und radikale Kunst, eine Ästhetik, deren Größe nur ermessen werden kann, wenn man einer exklusiven Definition von Kunst als Schönheitsideal und Versöhnung den Rücken kehrt. Die Schreibweise des Videos zielt nicht auf eine Logik der Bequemlichkeit, sie will nicht den Menschen helfen oder sie trösten durch den Aufbau einer illusorischen Schönheit. Gegen eine Ästhetik der Harmonie und des Schönen wählt sie den Schock, die Herausforderung, die Anklage. Mit dieser Haltung reiht sich die Videokunst in eine Tradition der Ästhetik, die ihre präziseste Formulierung in den modernistischen Avantgarden der 20er Jahre findet. In jener Zeit erreichten eine Reihe sozialgeschichtlicher Umwälzungen ihr finales Stadium, das wenigstens ein Jahrhundert lang vorbereitet worden war. Der Urbanisierungsprozeß, die Industrialisierung, die sichtbar anwachsende technische Entwicklung nicht nur in der Expansion der Verkehrsmittel, sondern auch in der Etablierung der Presse, veränderten das Gesicht der Welt radikal und legten den Grundstein für die moderne Erfahrung.

In der philosophischen Tradition war wohl Walter Benjamin der Denker, der in seinen Arbeiten am meisten zum Verständnis dieser Umwälzungen beigetragen hat. Im Essay über Baudelaire und im unvollendeten Passagenwerk unternimmt er, was wir eine „Archäologie der Moderne“ nennen können: eine unerbittliche Suche nach ihren Ursprüngen, ihren Vorgehensweisen und Mechanismen, ihren Folgeerscheinungen. Für diesen jüdischen Intellektuellen und Meister der essayistischen Kurzprosaform ist die Moderne ein Prozeß wachsender Fragmentierung und Säkularisierung, zwei Bewegungen, die, seiner Ansicht nach, zu einem unvermeidlichen Niedergang der kollektiven Erfahrung führen. Nach Benjamin kennzeichnet die Moderne vor allem der Verlust kollektiver Anhaltspunkte, für sie ist das Fehlen gemeinsamer Erinnerungen und Worte charakteristisch. Es droht der vollständige Traditionsverlust. Benjamin war im übrigen nicht der einzige Philosoph, der diesen Vorgang bemerkt hat. Eigentlich ist seine skeptische Sicht hier Nietzsches und Lukács’ Äußerungen über die Moderne verpflichtet. Beide Denker sprechen vom Niedergang gemeinsamer Werte, von der Krise der Kultur, von der Zerrüttung des Sinnes.

Abgesehen nämlich von den jeweiligen Unterschieden ihrer sonstigen Gedanken versuchen alle drei, die Veränderungen zu verstehen, die im Rahmen der Erfahrung und der Kultur geschehen, wenn an die Stelle homogener, organischer und geschlossener Gesellschaften heterogene, fragmentierte und multikulturelle treten, in denen zerstreute und gegensätzliche Traditionen nebeneinander bestehen, und in denen die Dissonanzen überall empfunden werden. Es gibt keine allgemeine Praxis mehr, keine Werte, keine vollständigen Bedeutungen, die früher im Laufe der Generationen aufbewahrt und weitergegeben wurden. Wir leben, wie Nietzsche sagt, ‚im Zeitalter des Vergleichung’. „Ein solches Zeitalter“, konstatiert er in Menschliches, allzu Menschliches, „bekommt seine Bedeutung dadurch, dass in ihm die verschiedenen Weltbetrachtungen, Sitten, Culturen verglichen und neben einander durchlebt werden können; was früher, bei der immer localisirten Herrschaft jeder Cultur, nicht möglich war… Es ist das Zeitalter der Vergleichung! Das ist sein Stolz, – aber billigerweise auch sein Leiden!“ ((NIETZSCHE, Friedrich. Humano, Demasiado Humano [Menschliches, allzu Menschliches]. São Paulo: Companhia das Letras, 2000.))

Der moderne Mensch leidet, weil er keinen letztgültigen Anhaltspunkt mehr hat, auf den er sich verlassen kann. Es gibt so viele Perspektiven, Lebensweisen, so viele Werte und Bedeutungen, und alles ist einer Veränderung unterworfen, die in einer so frenetischen und erdrückenden Geschwindigkeit geschieht, daß ihm nichts anderes bleibt als ein intensives Leiden der Ratlosigkeit, des Mangels, des Zusammenbruchs. Wir erleben, nach dem schönen Titel von Bauman, eine Flüssige Moderne, die permanente Empfindung, daß unsere alten und prekären Gewißheiten sich unter unseren Füßen verflüssigen. Diese Zerrüttung des Sinnes oder diese „Krankheit der Tradition“, wie sie Benjamin nannte, steht in direktem Zusammenhang mit den Umwälzungen, die auf dem Gebiet der ästhetischen Produktion am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschehen sind, Umwälzungen, die ihre vorbildliche Ausformung in den modernistischen Avantgarden der 20er Jahre erreichen.

Angesichts des Niedergangs der kollektiven Erfahrung, angesichts der Signifikationskrise, die von der Moderne erzeugt wird, wird sich eine Strömung der modernistischen Ästhetik, und zwar gerade die, die sich in den Avantgarden äußert, dafür entscheiden, diese „Krankheit der Tradition“, diese zügellose Zerstreuung der Sinne weiterzuführen. Anstatt tröstliche Illusionen auszudenken, entscheidet sie sich, den Bruch zu beschleunigen, das Schweigen zu vertiefen, die Widersprüche ihrer Zeit offen zur Schau zu tragen. Obwohl die Videokunst wichtige Verschiebungen in Richtung dieser Vorschläge ausführt, folgt sie klar und unmißverständlich der negativen Ästhetik der Avantgarden. Im Allgemeinen bietet die Videographie auch keinen Raum zur Versöhnung. Auf der kleinen Leinwand gibt es meistens keine Bedeutungen, keine Geschichten oder Erzählungen zu rekonstruieren. Was sich uns in den meisten Fällen darbietet ist pulsierender Rhythmus und Energie; Abstraktion, Allegorie, Geräusch, Collage, kurz, ein aleatorischer Wechsel von Signifikationen.

Wie Alain Borges bemerkte, „festigt sich das Video als eine Stütze, die zutiefst mit der Ausdrucksweise seiner Zeit verbunden ist“. ((BORGES, Alain. „Contre L´image numérique: Toutes lês images sont-elles dês images pieuses?“ In: Où va la vidéo? Jean-Paul Fargier (org.) Paris: Cahiers du Cinema Livres, 1986.)) Wenn es etwas gibt, das uns solches auf klare, manchmal ostentative Weise zeigt, ist es unsere gegenwärtige Orientierungslosigkeit, unser Mangel an Bedeutungen. Die Größe und Stärke der videographischen Ästhetik können nur aus dieser Perspektive verstanden werden. Denn ihr kritisches Potential, ihre Überschreitung des Nihilismus sind in dieser Geste enthalten, die gleichzeitig realistisch und anklagend ist. Es handelt sich also nicht um absoluten Formalismus, um ästhetisierende Grundlosigkeit. Obwohl die Schreibart des Videos unweigerlich Einflüsse dieser ästhetischen Tendenzen zeigt, was wirklich in der Videokunst auf dem Spiel steht ist der Versuch, keine ästhetischen Ideale aufleuchten zu lassen, die keinen Anhalt in der soziokulturellen Dynamik unserer Zeit haben. Mit anderen Worten, es ist für die Videokunst nicht mehr möglich, eine Ästhetik der Ganzheit und Transparenz zu verteidigen, ein glänzendes und absolutes Bild, eben weil wir unter der Herrschaft der Zerstreuung, des Fragmentarischen und Flüchtigen leben. Darin liegt ihre Stärke, ihr Daseinsgrund! Es geht darum, den Schmerz der Unvertretbarkeit auszuhalten, den Schmerz des Mangels an vollständigen Bedeutungen, anstatt übereilt neue und falsche positive Inhalte vorzuschlagen.

Diese Ästhetik der Undurchsichtigkeit und des Geräuschs, die der Videokunst innewohnt, verursacht noch eine weitere, selten gesehene Verschiebung im Bereich der audiovisuellen Praktiken. Wegen ihrer abstrakten und allegorischen Eigenschaft, ihrer stärker graphischen und rhythmischen als fotografischen visuellen Eigenart, hintertreibt die Schreibweise des Videos am Ende die Ordnung der Sinne und legt den Akzent des Kommunikationsprozesses auf die Empfindungen. Die zahlreichen Interferenzen und Verzerrungen, die frenetische Hast der Montagen und die Leere der vernetzten Installationen bewirken, daß die Vernunft und die Suche nach einem Sinn eingeladen werden, sich zu verabschieden, so daß sie einen Raum freigeben für andere Interaktionsformen, die auf nicht-rationellen Prozessen fußen. Durch diesen Appell an den Körper und die Erfahrungen der Empfindungen betreibt das Video eine direkte Kritik an der absoluten Herrschaft des Verstandes, des rationalistischen Denkens in unserer Kultur. Es zeigt, daß die Erfahrung nicht ausschließlich oder notwendig eine sinnvolle oder per se auf einen Sinn bezogene ist, daß die Gegenstände, die Substanzen, die Körper vielmehr selbst ein unweigerliches Gewicht im Kommunikationsprozeß besitzen – das Gewicht der Anwesenheit – ,und daß sie trotz unserer auf Sinn erpichten Bemühungen den Charakter des Unbekannten, des Geheimnisvollen haben. Mit dem Akzent auf den Empfindungen, auf der Leere und dem Schweigen drückt das Video schließlich auch noch eine gewisse Erschöpfung der geschwätzigen Vernunft aus; sie versagt vor der Sintflut von Informationen und Bildern, die die Mediengesellschaft täglich vor unsere Füße schüttet. Wie Sean Cubitt behauptet, ist es gerade einer der Träume der Videographie, die Idee der Repräsentation gegen andere, freiere, offenere und transzendentere Kommunikationsformen auszutauschen. ((CUBITT, Sean. Timeshift on Vídeo Culture. London: Routledge, 1991.)) Nach ihm geht es darum, daß wir uns von der „Tyrannei der Repräsentation“ befreien zugunsten von Erfahrungen, die auf anderen Prinzipien aufgebaut sind als beispielsweise der Anwesenheit.

In gewisser Weise wurde dieser Traum bereits erreicht. In der kurzen Geschichte der Videokunst war vielleicht eins ihrer größten Verdienste die Relativierung des erzählerischen Sprachmodells. Obgleich bis heute dominierend im Bereich der audiovisuellen Praktiken erhält es wenig oder praktisch keinen Raum in der Videokunst. Wegen ihrer experimentellen Methode inspiriert die Schreibform des Videos schließlich neue und originelle Sprachmodelle, Modelle, die freier, offener und essayistischer sind – im Allgemeinen audiovisuelle Vorführungen von Konzepten und Empfindungen. Paik war der erste Künstler, der im Video ein bildsames und flüssiges Medium gesehen hat, eine Form, die fähig ist, die formellen diskursiven Strukturen zu verlassen und mit den Materialien auf einer transzendenteren Ebene zu arbeiten. Wie Ruy Gardnier bemerkt hat, hat Paik anhand des Videos das Bild in eine flüssige Strömung verwandelt, die mit irgendeiner Sache kommunizieren kann. ((GARDNIER, Ruy. Cahiers du Cinéma 610, p. 68, März 2006.)) Vollständige Kommunikationsfähigkeit, frei von den Gesetzen der Perspektive, von den Regeln der Komposition, von den traditionellen syntaktischen Bindungen, das ist die Utopie der Videokunst.

Endnoten    (↵ returns to text)

  1. Zitiert von MACHADO, Arlindo. Máquina e Imaginário. São Paulo: EDUSP, 2001, p.190.
  2. Dieser Insight wurde zum ersten Mal von Jean-Paul Fargier geäußert, in dem wunderbaren Essay „Poeira Nos Olhos“ [Staub in den Augen]. In: Imagem-Máquina: a Era das Tecnologias do Virtual. André Parente (org.) São Paulo: Editora 34 Ltda, 2001.
  3. Ders., p. 231.

Richter, Dörte: Männlicher Terror oder warum der Film ‚Der freie Wille‘ Wut auslöst, 27.04.08

Fragen

Die Kontroverse scheint zu diesem Film dazuzugehören. Schon auf der diesjährigen Berlinale begleiteten heftige Diskussionen die Premiere von Der freie Wille (Dt. 2006, Regie: Matthias Glasner). Die Auszeichnung von Jürgen Vogel für die „herausragende künstlerische Gesamtleistung als Schauspieler, Co-Autor und Co-Produzent“[1] mit dem Silbernen Bären unterstreicht die dem Film inhärente Ambivalenz. Ein hervorragend besetztes Schauspielensemble, ein Drehbuch- und Regieteam, das über Jahre damit beschäftigt war, aus dem Erzählstoff über einen Vergewaltiger eine adäquate filmische Umsetzung zu erarbeiten, bürgen für Qualität, aber lässt sich allein dadurch die Frage nach der Relevanz einer solchen Geschichte beantworten? Warum wird sie erzählt? Wie wird sie erzählt? Weshalb als Film?

Alice Schwarzer nennt ihn „streckenweise durchaus fragwürdig.“[2] Jürgen Vogel sagt, ihn habe die Frage interessiert, „was in einem Menschen vorgehe, der zum Serienvergewaltiger wird. Warum tut er das? Und kann er, wenn er wirklich will, damit auch wieder aufhören?“[3] Doch was wird überhaupt erzählt? Worum geht es in diesem Film? Um die Einsamkeit eines Mannes mit massiven Brüchen in der eigenen Lebensgeschichte, dessen wenige Versuche, sich selbst zu spüren, in hass- und gewaltvollen Übergriffen auf Frauen enden? Geht es, wie Vogel sagt, „um die Auseinandersetzung mit Tabus, [w]ie dem des Vergewaltigers“? Geht es um Sexualität? Oder um eine Selbstfindung, die nicht nur für die Hauptfigur tragisch endet? Oder handelt dieser Film letztlich von einer Männerphantasie, die von dem Wunsch des Tabubruchs getragen wird und sich im Erzählen der Tragik eines fiktiven Lebens unausweichlich in der Eindimensionalität der gewählten Perspektive verliert? Kann man diesen Film sehen, ohne danach über ethische Fragen bzw. den Zusammenhang zwischen Kino und Gesellschaft nachzudenken? Ist dieser Film eine Zumutung? Ich wage zu behaupten: ja.

Erfahrungen

Mittwochabend, Kino Balacz, Berlin Mitte, 22:00 Uhr. Nach langer Suche im Bekanntenkreis finden sich eine Freundin und ich zusammen, um diesen Film zu sehen. ‚Ging es Dir auch so, dass keiner den Film anschauen wollte?‛ ‚Ja.‛ Wir sind beide Filmwissenschaftlerinnen, wir haben beide die Diskussion verfolgt, die vor einem halben Jahr auf der Berlinale begann und jetzt im September zum Kinostart noch einmal aufflammte. Wir meinen zu wissen, was auf uns zukommt, die unselige Tradition der Filmkritik in Deutschland hat den Inhalt überall in groben Zügen nacherzählt. Wir haben den Kinobesuch letztlich – frei – gewählt. Es wirkt wie eine Versicherung gegen das Thema des Films, dass man nun vorher schon vom Tod der Hauptfigur am Ende weiß. Die Katharsis wird vorweggenommen und trotzdem ist nach den drei Stunden Kino alles anders. Als wir herauskommen, bin ich unfähig ein Wort zu sagen, mit Mühe und Not schaffe ich es, mich zu verabschieden. Dann fahre ich mit dem Fahrrad nach Hause, ein Weg von zehn Minuten, auf dem ich beginne, jedes wartende Auto argwöhnisch in den Blick zu nehmen. Gibt es einen Beifahrer? Sitzt da ein Mann allein am Steuer? Warum steht der da überhaupt? Um zwei Uhr nachts und mitten in der Woche sind selbst in Prenzlauer Berg die Fenster dunkel und die Kneipen zu. Das erste Mal fühle ich mich in dieser Stadt, die mir so vertraut ist, alleine und bedroht. Doch nicht von der realen Situation, die gleicht vielen anderen nächtlichen Nachhausefahrten. Was sich als Bedrohungsgefühl in mir ausbreitet, sind die Bilder: Jürgen Vogel als Theo Stöhr von Rastlosigkeit und Hass getrieben hinter dem Steuer seines Autos. Vogel/Stöhr als auf das Gesicht seines Opfers spuckender Vergewaltiger, dazwischen „Fotze, Fotze“ flüsternd. Jürgen Vogel und, in der Rolle seines Bewährungshelfers, André Hennicke an der Trimmstange in der Wohnung Klimmzüge machend. Immer und immer wieder. Harte, gestählte Männerkörper. Sport als Abwehrwaffe gegen überbordende Triebe, als Instrument der Disziplinierung. Judith Engel schließlich, deren Auftritt in einem deutschen Film mich mit Freude erfüllt, als ein Opfer Theos, das mit einer Klobürste die Freundin des Täters auf einem Gaststättenklo vergewaltigt. Ekel breitet sich in mir aus und als ich zu Hause bin, ein kurzes Gefühl der Erleichterung, angekommen zu sein.

Ich schlafe schlecht und wache am nächsten Morgen mit einem undefinierbaren Gefühl auf. Erst im Laufe des Tages schaffe ich, es zu benennen: Es ist Wut, tief sitzende Wut auf diesen Film, der für das Kino gemacht ist und als Realitäts-Fiktion daher kommt. Diese Wut manifestiert sich umso mehr, je schwerer es mir fällt, eine Einordnung vorzunehmen und diesen Film verstehen zu lernen, indem ich ihn irgendwo hintue, ihn kontextualisiere. Es gelingt mir nicht, und das nicht nur, weil er für sich in Anspruch nimmt, etwas noch nie Dagewesenes zu erzählen. Wenn es so wäre, wäre es einfach, aber so einfach ist es eben nicht. Wo ist die Möglichkeit auszusteigen aus diesem Film, der mit dem Kriterium der Wahrhaftigkeit so schamlos spielt. Die körperlichen Entblößungen Jürgen Vogels fallen dabei gar nicht ins Gewicht, es ist anerkennenswert, dass er die Ver-Körperung dieser Figur in der von ihm dargestellten Weise so auf sich genommen hat. Er und alle anderen Darsteller leisten Beeindruckendes: Manfred Zapatka in der Rolle des sanftmütig-übergriffigen Vaters. Sabine Timoteo als verzweifelt liebende Frau an der Seite Theos, ihn haltend und begleitend bis zum Schluss. Aber: wo ist der Regisseur, der die Geschichte lenkt, in sie eingreift, dem Zuschauer die Bürde abnimmt, mit diesen Bildern – unaufgelöst – am Ende allein nach Hause gehen zu müssen? Wo sind die Grenzziehungen zwischen Film und Realität, die das ermöglicht hätten?

Radikalität – Authentizität – Entblößung

Der Begriff der Radikalität ist im Kino mittlerweile zu einem Qualitätsmerkmal geraten. Das ist gut, denn nur so entstehen neue Bilder, andere Bildsprachen. Gerade in den letzten zehn Jahren hat sich – nach langer Flaute – in Deutschland ein Kino entwickelt, in dessen Zusammenhang ein Wort wie Authentizität wieder neue Bedeutung erlangt hat. Als „nouvelle vague allemande“ haben die „Cahiers du cinéma“ auf den im letzten Jahr in Cannes laufenden Film Falscher Bekenner von Benjamin Heisenberg reagiert.[4] Andere Namen wie Andres Veil, Christian Petzold, Valeska Grisebach, Angela Schanelec oder Oskar Roehler, auch Andreas Dresen oder Aelrun Goette, um nur einige zu nennen, lassen sich mühelos dazu zählen. Auf völlig unterschiedliche und – unterscheidbare – Weise erzählen alle diese Regisseure ähnliche Sujets. Im Mittelpunkt steht das alltägliche Leben in seiner ganzen Härte und in seiner für die Figuren oftmals vorhandenen Unentwirrbarkeit. Momente des Glücks sind selten und sie sind, was sie sind: von kurzer Dauer und hoher Intensität. Die großen Geschichten interessieren nicht, was zählt, ist der Alltag und in diesem das Besondere. Das bedingt neue Spiel- und Erzählweisen. Dokumentarisches und Fiktives verschmelzen in dem Begriff der Wahrhaftigkeit zusammen, die zumeist inszeniert ist, doch genau darin besteht die Kunst. Auch wenn sie kaum zu „spielen“ scheinen, haben zwar die einzelnen Schauspieler einen hohen Wiedererkennungswert, nicht aber die von ihnen dargestellten Figuren. Die Figur der Nina Hoss in Petzolds Toter Mann (Dt. 2001) ist eine komplett andere als jene, die sie in Wolfsburg (Dt. 2003) verkörpert, obwohl beide Frauen eine tiefe Verlorenheit in sich tragen. Julia Hummer als heranwachsende Tochter eines im Untergrund lebenden Terroristenpärchens in Die innere Sicherheit (Dt. 2001) ist widerständiger, aufbegehrender und expressiver als jenes sich treibenlassende Heimkind, welches sie in Gespenster (Dt. 2005) darstellt. Alle Vaterfiguren, die Vadim Glowna in den Filmen von Oskar Roehler spielt, sind gebrochene Männer. Ihre Gebrochenheit zeigt sich aber erst deutlich in der Konfrontation mit dem Gegenüber. So hat der Ex-Lover der von Hannelore Elsner verkörperten Schriftstellerin Hanna Flanders aus Die Unberührbare (Dt. 2000) ein völlig anderes Figurenprofil als jener von seinem Sohn so verzweifelt gesuchte und eingeforderte Vater aus Roehlers Alter Affe Angst (Dt. 2003). Man kann das fortsetzen. Valeska Grisebachs neuer Film Sehnsucht (Dt. 2006) lässt die Geschichte eines Mannes zwischen zwei Frauen gleich von Laien spielen und packt sie in die Ödnis der Brandenburgischen Provinz. In Andres Veiels Film Die Spielwütigen (Dt. 2004) wird die Grenzziehung zwischen Dokumentarischem und Fiktionalen sogar zum wichtigsten Erzählstrang. Die vier sich in der Ausbildung befindlichen Schauspielstudenten durchlaufen während des Films eine Entwicklung hin zu Persönlichkeiten, die die Raffiniertheit der erlernbaren Maske zu schätzen wissen.

In gewisser Weise ist diese neue Form des Erzählens, nah an den eigenen Biographien (Roehler), nah am „wirklichen“ Leben (Grisebach, Dresen), radikal. Sie rückt Befindlichkeiten in den Vordergrund und wird zu Kunst, wenn es den Regisseuren gelingt, einen zutiefst bewegenden, persönlichen Film zu erzählen, ohne dabei auf unangenehme Weise privat zu werden. Denn das Publikum ist kein Therapeut. Immer noch möchte es unterhalten werden, wenn es ins Kino geht, es möchte einer Dramaturgie folgen können, die die Motivationen der einzelnen Figuren nachvollziehbar macht, die anregt, über Verhaltensweisen und Zustände nachzudenken – auch das zählt meines Erachtens zu dem weiten Begriff des Unterhaltenwerdens dazu. Michael Haneke, der wie kein anderer Regisseur das Thema Gewalt in seinen Filmen auslotet, spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit des Kinos, „das Infragestellen zu befördern.“[5]

Was aber passiert in einem Film wie Der freie Wille, der als „Vergewaltigungsdrama“ (cinemaxx.de) angepriesen wird? Ist er, ohne die mediale Auseinandersetzung damit, ohne das Wissen um die jahrelange Vorbereitungsphase, um das außergewöhnliche Engagement seines Hauptdarstellers überhaupt zu verstehen? Und: scheitert er nicht genau dadurch? Die Verwischung von Grenzen zwischen seinem Hauptdarsteller Jürgen Vogel, der in einem Interview zugibt, angesichts seiner „eigenen Geschichte […] absolut genau ins Täter-Raster zu passen“[6], und der Ver-Körperung seiner Figur ist das große Manko dieses Films. Die Identifikation mit der Rolle, mit der fiktiven Geschichte dieses Täters gerät zu einem undefinierbaren Ganzen, das den Zuschauer in derselben Weise angreift, auf ihn übergreift, wie die einzelnen im Film dargestellten Vergewaltigungsakte. In Hanekes Film Funny Games (Ö, 1997) werden nacheinander erst der Hund, dann das Kind, schließlich der Vater und am Ende die Mutter von zwei jungen Männern ermordet, deren ausgestellte Harmlosigkeit selbst am Ende des Films noch erschreckend glaubhaft wirkt. Auch Haneke fordert seinem Publikum einiges ab, der Unterschied zu Glasner besteht jedoch darin, dass er das von ihm gewählte Medium Film dazu nutzt, seine Thesen über die Überflutung medialer Bildinhalte in unserer heutigen Gesellschaft zu formulieren. Genau das stellt einen Dialog zum Zuschauer her, der sich während des Films und danach fragen wird, wodurch der über den Rücken laufende kalte Schauer, das sich in der Magengrube verfestigende Gefühl äußersten Unwohlseins ausgelöst wurde. Durch seine Darstellung von Gewalt konfrontiert er das Publikum mit seiner eigenen Erwartungshaltung an das Kino. Daraus kann ein Nachdenken erwachsen, dass Distanz ermöglicht. So erwischt man sich bei der Frage, ob man auf die konsequenterweise ziemlich in der Mitte platzierte erschütternde Szene des Suizids in Hanekes letztem, seltsam stillen und nur von wenigen sich ändernden Bildfolgen und starken Dialogen getragenen Film Caché (F, 2006) nicht unbewusst gewartet haben mag.

Glasner dagegen benutzt das Medium, um eine Geschichte zu erzählen, bei der es sich fragt, ob wir sie in dieser Weise brauchen. Die Bilder treffen mit brachialer Gewalt auf die Sinne des Zuschauers. Er hat, außer er verlässt diesen Film, keine Möglichkeit ihnen auszuweichen. Während Haneke das Publikum anregt, noch während des Kinobesuchs über den eigenen Voyeurismus zu reflektieren, betreibt Glasner diesen in unerträglicher Weise. Das liegt zu großen Teilen an der Verwechslung von Begriffen. Entblößung ist nicht dasselbe wie Offenbarung. Authentizität das Gegenteil von Identifikation. Die unbedingt gewollte „Wahrhaftigkeit“ seiner Bilder gerät zum Missbrauch des Publikums. Warum erscheint mir die letzte Szene, in der Theo Selbstmord begeht und Nettie ihren Schmerz nur noch wie ein Tier herausschreien kann, so unglaubwürdig? Weil ich dieses Ringen um Authentizität nicht mehr ertrage, nicht noch mehr Rotz und Tränen sehen will? Weil ich diesen Gefühlsausbruch nicht glauben kann, ihn als aggressiv empfinde und davon in den letzten drei Stunden einfach zuviel bekommen habe? Weil er so, wie er gezeigt wird, nicht mehr mit der Figur der Nettie übereinstimmt? Das mögen subjektive Wahrnehmungen sein. Trotzdem: Dieser Film, der vorgibt, leise das Psychogramm eines Mannes mit einer zutiefst schwierigen Lebensgeschichte nachzeichnen zu wollen, wird an einigen Stellen unerträglich laut. Dann scheint sich die Übergriffigkeit des Täters auf den Film selbst und von diesem auf das Publikum zu übertragen. Es ist anzunehmen, dass Glasner diese Wirkung einberechnet hat, dass es ihm gerade darum ging. Daraus erwächst aber ein für mich unauflösbarer Widerspruch, der zu der eingangs gestellten Frage zurückführt. Worum geht es in diesem Film? Es geht hierbei nicht um die Bewertung, ob eine solche Geschichte kinotauglich ist. Das ist sie zweifellos und sie wird nicht das erste Mal erzählt. Aber wenn man sich eines solchen schwierigen Stoffes annimmt, dann sollte man seiner Mittel sicher sein. Was dem Film fehlt, ist eine Ebene, auf der der Regisseur über den Inhalt reflektiert. Es gibt einige Momente in diesem Film, in denen das gelingt. Es sind jene Szenen, in welchen Dargestelltes und Darsteller als Einheit fungieren. In der vorderen Mitte des Films zeigt Glasner die erste Verabredung zwischen Nettie und Theo im dunstig gelben Licht eines öden Stadtcafés. Netties Spruch, sie sei auf Männer nicht gut zu sprechen und Theo könne sich jede Anmache sparen, kommentiert er mit den Worten: „Das macht nichts, ich mag Frauen auch nicht besonders.“ In diesem Moment erreicht der Film die von ihm angestrebte Aufrichtigkeit, weil die Verzweiflung Theos, sein Wissen um sein Anderssein in einer Weise deutlich werden, die berührend ist. In solchen Momenten ist Der freie Wille ein leiser, behutsam beobachtender Film, der zwischen sich und dem Zuschauer den nötigen Platz lässt. Am Ende wird er leider wieder sehr laut, obwohl es dazu gar keiner Worte bedarf. Das Ende ist nicht der Abspann, es erscheint unmöglich, aus dem Kino zu treten und sich wieder auf die Außenwelt zu besinnen. Die Direktheit und Distanzlosigkeit dieses Films halten den Zuschauer fest. Gewaltsam.

  • Der freie Wille. R: Matthias Glasner; D: Jürgen Vogel, Sabine Timoteo, André Hennicke, Manfred Zapatka, Judith Engel, Anna Brass, Anne-Kathrin Golinsky, Maya Bothe, Frank Wickermann, Anna De Carlo, Bernardette Büllmann, Andreas Laurenz Maier. K: Matthias Glasner. S: Matthias Glasner, Judith Angerbauer, Jürgen Vogel. P: schwarzweiß filmproduktion, Colonia Media Filmproduktion / Label 131. 163 min., 2006.

 

Hinweise

RICHTER, Dörte: Pornographie oder Pornokratie? Frauenbilder in den Filmen von Catherine Breillat. Berlin: Avinus Verlag 2006. ISBN 3-930064-55-3. 136 Seiten.

Endnoten    (↵ returns to text)

  1. www.derfreiewille.de, 12.10.06, 20:30 Uhr.
  2. „Meine Antriebskraft ist der Schmerz. Jürgen Vogel im Gespräch mit Alice Schwarzer”, in: Emma 5/2006, S. 20-25, hier: S. 22.
  3. Ebd. S. 21.
  4. Vgl. dazu: Kerstin Decker: „Die Schneewittchenfilmer. Arslan, Petzold, Schanelec: ein Symposium über die Neue Berliner Schule”, in: Tagesspiegel, 2.10.2006.
  5. „Ist es ein Regisseur oder ist es ein Irrer?“ Interview mit Michael Haneke über seinen Film „Code unbekannt“, 12.10.2006, 20:00 Uhr.
  6. Vgl. Anm. 2, S. 21.

Allendorf, Leif: Nichts, was Sie sehen, geschieht in Echtzeit. Über die Schwierigkeit, den Verlauf der Zeit synchron wiederzugeben, 17.03.08

Wer war der erste, der eine Geschichte in Echtzeit erzählte? Sie werden es nicht glauben – Heinrich von Kleist. Es handelt sich um die Anekdote aus dem letzten preussischen Kriege von 1810. Der Regisseur Zoltan Spirandelli drehte 1995 einen achtminütigen Film, bei dessen Kinovorführung ein Sprecher den Kleist-Text vorlas. Das Ergebnis: Der gesprochene Text beschrieb exakt die im Film gezeigten Aktionen. “Dieser Kerl, sprach der Wirt, sprengte, ganz vom Staub bedeckt, vor meinen Gasthof, und rief: ‘Herr Wirt!’ und da ich frage: was gibt’s ‘ein Glas Branntewein!’, antwortet er, indem er sein Schwert in die Scheide wirft: ‘mich dürstet.’ Gott im Himmel! sag ich: will er machen, daß er wegkömmt? Die Franzosen sind ja dicht vor dem Dorf! ‘Ei was’ spricht er, indem er dem Pferde die Zügel über den Hals legt. ‚Ich habe den ganzen Tag nichts genossen!’ Nun, er ist, glaube ich, vom Satan besessen-! He! Liese! ruf ich, und schaff ihm eine ganze Flasche Danziger herbei, und sage: da! und will ihm die ganze Flasche in die Hand drücken, damit er nur reite.“

Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl und Fräulein Else

In der Moderne ist die Suche nach der synchron erzählten Zeit eng verknüpft mit dem so genannten inneren Monolog.

Arthur Schnitzlers 1901 erschienene Erzählung Leutnant Gustl sowie Fräulein Else machen hier den Anfang. Aus letzterer ein Zitat: „Da ist ja die Tür. – Dorsday! Ich falle um. Dorsday! Dort steht er am Fenster und hört zu. Wie ist das möglich? Ich verzehre mich – ich werde verrückt – ich bin tot – und er hört einer fremden Dame Klavierspielen zu. Dort auf dem Divan sitzen zwei Herren. Der Blonde ist erst heute angekommen. Ich hab’ ihn aus dem Wagen steigen sehen. Die Dame ist gar nicht mehr jung. Sie ist schon ein paar Tage lang hier. Ich habe nicht gewußt, daß sie so schön Klavier spielt. Sie hat es gut. Alle Menschen haben es gut … nur ich bin verdammt… Dorsday! Dorsday!“ Zwischen den Zeilen sind die Partituren eines Klavierstücks von Schumann wiedergegeben. Zehn Takte, die während jenes Selbstgespräches im Zimmer gespielt werden.

James Joyce: Ulysses

Ein Tag hat 24 Stunden, das entspricht 1440 Minuten. Da das Lesen einer Buchseite etwa zwei Minuten dauert, würde ein Roman in Echtzeit also 720 Seiten haben. Das entspricht ungefähr der Länge von James Joyce Epos Ulysses, das 1922 erschien. Im Nausikaa-Kapitel dort heißt es: „Mr. Bloom sah ihr nach, wie sie davonhumpelte. Armes Mädchen! Deswegen also war sie auf dem Felsvorsprung sitzen geblieben, als die anderen einen Wettlauf machten. Dacht ich mir doch gleich, daß da irgendwas nicht stimmte, ihrem Gesichtsausdruck nach. Sitzengelassene Schönheit. Bei Frauen ist so ein Mangel gleich zehnfach schlimm. Aber macht sie gefällig. Bin ja bloß froh, daß ichs nicht gewußt hab, wie sie sich da produzierte. Trotzdem, ein kleiner heißer Teufel. Würde sich bestimmt nicht lange zieren. Kriegt man direkt Neugier drauf, wie auf ne Nonne oder ne Negerin oder ein Mädchen mit Brille.“

Virginia Woolf: Mrs Dallowayund Zum Leuchtturm

Aber Joyce tut nur selten so, als versuche er eine adäquate Abbildung des Bewusstseinsstroms. Der Großteil des Romans wird mit Stil- und Sprachklamauk bestritten. Fünf Jahre später lotete Virginia Woolf die Möglichkeiten ihres ganz persönlichen Sekundenstils aus. Hatte sie zuvor in Mrs Dalloway einen ganzen Tag im Rahmen eines üblichen 200-Seiten-Romans geschildert, besteht der erste Teil des 1927 erschienenen Buches Zum Leuchtturm auf einer 130-seitigen Schilderung eines Nachmittags. „Also saßen sie schweigend. Dann wurde sie sich bewußt, daß sie wollte, daß er irgendetwas sagte. Irgendetwas, irgendetwas, dachte sie, während sie weiterstrickte. Irgendetwas reicht schon. (…) Sag doch etwas, dachte sie, weil sie sich sehnte, nur seine Stimme zu hören. Denn der Schatten, das Ding, das sie beide einschloß, begann, so merkte sie, sich wieder um sie zu legen. Sag doch irgendetwas, bat sie, und schaute ihn wie hilfesuchend an. Er schwieg und ließ den Kompaß an seiner Uhrkette hin und her schwingen, während er an Scotts Romane und Balzacs Romane dachte.“ In der quälenden Langsamkeit tauchen immer wieder die gleichen Sätze auf. Eine Berücksichtigung dessen, dass wir, wenn der Strom unseres Gehirns aufgezeichnet würde, kein Drehbuch erhielten, sondern sich endlos wiederholende Lamentationen.

Der US-Film Gegen die Zeit mit Johnny Depp nahm sich erstmals im Film des Themas an. Der biedere Geschäftsmann, dessen Tochter gekidnappt wurde, soll in den nächsten neunzig Minuten einen Menschen töten, sonst stirbt das Mädchen. Anderthalb Stunden hart geschnittenes, solide erzähltes Krimikino. Der formale Griff mit der Übereinstimmung von erzählter und erlebter Zeit – so dies überhaupt übereinstimmt – fällt nicht auf.

Als Film in Echtzeit, oder sagen wir, simulierter Synchronzeit, ließe sich da eher Tom Tykwers Kinoerfolg Lola rennt bezeichnen. Die Heldin läuft in dem Tempo, das die Handlung vorgibt. Umgekehrt bestimmt sie mit ihrem Lauf die Geschwindigkeit der Geschehnisse.

Kiefer Sutherland in 24

Und nun: 24. Ein halbes Dutzend Regisseure und ein ganzes Dutzend Drehbuchschreiber lassen Schauspieler Kiefer Sutherland monatelang durch einen Fall laufen, der angeblich nur vierundzwanzig Stunden dauert. Hier zeigt sich das bizarre Gesetz der Fernsehserie überdeutlich: Es muss dauernd etwas passieren, Autoreifen quietschen, Schüsse krachen, Türen knallen, Flüche schallen. Aber gleichzeitig muss die Handlung auf der Stelle treten, weil sonst der Spaß schnell vorbei wäre. Wiederholt beteuert Agent Bauer, wie er sich um seine Familie sorgt. Die Belegschaft der Antiterrorbehörde ist hauptsächlich damit beschäftigt, gegen den Büronachbarn zu intrigieren. Der schwarze Präsidentschaftskandidat beteuert, dass ehrlich doch am längsten währt. Und zwar um sieben, um acht und um neun – und noch viele Male. Bösartigerweise könnte man dies mit Dialogen aus Gute Zeiten – schlechte Zeiten vergleichen, wo ein Laienschauspieler zum anderen Laienschauspieler sagt: Du kannst doch den Brief nicht vor mir verstecken! Der andere sagt: Ich wollte dich nur schonen. Der erste: Aber der Brief ist an mich adressiert! Der andere: Ich dachte, es wäre besser für dich. Der erste: Und dann versteckst du einen Brief für mich? Und so weiter, bis die Sendezeit totgeschlagen ist.

Fazit: Die Darstellung „in Echtzeit“ ist in der Literatur nur momentweise möglich. Aber auch im Film, der ja eigentlich prädestiniert sein müsste für eine synchrone Darstellung der Zeit, ist die Synchronität eine Fiktion. Das sieht man, wenn die die wirklichen Echtzeit-Filme betrachtet: Das Super-8-Video von Onkel Karls Ostseeurlaub.

Quellen

Bücher

Filme

  • Gegen die Zeit. USA 1995. Regie: John Badham. Mit Johnny Depp und Christopher Walken.
  • Lola rennt. D 1998. Regie: Tom Tykwer. Mit Franka Potente und Moritz Bleibtreu.
  • 24. USA 2001. Regie: div. Mit Kiefer Sutherland und Sarah Clark.

Über T. Gilliams ‚Brothers Grimm‘

Besprochenvon Leif Allendorf

  • Brothers Grimm (The Brothers Grimm), Regie: Terry Gilliam, Produktion: Großbritannien, Tschechien 2005, Laufzeit: 119 Minuten.

Die Gebrüder Grimm gehören zu den erstaunlichsten Personen der Geistesgeschichte. Das von ihnen erstellte Wörterbuch kann sich in seiner Wirkung auf die deutsche Sprache mit Luthers Bibelübersetzung messen. Bekannt sind jedem Kind – nicht nur in Deutschland – die Märchen, die von den Brüdern gesammelt und damit gerettet wurden. Was wäre diese Welt ohne die Geschichten von Rotkäppchen, Dornröschen und Schneewittchen?

Wenn ein Filmemacher wie Terry Gilliam, den man in seiner Heimatsprache als „sophisticated“ bezeichnen könnte, die Geschichte dieser Brüder thematisiert, muss er damit rechnen, dass die Erwartungen hoch sind. Ob ihm dies bewusst war oder nicht: „Brothers Grimm“ – bezeichnenderweise wagte der Verleih es nicht, das Werk auf deutsch als „Gebrüder Grimm“ zu verkaufen – gelingt es, jede Erwartung zu enttäuschen. Als Komödie ist der Film nicht witzig genug, für ein Märchen besitzt er nicht genug Seele, die Action ist mäßig, nur die Kulissen sind eindrucksvoll. Leider hat man diesen Hexenwald bei „Sleepy Hollow“ von Tim Burton schon gesehen.

Perfide: Frankreich als repressive Unterdrückungsmacht

Besonders ärgerlich aber ist die einzige Aussage, zu der sich „Brothers Grimm“ dann doch entschließen kann: die historische. Zwar ist das Thema sozialgeschichtlich weitgehend entkernt. Die übrig bleibende Botschaft lautet: Deutschland ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein von der französischen Besatzungsmacht geknechtetes Land. Illustriert wird diese perfide Darstellung von der Knattercharge General Delatombe (Jonathan Pryce), einem willigen italienischen Handlanger des fremden Regimes. Keine Rede davon, dass die napoleonischen Truppen den Code Civil, also erstmals so etwas wie einen Kanon unveräußerlicher Menschenrechte, nach Deutschland brachte. Man stelle sich vor, im 22. Jahrhundert wird ein Film gedreht, der Deutschland nach Kriegsende 1945 als unschuldiges, von tyrannischen US-Besatzern unterdrücktes Volk zeigt.

Kasperletheater statt gelungener Genrefilm

Die Märchen von Prinzen und Bettlermädchen, von Knechten und Königstöchtern sind unter anderem Ausdruck des jahrhundertealten Traumes kleiner Leute, aus ihrem Elend herauszukommen. Doch Gilliam interessiert das nicht. Er wärmt stattdessen die Geschichte von den Budenzauberern auf, die unverhofft mit wirklicher Magie konfrontiert werden. Auch das haben wir in „Sleepy Hollow“ schon gesehen – mit dem Unterschied, dass Johnny Depp ein besserer Schauspieler ist als Matt Damon und Heath Ledger in diesem Film, und Tim Burton seine Genrefilme souveräner inszeniert als Terry Gilliam.

Was bleibt ist das Spiel von Monica Belucci, die von je her den Flair einer Schaufensterpuppe ausstrahlt. Verschenkt wird bei diesem „Spieglein, Spieglein an der Wand“ auch das Talent von Lena Headey, die immerhin einen guten weiblichen Robin Hood a lá Keira Knightley abgibt.
Ärgerlich an dieser uninspirierten Plünderung archaischer Motive ist ihre Oberflächlichkeit. jeder US-amerikanische Halloween-Kürbiskopf-Massaker-Film besitzt mehr Tiefe als das Kasperletheater von „Brothers Grimm“.

Richter, Dörte: Leben auf der Durchfahrtstraße. Über ‚Yella‘ von Christian Petzold, 28.01.08

Ein Mann und eine Frau. Ein Anfang, der ein Ende ist und dazwischen eine Geschichte. Eine Geschichte, die im Hier und Jetzt spielt, zugleich im Innen und Außen, in der Vergangenheit und in der Zukunft und der auf eigentümliche Weise eine Gegenwart fehlt, obwohl sie nichts anderes als Alltag zu erzählen scheint.

Auf den ersten Blick ist Christian Petzolds neuer Film Yella die Geschichte einer Frau, die aufbricht, die kleine ostdeutsche Stadt Wittenberge verlässt, um im Westen, in Hannover, ihr Glück zu versuchen. Sie lässt einen Vater zurück und einen Ehemann mit Schulden. Sie geht weg, und da, wo sie hinwill, kommt sie nie an. Die Firma, die sie einstellen soll, ist pleite, ihr Leben im Hotelzimmer trostlos. Ein Hoffnungsschimmer ist die Begegnung mit Philipp, dem Banker, der seinen Kunden für viel Geld Patentrechte abkauft. Er bietet ihr an, in sein Geschäft miteinzusteigen, Yella stimmt zu und gemeinsam bilden sie ein betrügerisches Duo. Sie verlieben sich ineinander und doch ist am Ende alles wie vorher, nur noch schlimmer.

So könnte man, wenn man es wollte, den Film schildern und käme doch nur einem Bruchteil des erzählten Stoffes nahe. Vielmehr als die Geschichte einer Flucht aus einem vergangenen Leben in die Hoffnung auf ein Neues, ist Yella ein hochintelligenter Film, der bis zum Äußersten die Wahrnehmungsgrenzen und Aufnahmefähigkeit des Publikums austestet. Christian Petzold ist ein Experte auf dem Gebiet der Darstellung des Unbewussten und wie kein anderer deutscher Regisseur bedient er sich dabei mit präziser Sicherheit des Mediums Film. So gelingt es ihm bei gleichzeitig stringenter Erzählweise, die Spannung dadurch zu forcieren, dass die Zuschauer bis zum Schluss im Unklaren gelassen werden. Er fordert die Aufmerksamkeit des Publikums in hohem Maße heraus, verwirrt, zitiert und verweist auf Verknüpfungen. Damit zwingt er das Publikum in die Zeugenschaft und zu der Erkenntnis, dass sich unter der Oberfläche der gesehenen Bilder eine zweite, entsetzliche und ganz und gar andere Geschichte verbirgt.

Im gern auftrumpfenden, zuweilen tönenden deutschen Kino gehört Christian Petzold zu den stillen Erzählern. Ihm gelingt, was sonst nur der französische Film auf faszinierende Weise immer wieder neu hervorbringt – die Darstellung des Alltäglichen, Immerwiederkehrenden, der Rituale und Abläufe, in die jeder Mensch auf ganz unterschiedliche Weise eingebunden ist. Zugleich offenbart er die Lücken und Zwischenräume eines auf den ersten Blick so gewöhnlich erscheinenden Alltags. Sind die Szenen in jener Stadt, die Yella zu verlassen gedenkt, von sonnenbeschienener Leere geprägt, so steht Hannover, die Stadt, in die sie vor dieser Eintönigkeit flieht, für das Durchschnittsmaß deutscher Städte ohne eigenes Profil. Es könnte auch Düsseldorf sein, oder Delmenhorst. Aufnahme folgt auf Aufnahme, in denen nichts weiter als spiegelverglaste Fassaden unterschiedlicher Büro- und Hoteltürme zu sehen sind. Dahinter geht das Spiel weiter. Das Fassadenhafte verlagert sich nach innen, in die Menschen, die in durchschaubarer Verabredung von Gesten und Handlungen ihr Überleben zu sichern versuchen. Ein riskantes Spiel mit mehrfacher Doppelbödigkeit, in dem es um Existenielles geht: Austauschbarkeit oder Individualität.

Dieser Film ist nach Toter Mann (2001) und Wolfsburg (2003) die nunmehr dritte Zusammenarbeit von Christian Petzold und Nina Hoss, die dafür im Februar auf der Berlinale den Silbenen Bären als „Beste Darstellerin“ erhielt; eine vierte, der Film „Jerichow“, soll folgen. Diese Zusammenarbeit gehört zu den glücklichsten überhaupt im aktuellen deutschen Film, was möglicherweise daran liegt, dass der Zugang zu einem Stoff und der daraus zu erzählenden Geschichte von Regisseur und Hauptdarstellerin auf erstaunlich ähnliche Weise gesucht und gefunden wird. Nina Hoss, man muss es so sagen, gehört auf der Theaterbühne wie im Film zu den präzisesten Schauspielerinnen, die es gibt. Ihr ist es möglich, eine Figur so hochkonzentriert zu spielen, dass diese im selben Moment ein Gefühl und sein Gegenteil verkörpert. So fremd wie ihr Name bleibt uns ihre Yella, und doch vermag man ihr Handeln nachzuvollziehen, weil Nina Hoss die Wahrhaftigkeit der Widersprüche ihrer Figur darzustellen weiß. Wer ist diese Yella? Eine Frau von Anfang dreißig, mit noch ausreichender Kraft für einen Neubeginn, zugleich belastet von Erfahrungen und Schuld, ruhelos und abgebrüht zugleich, in ihrer Präsenz einschüchternd und hilfsbedürftig.

Doch will der Film diese Frage überhaupt beantworten? Mehr als alles andere fungiert Yella als filmisches Prinzip der Abwege und Störungen. Der Zuschauer wird aufgefordert, ihrer kaleidoskopartigen Persönlichkeit nachzugehen und damit zugleich den Film in seinem Kopf Stück für Stück zusammenzusetzen. Hinweise bekommt er zuhauf geliefert, nur offenbaren diese sich als solche erst in der Rückschau. Woher hat Yella diese enorme sensitive Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen, die kein anderer bemerkt? Was löst sie in der Begegnung mit anderen Menschen aus, was wird in ihr erkannt? Woher diese eigentümliche Nähe zum Wasser? Das Leben, in das sie hinein gerät, ist eines voller Ruhelosigkeit, verbracht in Zügen und auf langen Autofahrten, in Sitzungsräumen und Hotelzimmern. Ein Leben dazwischen, einer Zeit und einem Ort eigentümlich enthoben. Folgt man den zahlreich verwendeten Metaphern in diesem Film, erzählt er die Tatsache, dass kein Alltag ohne Vergangenheit zu erleben ist, dass Gefühle aus früheren Zeiten ein Weggehen verhindern können, dass Schuld – reale oder projizierte – jemanden bis an den Rand des Wahnsinns zu treiben vermag.

Zwischenwelten oder miteinander verschränkte Wahrnehmungs- und Realitätsebenen sind von Beginn an Themen der Filme von Christian Petzold. In Die innere Sicherheit dringt die reale Welt der neunziger Jahre massiv in die selbstgezimmerte Autonomie eines seit 15 Jahren im Untergrund lebenden Terroristenpärchens. Die Konfliktverschärfung und der unaufhaltsame Zusammenprall innerer und äußerer Lebenswelt personfiziert sich in der von Julia Hummer dargestellten pubertierenden Tochter, dem, neben den altgedienten und schal gewordenen Überzeugungen, so offensichtlich realen Überbleibsel einer anderen Zeit. In seinem vorletzten Film Gespenster verschränkt Petzold das Leben einer Mutter, die ihre Tochter als Kleinkind verlor, mit dem Leben eines halbwüchsigen Mädchens, das ihre Tochter sein könnte. Zwei Geschichten, die zusammenpassen könnten und es am Ende nicht tun. Beide Figuren sind füreinander, was sie nicht sein können – Bedrohung und Stütze zugleich.

Christian Petzold lockt auf Fährten, lässt den Zuschauer die Hoffnungskeime seiner Figuren ebenso erspüren wie die darauffolgenden Enttäuschungen und verfällt doch niemals in ein larmoyantes Erzählen.Die wahrgenommenen Zwischenwelten seiner Figuren sind Wunschorte, die aus dem Unvermögen, die Realität so wahrzunehmen wie sie ist, resultieren. Dieses Unvermögen, zugleich als Begabung erzählt, durchzieht als Thema seine Filme, ebenso wie ein erfreulich wiederkehrendes und doch jeweils ganz andere Figuren verkörperndes Schauspielensemble, das selbst die kleinste Nebenrolle hochkarätig ausfüllt. Herausragend Devid Striesow als Philipp und Hinnerk Schönemann als Yellas verzweifelter Ehemann, ebenso aber auch Barbara Auer und Burkhard Klausner als Ehepaar, das von ihr erpresst wird.

 

Yella ist ein Film, der Ruhelosigkeit und Stillstand als zwei Enden dessen, was man Leben nennen mag, erzählt. Der Wunschort, an den sich die Hauptfigur begibt, ist eine Zeitschleife. Wer sagt uns, dass es das nicht gibt? Als Möglichkeit eines befristeten Auswegs, als letzte Hoffnung?

Hierlwimmer, Heike Anna: Großes Erbe und kleine Überraschungen. Thematische Tendenzen des britischen Kinos nach 1980, 11.01.08

Wenn es um britisches Kino nach 1980 geht, ist zunächst einmal dessen viel beschworene Renaissance zu nennen, die sich zu Beginn der 1980er Jahre vor allem an internationalen Festival- und Kritiker-Erfolgen (wie zum Beispiel den Oscar-Auszeichnungen für Chariots of Fire 1982) festmacht, sowie an steigenden Besucherzahlen, die sich Ende des Jahrzehnts wieder der 100 Millionen-Grenze nähern.[1] Dass diese Besucherzahlen bzw. die Spielpläne britischer Kinos per se zunächst noch nichts über die Produktion oder Rezeption britischer Filme aussagen, wurde im Beitrag von Thomas Weber bereits ausführlich erläutert.

Die Voraussetzungen, unter denen Kinofilme produziert werden, die staatlichen Rahmenbedingungen, Finanzquellen, Studiostrukturen usw., bestimmen das Aussehen, den Inhalt und die Zahl der Filme, die – in Großbritannien oder anderswo – tatsächlich gemacht werden, selbstverständlich in ganz entscheidender Weise. Die überwältigende Dominanz Hollywoods, die Subventionskürzungen unter der Torie-Regierung, aber auch die positiven Impulse von Channel 4 wurden in diesem Zusammenhang bereits von Herrn Weber erwähnt. Nach der Frage, welche Filme wann, warum, von wem, und mit welchen Geldern produziert werden, sollte aber immer auch die Frage gestellt werden, welche Filme wann von wem besonders gerne gesehen werden, und woran das wohl liegen könnte.

Das Publikum besitzt noch immer die größte Macht in der Filmindustrie – ohne Publikumserfolge haben Studios oder Independent-Producer keine Aussicht auf eine Amortisierung ihrer Kosten, keine Rücklagen für neue, evtl. riskantere Projekte, keine Gelder für aufwendige Marketing-Kampagnen usw. Im schlimmsten Fall kann eine einzige gefloppte Big-Budget-Produktion einem Studio bereits die Existenzgrundlage rauben. Leider – oder zum Glück – ist der Geschmack des Publikums im Filmgeschäft von jeher eine nahezu unkalkulierbare Größe, die den Filmproduzenten sowohl gigantische Pleiten als auch unverhoffte Mega-Erfolge bescheren kann. Bei meinen Ausführungen zum British Cinema liegt das Hauptinteresse daher auf denjenigen Filmen, die von einem Kinopublikum irgendwo auf der Welt als „typisch britisch“ oder „typisch englisch“ wahrgenommen und rezipiert werden. Die Frage, die sich hier konkret stellt, ist also nicht, ob es überhaupt ein britisches Kino gibt, sondern die, anhand welcher Kriterien verschiedenes Kinopublikum zu dem Schluß kommen können, einen „britischen Film“ gesehen zu haben. Entscheidend ist dabei nicht, ob diese Kriterien von „Britishness“ einer wie auch immer nachprüfbaren politischen, historischen oder filmindustriellen „Realität“ oder Faktenlage entsprechen, sondern die Tatsache, dass die Masse der Zuschauer einen Film subjektiv als britisch wahrnimmt und auch ohne jede kritische Relativierung von seiner (quasi „naturgegebenen“) „Britishness“ sprechen würde.

Die beliebtesten Genres beim britischen Kinopublikum sind in den 1980er und 1990er Jahren Komödien, Sozialdramen und Literaturverfilmungen – wobei letztere eine enorm große und extrem heterogene Gruppe bezeichnen, denn hierzu gehören streng genommen historische Heritage Filme ebenso wie ein radikal moderner Film à la Trainspotting, der auf einer Romanvorlage von Irvine Welsh basiert). Keines dieser Genres ist zu Beginn der 1980er wirklich neu. Komödien waren in Großbritannien (und anderswo) immer schon sehr populär und oftmals besonders national gefärbt,[2] die Literatur des klassischen Kanons wurde ebenfalls immer schon gerne verfilmt, und Filme mit sozialkritischen Themen sind spätestens seit den „kitchen sink dramas“ der 1950er und 1960er Jahre und dem Einfluß der „angry young men“ aus der Literaturszene[3] ebenfalls keine revolutionäre Neuheit mehr. Etwas salopp formuliert, könnte man die inhaltliche Entwicklung des jüngeren British Cinema insofern als eine Mischung aus dem „Glanz der Vergangenheit“ und ein paar Überraschungserfolgen bezeichnen.

Das Genre mit dem größten bleibenden Einfluß im britischen Kino und zugleich das Aushängeschild schlechthin zum Thema „Glanz der Vergangenheit“ ist dabei sicherlich das Heritage Cinema.[4] Es handelt sich hierbei um eine Reihe von „quality historical films“[5] oder aufwendigen Literaturverfilmungen, die häufig auf Romanvorlagen, besonders von E. M. Forster, basieren.[6] Einige Kritiker haben diese Filme (Chariots of Fire, A Passage to India, A Room with a View, Howard’s End, The Remains of the Day u.a.) als symptomatische Auswüchse des Thatcherism betrachtet – sie seien geprägt von der Flucht in eine idealisierte Vergangenheit und einer Ignoranz aktueller Probleme, verbunden mit einer konservativen Beschwörung eines glanzvollen gemeinsamen Erbes. Auffällig ist in jedem Fall, dass die Heritage Filme parallel zum Boom der britischen Heritage Kultur entstehen, in deren Rahmen Landsitze, Parks und Kunstsammlungen als nationale Kulturgüter bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.[7]

Genauso viele Kritiker haben allerdings durchaus kritische Untertöne in Heritage Filmen entdeckt oder darauf hingewiesen, dass diverse, auch subversive Lesarten ein und desselben Films oder Themas möglich sind.[8] Insbesondere der Umgang der Filme mit Sexualität und vor allem mit Andeutungen von Homosexualität wurde im Bereich der Queer Studies oft positiv bewertet. Interessant ist hierbei auch die These, dass die vernichtende Kritik am „seichten“, bei Frauen besonders beliebten Heritage Cinema fast ausschließlich von heterosexuellen Männern geäußert wurde, und zwar deshalb, weil die Filme – ähnlich wie der ‚woman’s film’ und das Melodrama der 1930er und 1940er Jahre – eine spezifisch weibliche Sichtweise instrumentalisierten und „feminine reading competence“ erforderten.[9]

Doch was macht diese Filme „typisch britisch“ (in dem Fall sogar typisch englisch) oder unterscheidet sie zumindest von herkömmlichen Hollywood-Produktionen? Die am häufigsten genannten Merkmale sind die folgenden:[10] Heritage Filme beziehen ihre Stoffe aus historischen oder literarischen Vorlagen, die dezidiert als wertvolles nationales Kulturerbe inszeniert werden und eine Nähe zur Kunst und zum „guten Geschmack“ suchen. Sie arbeiten oft mit einem wiederkehrenden Ensemble renommierter britischer Schauspieler (zunächst waren dies Helena Bonham Carter, James Wilby, Anthony Hopkins, Hugh Grant; später kamen u.a. Emma Thompson, Kate Winslet, Judi Dench, Maggie Smith, Colin Firth hinzu), bei denen eine Affinität zum Theater, zum hochwertigen Schauspiel, und nicht zuletzt eine gehobene englische Diktion hervorgehoben wird. Dennoch stehen selten einzelne Schauspieler als Stars im Mittelpunkt – die Betonung liegt auf der Qualität und dem perfekten Zusammenspiel des gesamten Ensembles. Inhaltlich sind komplexe soziale Beziehungen mindestens ebenso wichtig wie Einzelschicksale; Dialoge und Charakterstudien sind wichtiger als Tempo, Action und spektakuläre Effekte; mis-en-scène und Visualität sind wichtiger als eine straffe, spannungsbetonte Narration (Sarah Street spricht sehr anschaulich von einer „display of history as spectacle via a pictorialist camera style“, 103); und meist wird versucht, die Literaturvorlage möglichst „original“ und authentisch umzusetzen (Ausnahmen bestätigen die Regel, z.B. Eingriffe am Plot). Die enorme historische Detailtreue – im Gegensatz etwa zu vielen Historienfilmen – in puncto Kostüme, Requisite, Set Design etc. wird dem Heritage Cinema oft sogar zum Vorwurf gemacht.

Alle Heritage Filme sind geprägt von einem Gefühl der Nostalgie, also der Sehnsucht nach einer irgendwie „schöneren“, besseren Vergangenheit.[11] Diese Nostalgie, die oft als Hauptanklagepunkt gegen die Filme erhoben wird, muß allerdings deutlich differenziert betrachtet werden: Erstens ist sie nicht Teil der persönlichen Erfahrung des Publikums (oder auch der am Film Beteiligten), sondern eine Vergangenheit, die von späteren Generationen konstruiert wird – oftmals im Gegensatz zum Blickwinkel des Autors, der die Originalvorlagen ja als zeitgenössische Szenen schilderte. Zweitens ist die Lust an prachtvollen Bildern, vergangener Schönheit und Eleganz auch gemischt mit kritischen Blicken auf soziale Ungerechtigkeiten (z.B. Frauenemanzipation, Homosexualität etc.), wodurch im Nebeneffekt zugleich die selbst erlebte Gegenwart aufgewertet wird. Drittens ist der Blick nicht auf eine „Gesamtschau“ vergangener Epochen gerichtet, sondern nur auf bestimmte Ausschnitte, und zwar immer auf das Leben der Eliten, der ‚upper middle’ bis ‚upper class’ bzw. Aristokratie. Die Masse der Zuschauer, die diese Filme lieben, ist also nicht nur historisch, sondern auch in ihrer persönlichen sozialen Situierung buchstäblich Welten vom Filmsetting entfernt – wodurch eine interessante Verquickung von „solidarischer“ Identifizierung mit den englischen Vorfahren einerseits und Bewunderung oder Verachtung sozial Höhergestellter andererseits entsteht.

Ein ganz ähnliches Phänomen erklärt womöglich auch den enormen Erfolg dieser Filme (dies gilt auch für neuere britische Produktionen, auf die ich noch kommen werde) in den USA, die dort oft sogar weit besser abschneiden als beim heimischen Publikum.[12] Dieses Phänomen ist die Faszination der US-Amerikaner für alles Europäische, besonders Britische, das den Nimbus von elitärer Vergangenheit, gewachsener, jahrhundertealter Kultur und Tradition besitzt und das in den USA entweder gar nicht vorhanden ist, oder zumindest nicht in dieser Ausprägung. Die Filme genießen beim US-Publikum damit einen beinahe „exotischen“ Reiz und appellieren zudem an die tief verwurzelte Haßliebe der Amerikaner zu ihrer europäischen Schwesternation.[13]

Nach dem ersten Heritage Boom starteten dann in den 1990er Jahren Emma Thompson und Kenneth Branagh eine weitere „Nostalgiewelle“, die vor allem Shakespeare-Dramen adaptierte (Henry V 1989, Much Ado About Nothing 1993, Othello 1995, Hamlet 1996). Auch diese „very british“ anmutenden Filme waren in den USA sehr erfolgreich. Die Verfilmung des englischen Literaturkanons von Shakespeare über Austen, Bronte, Dickens und Thackeray bis zu einer Reihe neuerer Oscar-Wilde-Adaptionen bleibt ganz offensichtlich ein Dauerbrenner – sowohl in Form von „rein“ amerikanischen Big-Budget-Produktionen der Hollywood Majors, als auch mit stärkerer britischer Beteiligung, und sei es nur durch das Schauspieler-Ensemble. Insbesondere Sense and Sensibility (1995) knüpft wieder kommerziell erfolgreich und in puncto Ästhetik, Ensemble und einer Mischung aus historischer Authentizität und mitfühlend-kritischer Ironie künstlerisch sehr gelungen an die Heritage Filme an;[14] selbiges gilt auch für die jüngste Austen-Verfilmung Pride and Prejudice (2005).

Neben diesen filmischen Anknüpfungspunkten an den Glanz der britischen Vergangenheit gab und gibt es aber, wie bereits angedeutet, immer wieder Überraschungserfolge des jüngeren britischen Kinos. Zwei ganz unterschiedliche, aber beide auf ihre Weise sehr britische Filme, sind Four Weddings and a Funeral (1994) und Billy Elliot (2000).

Der Channel 4/Working Title/Polygram-Produktion Four Weddings gelang das schier unmögliche, nämlich Publikum, Kritiker und Festivaljurys weltweit zu begeistern und einen ungeheuren finanziellen Erfolg zu erzielen (die Einspielsumme liegt über 244 Mio $) – und das mit einem vergleichsweise minimalen Budget von ca. 6 Mio $ und einem Ensemble ohne wirkliche „Kassenmagnete“, sprich Superstars. Der lose, episodenhafte Plot des Films handelt von einer Gruppe Freunde aus der britischen ‚upper-middle class’, die im Laufe eines Sommers bei vier Hochzeiten und einer Beerdigung zusammen kommen; der im Titel genannte Todesfall hatte sich bei einer der Hochzeiten ereignet. Im Wechsel zwischen beißender Ironie, schreiender Komik und tief bewegender Tragik verfolgt der Film die Irrungen und Wirrungen sämtlicher Filmfiguren bei ihrer Suche nach der großen Liebe, oder wenigstens nach einer soliden Partnerschaft oder einer standesgemäßen Beziehung. Der Protagonist Charles (alias Hugh Grant) und die Amerikanerin Carrie finden erst zueinander, nachdem sie bereits geschieden ist und er in letzter Sekunde vor der Trauung mit einer anderen geflohen war; nach ihren traumatischen Eheerfahrungen versprechen sie feierlich, einander nicht zu heiraten, und zwar für den Rest ihres Lebens.

Obschon der Film in der Gegenwart spielt, steht Four Weddings deutlich in der Tradition der Heritage Filme.[15] Hauptdarsteller Hugh Grant wurde durch den Heritage Film Maurice bekannt, es gibt ein exzellentes britisches Ensemble, britische Settings und die bekannte Faszination für die englische ‚upper class’, diesmal allerdings weitgehend frei von kritischen Untertönen bzw. Blicken auf andere Teile des sozialen Spektrums. Interessanterweise wurde der Film gerade auch in den USA zum Kassenschlager, obschon inhaltlich mit den uralten Konflikten zwischen „peinlichen“ Amerikanern und vermeintlich kulturell überlegenen Engländern gespielt wird, die dem Klischee der blasierten Snobs stellenweise vollauf gerecht werden. Neben solchen „alten“ Themen gibt es aber auch einen sehr modernen Umgang mit dem Thema Homosexualität, der in früheren Filmen so nicht denkbar gewesen wäre. Denn allem Mainstream-tauglichen, in Hochglanzoptik gefilmten Hochzeitsfieber zum Trotz, besteht das glücklichste Paar des Films lange Zeit aus den beiden (logischerweise unverheirateten) Männern Matthew und Gareth, deren tiefe und aufrichtige Liebe spätestens bei Gareths Beerdigung allen Anwesenden und Zuschauern deutlich wird.

Persönliche und partnerschaftliche Erfüllung wird hier also definitiv nicht zwangsläufig mit Heterosexualität, kirchlicher Trauung und der Institution Ehe gleichgesetzt. Allerdings werden im Abspann alle Figuren auf Schnappschüssen oder Hochzeitsfotos glücklich vereint mit ihren alten oder neuen Partnern gezeigt (nur die vom Schicksal gebeutelte Fiona ist lediglich in einer Montage mit Prince Charles (!) zu sehen). Der Tenor des Films – wahre Liebe kennt keine Grenzen, und es lohnt sich immer, auf die eine, große Liebe zu warten – ist also aus Hollywood-Liebeskomödien hinlänglich bekannt.

Wirklich „britisch“ wird Four Weddings aber (neben den genannten Heritage-Attributen) durch Anklänge an landeseigene Komödientraditionen im Film wie im Theater. Gemeint ist hier zum einen ein „typisch britischer“ Humor (nicht nur wegen des Gastspiels von Rowan Atkinson als chaotischem Pfarrer), und zwar eine Mischung aus Slapstick, „Schusseligkeit“, geschliffenen Dialogen voller Schlagfertigkeit, Wortwitz und trockener Ironie. Zusammen mit dem ‚upper class-setting’ und dem zentralen Thema des ‚match-making’ und des Geschlechterkampfes, zitiert der Film somit ganz deutlich Elemente der englischen Comedy of Manners, einer Theaterliteratur also, die von Noel Coward über Oscar Wilde bis zum Restoration Theatre am Ende des 17. Jahrhunderts zurückreicht.

An der Produktion von Billy Elliot waren u.a. die BBC, der Arts Council of England und, wie schon bei Four Weddings, Working Title beteiligt. Wieder handelt es sich um einen gigantischen Kassenerfolg (ca. 5 Mio $ Budget brachten in den USA knapp 22 Mio $, in Großbritannien knapp 17 Mio. Pfund Einspielsumme), und wieder wurde der Film mit Kritikerlob und Preisen förmlich überschüttet. Im Gegensatz zu Four Weddings spielt er jedoch am völlig anderen Ende des sozialen Spektrums, nämlich vor dem Hintergund eines Bergarbeiterstreiks in Nordengland im Jahr 1984. Billy Elliot zeigt soziale, kulturelle und politische Themen im Großbritannien der 1980er Jahre buchstäblich in ihrer ganzen Bandbreite, von der nordenglischen Bergarbeiter-Tristesse bis zur Elite-Tanzschule, vom schmutzigen Hinterhof bis zum angestrahlten Portal des Haymarket Theatre. Denn der Protagonist bricht aus seiner deprimierenden ‚working-class’ Herkunft aus und bekommt – anstatt wie sein Vater zu boxen – eine klassische Tanzausbildung an der Royal Ballet School.

Der Plot besitzt mehrere Nebenstränge, die im Gegensatz zu Billys Schicksal alle mehr oder weniger tragische Qualitäten besitzen. Billys Oma hängt, von Altersdemenz und anderen Gebrechen geplagt, ihren Jugendträumen nach, Tänzerin zu werden; sein Vater kämpft, nach dem frühen Tod seiner Frau verbittert, permanent gegen die finanzielle Katastrophe und die persönliche Demütigung an, als Bergarbeiter, Vater und Mann zu versagen bzw. schlicht überflüssig zu sein; und Billys Bruder versucht sich erfolglos mal als „angry young man“, mal als Macho oder heimliches Familienoberhaupt. Für die kettenrauchende Ballettlehrerin Mrs. Wilkinson ist Billy die erste (und vermutlich auch die vorerst letzte) positive Unterbrechung ihrer beruflichen und familiären Stagnation und Desillusionierung. Die Kinder in Billys Schule und Ballettklasse, die weniger Talent, Mut, Ehrgeiz und Förderung haben, werden, so suggeriert der Film, vermutlich die wenig erfreulichen Schicksale ihrer Eltern wiederholen. Nur für seinen besten Freund Michael, dessen Liebe zu Billy unerfüllt bleibt, gibt es ein echtes Happy-End, als er nach offensichtlich geglücktem Coming-out, mit schwulem Partner und Travestie-tauglichem Outfit in London Billys Schwanensee-Premiere erlebt.

Billy befreit sich aus dem väterlichen Arbeitermilieu, aus traditionellen Männerrollen, und aus der emotionalen Unterversorgung, die nach dem Tod seiner (ebenfalls musisch begabten) Mutter entstanden war. Wenn er tanze, so erzählt Billy dem Aufnahmekomitee an der Royal Ballet School, dann verschwinde er einfach: „I kind of disappear“. In dieser „Auflösung“ seiner bisherigen Persönlichkeit steckt jedoch eine Art „Neuentdeckung“, die Billy als beglückend und sehr intensiv erlebt, „like electricity“. Seine Entwicklung vom prädestinierten Underdog zu einem selbstbewußten, optimistischen jungen Künstler zeigt sich im Film häufig mit Bildern von Mauern oder verschlossenen Türen, gegen die Billy zunächst buchstäblich prallt, und die nach und nach von sich öffnenden Wegen, Ausblicken und Billys ersten Reiseerfahrungen abgelöst werden.

Besonders eindrucksvoll ist die (evtl. typisch britische?) Mischung aus bitterstem Sozialdrama und geradezu klassischer Tragik auf der einen Seite und einem komischen Spektrum auf der anderen Seite, das von Slapstick und Klamauk bis zu anrührenden und tragikomischen Momenten reicht.

Andere britische Filme, die ich als Komödien mit Mischcharakter bezeichnen würde, die aber zum Teil (aus welchen Gründen auch immer) nicht denselben Erfolg hatten, sind beispielsweise Little Voice (1998), The Full Monty (1997) und Love Actually (2003). So unterschiedlich diese drei Filme im einzelnen auch sind, zeichnen sie sich doch durch eine Reihe gemeinsamer Elemente aus, die in der Tradition des britischen Kinos und der britischen Kultur eine wichtige Rolle spielen: Erstens spielen hier britische Schauspieler mit dezidiert britischer Diktion (sei es nun Oxford English oder nordenglischer Arbeiterslang), viele davon sind aus Heritage Filmen bekannt. Zweitens haben die Filme oftmals eine episodenhafte narrative Struktur; in jedem Fall aber eine tendentiell langsamere, „entschleunigte“ Erzählweise, die ohne allzu viele Spezialeffekte, Action und Stunts auskommt. Drittens gibt es britische Settings (ob Kleinstadt, Landschaft oder Metropole) und britische (Populär-)Kultur von Pubs, Karaoke und britischen Popmusik-Klassikern im Soundtrack bis hin zu Zentren politischer Macht und royalistischer Prachtentfaltung, die mal ironisch gebrochen, mal explizit schwärmerisch zur Schau gestellt werden. Viertens ist in wirklich sämtlichen Filmen ein extrem geschärftes Bewußtsein für das immer noch intakte britische Klassensystem spürbar – und mitunter auch ein Aufbegehren dagegen. Fünftens leben alle Filme von einer möglicherweise typisch britischen Komik, die von lakonischer Ironie bis zu schwarzem Humor reicht. Sechstens und letztens gibt es wieder das bereits erwähnte Nebeneinander von tragischen und komischen, sozialkritisch-realistischen und romantisch bis märchenhaften Elementen. Alles zusammen ergibt eine besondere Genremixtur, die sicherlich nicht einfach zu klassifizieren ist, als eben solche für mich aber „typisch britisch“ zu sein scheint.

Literatur:

  • Helbig, Jörg. Geschichte des britischen Films. Stuttgart: Metzler, 1999.
  • Higson, Andrew. “British Cinema.” The Oxford Guide to Film Studies. Ed. John Hill and Pamela Church Gibson. Oxford UP, 1998: 501-509.Hill, John. British Cinema in the 1980s: Issues and Themes. Oxford: Clarendon Press, 1999.Street, Sarah. British National Cinema. London and N.Y.: Routledge, 1997.

Statistische Angaben zu Einspielergebnissen u.ä. sind den entsprechenden Sites zum jeweiligen Filmtitel in der Filmdatenbank www.imdb.com entnommen.

Endnoten    (↵ returns to text)

  1. vgl. Helbig, S. 270 ff.
  2. vgl. Street, S.  46-59.
  3. vgl. Street, S. 79 f.
  4. vgl. Helbig, S. 276 ff.
  5. Street, S. 103
  6. vgl. Hill, S. 78
  7. vgl. Hill 73 ff.
  8. vgl. Street, S. 104 f.
  9. vgl. Hill 97 f.
  10. vgl. hierzu z.B. Hill, S. 78-82; Street, S. 103 f.
  11. vgl. Hill 84 ff.
  12. vgl. Hill, S. 79
  13. Eine wunderbare Sentenz zum Thema USA und Großbritannien spricht von „two nations, divided by a common language“.
  14. vgl. Street 111 f.
  15. vgl. Street, S. 110

Shapiro, Alan N.: TV’s ‚Lost‘. The Crash Out of Globalization and Into the World, 02.03.07

We Are ‚Lost Together‘

The television show Lost premiered on September 22, 2004. En route from Sydney, Australia to Los Angeles, California, USA, Oceanic Airlines Flight 815 crashes on an unknown Island in the South Pacific. The 48 survivors find themselves in hostile surroundings. Combining elements of drama, mystery, science fiction, fantasy, adventure, thriller and Reality-TV, Lost is arguably the most original and influential TV program since Star Trek in the 1960s. It is at the forefront of the ongoing total revolution of suspenseful content and technological creativity in television. It has received all the major industry awards in the USA, such as the Emmy and the Golden Globe. It is seen in more than 70 countries. An Informa media survey of 20 countries concluded in July 2006 that Lost is the second most viewed TV show in the world (behind CSI: Miami). In my media studies writing on Lost, I continue my project of inventing the literary genre of theory-fiction that I began in my book Star Trek: Technologies of Disappearance (called by Istvan Csicsery-Ronay, Jr. in the academic journal Science Fiction Studies one of the most original works in the field of „science fiction theory“ since 1993). Now going further than the retelling of stories, I write first-person phenomenological narratives of what each of the 14 major characters of Lost is feeling, perceiving, thinking, and experiencing from moment to moment. It starts in the opening scene of the Pilot Episode with the predicament of Dr. Jack Shephard, who awakens in the woods after the plane crash with a painful flesh wound in his side that I see as metaphorical for the unexamined psycho-biographical wound of men in today’s global culture. I develop a new men’s movement theory that departs significantly from all currently circulating gender theories. More generally, my view of Lost is that it is telling us more about where we are after September 11, 2001 than any other discourse that has tried to define our situation following that Event. The crash of Lost is the crash of the terrorists‘ planes into the Twin Towers. Like the survivors on the Island, we confront an entirely new reality for which there is no preexisting explanation and no road map. We are truly Lost Together.

Pilot Episode, Part 1

9/22/2004
JACK SHEPHARD: In the Name of the Father
(played by Matthew Fox)

I, Alan Neil Shapiro, am a passionate television viewer. Television is an old media. But I now watch TV engrossed in practices that I have developed during my years of participation in new media: the hyper-textual World Wide Web, online multi-player interactive video games, and sex chat rooms. All the main characters of Lost – male and female – are my sexual identity avatars. They are virtual reality body-suits that I freely robe and disrobe. I inhabit their bodies and clothing as I choose. I exist inside their semiotic silhouettes. I am a rider of their purple vehicles. As the Pilot Episode of Lost begins, I wake up from oblivion as Alpha Male Jack Shephard, supine and homeless alone in the woods after a devastating aviation accident. It is my very first arrival in this particular virtual party-experience scene-space, a personal appearance financed by part of my Cable-TV subscription monthly fee, and enabled by the technological meat-machine interface of my image-saturated commodity mind. I exit the transient wormhole-like void of precision-instrumented passage between worlds quantum-leapt into an initiatory moment of surprising arousal. From now on, whatever Jack sees, feels, touches and hears, I see, feel, touch and hear. I am Jack. Jacked in.

First there is nothing. Out. My right eye is wide open, startled. It relaxes. I see tall treetops above. I’m looking straight up. Thin, bamboo-like trunks. Bright tropical green leaves. A pristine light. Pain. Somewhere in left torso. I see my left hand. It’s scrunched up. But I can move it. I can manipulate my wrist. I’m lying on my back, on the ground. I can feel my body. It’s generally all right. But I’m breathing heavily, exhausted. I’m moaning with fear and discomfort. Yes I am wounded. A sharp pain in my left side, at the height of the rib cage, rushing up through my arm. My cheeks are stinging. I hear a rustling noise — something moving towards me. Naked terror. There could be wild animals here. I’ll be eaten alive. Turn neck in dread. It’s only a dog. What a relief! He’s brown and friendly-looking with flappy ears, his long tongue hanging out. No danger there. He whimpers and runs away.
The hurt is intense, the reality of my wound unmistakable. Got to get on my feet and go look for help. C’mon, go, force yourself. In spite of the agony. But standing up is nearly impossible. Unbearable anguish. I grab hold of a bamboo stalk. I lean hard against it. It supports my weight. I push myself up. I’m grimacing in pain. Got to have a look at the gash. Difficult angle to see. It doesn’t look good. Is this whole circumstance I’m in real? What’s the last thing I remember? Reach with right hand into right business jacket pocket. Yes, it’s still there. The one-drink size airlines liquor bottle I tucked in there seemingly minutes ago. Good. I’ll use it to sterilize the wound. The laceration will have to be stitched up. Then I’ll be OK. My head is so light. Such faintness. Got to get to a clearing, out of these woods for at least an instant. See where I am. Get help from someone to sew the lesion. Gotta move. Carry me, legs! Go, go. Run this way. So many bamboo shoots. Zigzag my way through them. Go, go, go. A lone sneaker hanging by a lace over a branch.

Riders on the Storm (je pense à Jim Morrison)

The story begins with a man and his wound. Riders on the Storm. Riders on the Storm. Into this house I’m born. Into this world I’m thrown. Like a dog without a bone. An actor out alone. Riders on the Storm. I am given The Name of the Father. I am told by him how to act, how to make it through life. But are these guidelines sufficient for survival? For happiness? What if the father has not investigated his own wound? What if I am stabbed in the flesh both for him and for me? The wound might be the consequence of a fundamental lack of love, neglect by a self-absorbed parent, the deep shame of being an outsider, or the trauma of something worse like physical violence or sexual abuse. How does a man (or a woman) cope over the course of a lifetime with this original wound to the „soul“ or to the emotional body? „What wound do we have that hurts so much we have to dip it in water?“ asks the American poet Robert Bly in Iron John: A Book About Men.[1] I am strong enough – for a certain period of time – to carry myself along through sheer will. I join the ranks of the walking wounded. I make use of an addictive substance like alcohol or drugs to temporarily numb the wound. But to make even the first step towards locating the commencement of the path of real healing, I must engage in sustained self-examination and gradually awaken my fount of courage, intelligence and dogged perseverance. Then I would be at the start of a long spiritual journey. It will be a difficult yet highly rewarding adventure. I, however, cannot embark on, make, or successfully complete this voyage alone.

JACK
Out of the Woods. Onto the Beach. Look to the right. A broad white sandy beach. An ocean of dark blue crystal water, waves not too rough. A brilliant azure sky with a few cumulus clouds. I stand here for a brief moment and take in this loveliness. So this is where I am. No longer on the plane from Sydney to Los Angeles, but on some coastline, maybe on some Island. There’s lots of green foliage at the edge of the woods. Look to the left. Oh my God! The plane has crashed! Burning fuselage. Screams coming from over there, a woman’s screams. People strewn about the beach in varying states of distress. Smoke and flames. I’m suddenly smack in the middle of an Emergency Medical Situation! Pieces of the demolished plane – of every irregular shape and imaginable size – are scattered everywhere. One of the below-wing podded engines is making a nasty whining sound and generating a sucking wind that pulls inescapably into its lethal vortex. No matter what, don’t go there! Stay down. Bend low while running. My adrenaline is starting to kick in. More fragments of the plane over here. Ripped up, burned out corrugated metal. A strip of the rear section with a long row of passenger seat windows. Harrowing screams from all directions. People calling out for their missing loved ones. Some survivors can walk. They are stumbling, helping one another. Others appear to be badly injured. I feel a pang in my own left side. Look around, look around. Situation assessment. Where can I help first? Crackling mechanical din from above. Look up. An immense chunk of one of the wings is threatening to break off and tumble to the beach! But of more immediate concern, a man is lying in the sand trapped under a huge piece of the wreckage, pleading in despair. „Somebody help me! Help! Help!“ I’ll go to him. He’s buried under one of the wheel units of the chassis.I can’t move it myself. I need others. „Give me a hand! You, come over here, give me a hand! C’mon! On the count of three! One, two, three!“ I raise the man’s limp arms high over his head and pull him out by these appendages. His right leg is bleeding badly. I need a tourniquet. I’ll use my necktie. I tighten it around his thigh. There, something accomplished.
Scream of a woman. „Somebody help me!“ I see a young woman in the distance. She appears to be pregnant. She’s on all fours on the beach. „Get him out of here! Get him away from the engine!“ I shout to the two men who just helped me free the hurt man from beneath the heavy load of the landing gear. Yes, I feel my juices flowing. That’s me giving instructions, being a leader. Now run to help that pregnant woman. Go, go, go! Man, I’m swift, even in these business shoes. The girl is an attractive blonde with an Australian accent, wearing a black minidress with thin shoulder straps, and a grayish-white linen shirt on top of that. She tells me that she’s having contractions. I ask her how many months pregnant she is, and how far apart the contractions are coming. Glancing to the left, I see a trim young man in an unbuttoned aquamarine shirt, his shirttail hanging out. He’s trying in vain to revive an unconscious woman lying flat on her back. The black-skinned middle-aged lady has on a rose-cream colored sweatshirt and black pants. A man foolishly walks too close to the active jet engine. He is abruptly sucked up and instantly killed! A fiery explosion. Take cover now! Protect the girl. Another male passerby is fatally felled by flying debris. „You’re gonna be OK. Do you understand me?“ I tell the pregnant woman. „But you’re gonna have to stay absolutely still.“ The thin man still hasn’t been able to reanimate the black woman. I notice a chubby fellow with long plaited hair, garbed in very casual attire. He looks emotionally really down and out. „Hey you, come here!“ I holler to him. „I need to get this woman away from these fumes. Take her over there. Stay with her. If her contractions occur any closer than three minutes apart, call out to me!“

I go over to the unconscious woman. The slim guy doesn’t have a clue. Her head is too far back and he’s blowing air into her stomach. He tells me that he’s a licensed lifeguard. „Well,“ I say to him pseudo-jokingly, „you need to seriously think about giving that license back.“ Now he’s suggesting that we puncture a breathing hole in her neck with a pen. He’s imploringly earnest about this. What’s up with this guy? „Good idea,“ I tell him. At least my wit’s still functioning. „You go get me a pen.“ I perform mouth-to-mouth resuscitation on the supine woman. C’mon, c’mon! Don’t die on me! With a surprising gasp I no longer fully expect, she is breathing again and restored to awareness! Now I can turn my attention to that massive portion of the wing about to break off. When it falls to the ground, it’s going to kill somebody! It’s swaying menacingly in the wind. It’s about to give! The pregnant woman and the overweight man are directly below it! I hasten to stand up. I turn awkwardly dodging my pain and start running again. Run, run, run! „Move, move, move!“ I call to them forcefully and repeatedly while laboring to reach them on foot. „Get her outta there!“ I finally catch the portly guy’s attention. He looks up bewildered. „Get her up! Get her outta there!“ I yell louder than I ever have before. The wing collapses and explodes. A chain of explosions. The second podded engine blows up. The near-obese man, the pregnant woman and I are thrown to the ground. „You OK? You? Stay with her!“ I shout to them. Man, am I wound up tight, way too vehement. The slovenly dressed fat fellow – who actually seems rather amiable – senses that this last directive of mine was out of line and promptly answers back: „Dude, I’m not going anywhere!“ Hugo „Hurley“ Reyes is wearing an open light blue flannel shirt with a dark, thin-lined rectangular grid pattern, and a pale blue T-shirt underneath.

And I remember
How it all came true
It was oh so tender
And I was Lost with you
By the sweet Sorrento moon
You wait a long time
To find your dream and hold on to it
All I needed was to fly
It’s a long way
From innocence to understanding

—from Sorrento Moon, by Tina Arena
The Unexamined Life

By means of my ceaseless productivity, via my agile speed and consummate ability to get things done, through my high level of competency and professional skills, I avoid almost all available entrances into the ritual spaces and calm meditations that might enable real existential encounter with the wound of my emotional body. Countless contemporary TV shows and Hollywood films portray America’s exemplary heroes: emergency physicians, homicide detectives, attorneys for the defense, secret service agents, counter-terrorism specialists, life-risking firemen or beat cops. These daring occupations encompass weighty responsibilities and are undoubtedly among the noblest of vocations in today’s society. But the omnipresent virtual realities of the media propagate an iconography of the trained practitioner who „does good“ or „helps others“ that half performs the commendable service of showcasing worthy role models and half does the disservice of manufacturing a manipulative mythology of the obligation to make excessive macho self-sacrifices for the public interest.

The small and big screens hook us seductively into the pervasive workaholism corresponding on the level of the individual to what the German philosopher Martin Heidegger – in his 1936 essay „The Age ofthe World Picture“ – correctly diagnosed as being the plague of modern times: the characteristic bustle or constant „industrious activity of mere busyness“ of our oppressive institutional existence.[2] Permanently enchained by the everyday life ideology that constrains me to make my contribution to business, family, nation, or the accumulation and spending of money, I operate nonstop in a pumped-up feverish caffeine-assisted trance of work and consumerism in order not to face myself. I never have to ask the terrifying question of what I would do with my life if I were truly free. Especially as a man, I steer clear of contact with my own feelings and emotions, evade looking sincerely into my own psycho-biographical pain, and fail to develop real self-love. This is the perpetual high-wire act of the Unexamined Life. But physician, heal thyself!

JACK
Finally a quieter moment arrives. Compose myself. Walk around on the beach. All of the emergency cases have been handled for now. I can turn my attention to my own wound. It’s beneath the left arm, more towards the back than exclusively on the side as I previously thought. The broodingly resolute young man whose name I still don’t know returns with a fistful of pens that he’s scavenged. It’s been quite a while since I resuscitated the black woman. „I don’t know which one will work best,“ he tells me. „They’re all good,“ I reply. „Thanks.“

The Wound and the Pen

What does it mean to take up one’s pen – or one’s word processor – and write about Lost? Are the producers of Lost consciously aware of the fact that their television show activates profound new questions for the fields of knowledge of philosophy, psychoanalysis, epistemology, computer technology, the natural sciences, aesthetics, deep ecology, and even politics and economics? Or is it the world itself – as the emergence of an intelligent, radically singular, unfathomably complex living system that has arrived at a certain point of maturity in its unfolding history – that is executing a kind of automatic writing? Is our beloved wounded planet Gaia finally starting to defend herself by transmitting new knowledge to us so that we can help her? This vital S.O.S. transmission is being emergency-broadcasted via the „low culture“ mass media par excellence of TV that is now undergoing a stunning total revolution of „content.“ The „stream of messages“ is the conveyance for the progressive unraveling of the most advanced insights in science, art and the humanities, flirtatiously forwarded to us from the radical alterity of an „absent“ elsewhere. Lost is one exemplary instance of this „message is medium“ turn, but there are others.

For many traditional humanist intellectuals and art experts, television is just the idiot box. It is the very last place that these guardians of „high culture“ would think to look for the liminal appearance of ideas, sublime forms, cognitive and conceptual breakthroughs, the „new real,“ or the making of history. For the previous generation of „old media“ theorists – with its classic position that „the medium is the message“ – the content of TV programs was secondary to the extensive restructuring and „patterning of human relationships“ (Marshall McLuhan) or to the undirectionally encoded „speech without response“ (Jean Baudrillard) operationally instituted by a primarily process-oriented communications technology.[3] One can transcend this downplaying of the message through cultivation of the very sensitivity to the medium as „culturally framing technological-literary form“ that one learns from these two thinkers. Science fiction, fantasy, and crime investigation TV shows are the literature of today. They can tell us more about what is going on in the world than any other genre of artistic expression. The real-time phenomenological details of these hyper-modern virtual narrative paintings are to be treated as the object-oriented fractal micro-constituents or graphic brush strokes of an intensively signifying language. Reversing McLuhan’s designation of it as „cool,“ television must henceforth be seen as a hot medium.[4] One passes from the negative analysis of the electronic media as externalized mediations of the human body, senses, and psyche[5] or „semiological reduction“ of symbolic relations[6] to the affirmative mindfulness of a much more personally involved moment-to-moment immersion in the thoughts, feelings, and perceptions of the posthuman avatar bodies whose VR experiences are the outriding vehicle for ascending to an orbital writing space of infinite hyper-textual links.[7] To the admirable dramaturgical enactment carried out by the scriptwriters, actors, directors, and TV technicians of Lost is added the act of writing by the media philosopher.
JACK
Slowly I walk away. I must search the pieces of luggage for needle and thread. I open the wraparound zipper of a black bag with red trimming. Inside a toiletry pouch with a shiny gold-tinted swirling pattern, I find a sewing kit. At the outskirts of the woods, standing next to a strong horizontal tree branch equal to my stature, I remove my sports jacket. What excruciating pain! I take off my white formal shirt. It’s stained terribly with blood. I gently lift up my white crewneck undershirt over my head and toss it aside. These formfitting jeans that I have on now are much more comfortable than those dress pants that I was wearing on the plane. As I glide the T-shirt over my raised arms, it occurs to me just how advantageous it is for the Challenge of Survival that we face here on the Island to be so generally fit and in such good shape. Thank Goodness for all those workouts I did, like when I ran up flights of stairs between sections of spectator seats at the college football stadium. Barechested, I go down to my knees. In a single sweeping movement, I elevate my left arm over my head. Now try to get a good look at the wound. Maybe feel it with my fingertips. First tactile contact. Ouch, what a sting!

KATHERINE „KATE“ AUSTEN: The Fugitive

(played by Evangeline Lilly)

I, the deceitful shapeshifting erotomanic cyborg alien of hideously abstract tentacular Cycloptic Gumby-esque appearance, a.k.a. commonplace television viewer-consumer of sexy media images, depart Jack’s body. For a few nanoseconds I am nowhere, back in the wormhole corridor spacetime void. Look over there: an attractive female corporeal figure. Enter it. Assume its form. Merge my being with its subatomic and micro-molecular structure.
My gosh, am I Lost and confused. Put up a brave front, girl. Hang in there. I’m wringing my wrists in anxiety. How long have I been wandering around on this beach? Will I ever be able to forget what I lived and saw during the crash? I was awake during the whole thing! Memories so extreme and gruesome — how does one process such horrific images? There’s blood splattered on my fingers. Wait, someone’s calling me. „Excuse me! Did you ever use a needle?“ It’s the voice of a man. He’s kneeling over there, next to the trees, asking for help. Cute guy! Get a load of that hunk! Handsome hairy chest! Check out that washboard stomach! The tattoos on his left upper arm. But no, what’s he asking me? I can’t help anybody with anything. Not just now. „Did you ever patch a pair of jeans?“ That seems to be the sentence that I hear. What’s he saying? Think, girl, think. What exactly does he want from me? „I … um … made the drapes in my apartment.“ There, managed to get some words out. For heaven’s sake, he really does want my help. With what? OK, pull yourself together, Kate. Got to make him think that I’m an ordinary city girl. Someone with a job and a life, a rent to pay and a couple of cats. Uh oh, look at that. He’s wounded on the side, bleeding. It’s pretty dreadful. I can’t see this. That’s what you want me to sew up? I close my eyes. I count to three. Calm yourself, hot stuff, but keep appearing to be a little naive. What’s that? He says that he’s a doctor. Will I help you, sugar-pants? „Of course I will!“ I announce in a coy yet kindly tone. He gives me a small bottle of liquor to rub on my hands. „Save me some for the wound,“ he courageously quips. „Any color preference?“ I teasingly riposte, pointing out the wide assortment of different colored threads in the sewing kit. „Standard black,“ he confidently retorts.
The First Sundown
It is almost sunset. The end of the first day. The survivors have built campfires. A confident, dark-complexioned man with long black curly hair and a bearded chin, appearing to be of Middle Eastern descent, self-assuredly addresses a disoriented-looking white Anglo-Saxon working-class male whose head is buried in his own lap: „Hey you, what’s your name? We need help with the fire. No one will see it if it isn’t big.“ The good-looking Iraqi veteran of Saddam Hussein’s Republican Guard is named Sayid. The strung-out former guitarist of the punk rock’n roll band named Drive Shaft is called Charlie Pace.
KATE
„I might throw up on you,“ I say to Doctor Dreamboat as I’m sewing him up. He replies that I’m doing fine. This guy is so tough, so cool. He’s awesome! What a pretty face, neat haircut. Sure would like to snuggle up with him. „You don’t seem afraid at all!“ I blurt out. „I don’t understand that.“

JACK
„Well, fear is sort of an odd thing. When I was in residency, my first solo procedure was a spinal surgery on a sixteen-year-old kid, a girl. And at the end, after thirteen hours, I was closing her up and I accidentally ripped her dural sac. It’s right at the base of the spine where all the nerves come together. So it ripped open. Membranes, thin as tissue, nerves just spilled out of her like angel-hair pasta. Spinal fluid flowing out of her. And the terror was just so crazy, so real. And I knew I had to deal with it. So I just made a choice. I’d let the fear in. Let it take over. Let it do its thing. But only for five seconds. That’s all I was gonna give it. So I started to count. One … two … three … four … five. And it was gone. I went back to work, sewed her up, and she was fine.“
The ‚Girl‘ Within the Man

The brain and the spinal cord are enclosed by the meninges, a covering that consists of three distinct membrane layers the softness of which increases as one moves progressively inwards. The dura mater – from the Latin for „hard mother“ – is the tough and fibrous outermost stratum of the central nervous system’s protective shell. The arachnoid is the watery middle tier. It has as fascinating homonyms both the dainty fibers of certain botanical life-forms and the adjective denoting that which pertains to the Arachnida anthropod class of spiders or their intricate webs. The pia mater – pious or tender mother – is the innermost layer of very sensitive vascular tissue. The anecdotal allegory of Dr. Jack Shephard the neurosurgeon inadvertently tearing the dura mater of his young female patient – in the direct context of his telling the story of how he overcame his primal fear – is resonant with meaning for the question of the psycho-biographical wound of a man. Jack’s unconscious patient symbolizes the delicate feminine element or „girl“ buried deep within himself that is the untapped imprisoned secret reservoir of his primal fluid energy and vitality.

As a conservative response to the insecurity resulting from the parents not having provided a fundamental sense of being valued and loved, or as a reaction to the shame of the outsider’s experience of radical difference, I build the fortress of aggressive and unduly rational male character structure around my lonely heart and downtrodden spirit.
But inside some very special intimate part of the psyche, my inexperienced love of self and others is preserved in nearly untouched integrity. In our society, the truly forbidden love is self-love. As a temporary bridge to the encapsulated area of vulnerability, I have since adolescence practiced some moderately graceful „erotic“ routine of self-soothing identification with the pain and humiliation of the early elementary exposure that I have failed to grieve. This location of ambivalent ascription to myself of the semiotic and manneristic attributes of a more desirable version of the abject state of being to which I was diminished – culled from the marketplace of media images – is, properly speaking, the site of the wound. The wound is personal and political. It is a psychological form of social control. The self-medicating survival technique is at first a life preserver, later an albatross. As an improvised solution to the trials of the undernourished heart or the tribulations of the homuncular condition, the injury with which I have lived almost all of my life saps my overall strength as a man. It clandestinely undercuts my fearlessness in undertaking enterprises at the height of my true potential.

To gain access in a material-symbolic way to the „pia mater,“ to the most tender interior portion of the mind – or to obtain a clear introspective picture of this exquisitely virginal neural mesh – would be a major advance towards liberation of the whole person. I would bring my „feminine“ qualities – nurturing, sweetness, softness, helping others – into open social contact with my friends and fellow „survivors.“ It might reinstate the faculty of self-love which is also closely connected to a wider sense of feeling loved and protected by the surrounding habitat and the benevolence of faith or fate. As the scholar of comparative meditation traditions Naomi Ozaniec explains: „Before radiating love to others we need first to create these feelings towards ourselves. Enter your own state of meditation and become aware of your heart. Allow yourself to feel deserving of love. Allow yourself to surrender to this feeling. Imagine that you cradle a new-born child in your arms. The child is you. Let loving feelings flow through you, let the child be held in a deep and safe embrace.“[8] With self-love and with openness to my repressed feminine side, I experience a sort of rebirth as a pubescent youth, innocent of gender stereotypes, expectations, and rules. Recall that Dr. Jack Shephard’s wound is on the left side, at the height of the rib cage. But like Jack at the moment of the accidental ripping open of his female patient’s dural sac, I want to regain some control over my newly discovered volatile emotions. To triumph over the fear and terror that are unleashed when I find myself in completely unknown territory where noman has gone before, I need to bring back in my rationality. Since I believe in the reality of my body more than in the dreams of media images, I want to be a boy, not a girl. Man plus girl equals boy. MARS plus X. I have come through to the other side of the wormhole. My goal is that of integration. The logic of Western metaphysical thinking is Either/Or, A or B. The logic that we can learn from Buddhism is And/And, A and B. I am both masculine and feminine. I will stand on two legs, whereas most other men are standing on one. I have found the path to healing. First the wound had to be isolated and allowed to breathe in light air in order to establish the conditions for healing. The best result that one can hope for, however, is to be both healed and wounded. Why can the wound not disappear? Because, in the end, it is a shared wound. It is a social psychological wound, the same wound that many other men have. The images of my (former) wound are everywhere in the semiotic media-consumer culture, keeping the damage indefinitely nearby as weakness. But this weakness can also be a revolutionary asset. In awareness, I am healed for myself, but still wounded for my friends. FRIENDSHIP plus X.

KATE
„If that had been me, I woulda run for the door.“
JACK
„No, I don’t think that’s true. You’re not running now.“

The Oppressed Child

The Fugitive. On the Run.

In our society, not only is the child weaker and smaller than the adult, but he or she is forced into a relationship of subservience to the mother and the father who are granted nearly unlimited power and territorial jurisdiction over him or her. Aside from occasional attention paid to this political condition of fundamental slavery by the anti-authoritarian movement in education, no institutionalized human relationship of domination and submission, of abuse and helplessness, has been the object of less enlightened reflection than this one. Oppressed by the parents and subjected to their arbitrary will, the child dreams of one thing: flight. More than anything else, the small person wishes to run away. It is nighttime and my conscious mind is asleep. If I move my arms and legs fast enough in a propeller-like motion, I am soon airborne. If I become tired and cease my efforts, I fall quickly back to Earth. I dream of climbing out the window. My Spiderman capability of spinning silk web strands enables me to make my way down the facade of our high-rise apartment building, proceeding from ledge to ledge. Sometimes I shoot a single sturdy thread to a fence on the roof of the low-rise building across the street, get a strong grip on the silk string with my black leather gloves, and slide my way diagonally down to safety. If I have to leap from a fire escape stairway several meters above the pavement, the bounce in my comic book legs gets me instantly back on my feet. Hit the ground running. Run and run and don’t look back. Get as far away as you can as fast as you possibly can and never go back. But freedom’s just another word for nothin‘ left to lose. In the long run, the pattern of The Great Escape turns self-defeating. The Fugitive keeps fleeing from others and from herself. Without sustained self-examination, there can be no truly successful flight leading to true freedom.

F-A-T-E

The starlit night sky. Campfires on the beach. Sayid and Charlie Pace sit together. Charlie is wearing a blue-green sweatshirt with a cute little hood over his T-shirt of alternating dark and light brown thick horizontal stripes. He has wrapped small bandages around the bases of four fingers of his left hand. Using a magic marker, he carefully draws letters on the gauze strips spelling out the word: F-A-T-E. „You’d think they woulda come by now,“ Sayid muses to Charlie. „What? who?“ replies the Catholic rocker. „Anyone,“ answers the Sunni Muslim telecommunications engineer.

Crash and Catastrophe

After the plane crash that sets up the science fictional scenario of Lost, Dr. Jack Shephard is instantaneously transported into a situation of proximity and solidarity with a motley collection of his struggling fellow human beings. It is a golden opportunity for deep bonds to form. Yet Jack’s initial predicament of not being able to attend to his own wound while working frantically to save the lives of others is a brilliant metaphorical commentary on the present-day hyper-modern translation of Heidegger’s „constant activity.“ In globalized media and corporate culture, Crash and Catastrophe are the only ways for interruptions of the continuous drone of organized and institutionalized mere busyness to take place.

But in the State of Emergency, Declared just after the Catastrophe,
We exist in a State of Fear, Just like Headlights in Front of a Deer.

Fake State Terror Alert,
Fake State Terror Alert.

Fear and Panic, That’s our Game,
AmeriKKKa, That’s our Name.

Fake State Terror Alert,
Fake State Terror Alert.

Donald Rumsfeld, He’s our Man,
If He Can’t Do It, Nobody Can.

What’s the Penalty in Texas for a President’s High Crime?
Hint: It Ain’t Got Nothin‘ to Do with Time.

Shopping Mall, Shopping Mall,
State of Pain-Killin‘ Mind Control.

Being and Time, Being and Time,
What Would Heidegger Buy with a Dime?

Turn on the Tube, See What They Say,
How Many Iraqis Did You Kill Today?

Shopping Mall, Shopping Mall,
State of Pain-Killin‘ Mind Control.

(from here to end, sung like Janis Joplin)
Oh Lord won’t you sell me some High-Tech Bennies?
We thank you, our Saviors, the Drug Companies.

And thanks to your Partners in Advertising, too,
Without your Free Information, Lord knows what I’d do.

And thanks for rammin‘ all your shit straight down my throat.
And now it’s time to say goodbye on that lovely note.

White-Jewboy Rap Song: „Heidegger’s Dime“

—Alan Neil Shapiro, 2007

Starting All Over

Twenty years ahead of their time, the Canadian cultural theorist duo Arthur and Marilouise Kroker – in the Panic Encyclopedia – identified panic as the „key psychological mood“ of hyper-modernism. „In pharmaceuticals,“ the Krokers remarked ironically in 1989 – already in full Philip K. Dick SF-becoming-reality mode – „a leading drug company, eager to get the jump on supplying sedatives for the panic population at the end of the millennium, has just announced plans for a ‚worldwide panic project.'“[9] At a certain irreversible point, however, Crash reaches such a degree of critical intensity – the Crash Out of Globalization and Into the World – that the conditions for the construction of an alternative concrete utopia audaciously put together by a group of survivors emerge. Against the global culture of alienated work, banal consumerism, instant sexual gratification, psychological self-denial, living on speed, ubiquitous media hyper-realities, and „every man for himself“ (Sauve qui peut la vie), the survivors will engage in a social experiment where all the suppressed questions about the true meaning and purpose of human existence will be asked afresh, and the provisional answers enacted in radical artistic projects. Ladies and gentlemen, children of all ages: a game. A contest. Twenty-five questions. You know the stakes. All that matters is that you give it the old college try.

Who am I?
Who are you?
Why are we here?
Do we have shared dreams?
What is it to be creative?

What is friendship?
What is love?
What is passion?
What is dance?
What is song?

Why do I have fears and anxieties?
Why is there violence and war?
How do we pursue knowledge and true epistemological flexibility?
How do we transcend the division of knowledge in the West between nature and culture?
How do we transcend the social division of labor and instead become interested in everything, but without burning ourselves up?

What is our deep ecological responsibility to our beloved wounded planet Gaia?
What is a wholesome habitat for human beings?
For animals?
For vegetables?

What is Artificial Life (A-Life)?
What is Artificial Intelligence (AI)?
What are the coming fundamental paradigm shifts in science and technology due in the first half of the twenty-first century?
How do we reconcile Western and Buddhist ontologies of spacetime?
How do we reconcile rationalist scientific atheism and spiritual faith in a recursive, unfathomably complex living system that is the world itself in its unfolding history?

And last but not least: What is the best of all possible political and economic organizations of society?

Inspired by Star Trek and Lost – and powered by the technological invention of A.I. ArtificialIntelligence – a Radical Media, Technology, and Alternative Renewable Energy Company will be formed to bring the most creative people in the arts, humanities and critical social sciences together with a selected group of talented programmers and technologists.
Inventing the opposite of workaholism, the Company will encourage the enjoyment of life and the all-around human development of salaried employees who will work only six months a year. Pioneers of „social choreography“ like Steve Valk and Michael Klien will play a major role in originating the Company’s internal culture and in composing and arranging the patterns of dancer-like preparedness, diversified rotation of activities, and radically disruptive events for individuals, teams, and the organization as a whole.[10]

SHANNON RUTHERFORD: High-Priced All-American Girl
(played by Maggie Grace)

Sexy blond gorgeous female over there. And a compatriot to boot. Assume her princess form.

I’m doing my toenails. It’s a good thing I had this polish with me. I’m not going to allow the temporary negative circumstances of this plane crash to interfere in any way with my personal care and simply gorgeous appearance. As everywhere else where I have ever been in my entire life, I am definitely and without any doubt the hottest-looking girl here. What a fantastic pair of legs I have! I am such a glamour girl in this white miniskirt, pink cotton tank top, and fashionable open pink leather cardigan jacket. Oh, here comes that dork stepbrother of mine. He is such a jerk! I’ll keep using him for as long as necessary for whatever he’s worth. When there’s nothing more I can get out of him, I’ll dump him and find some other warm body. Here’s Mr. Dork sitting down next to me. He’s offering me a piece of chocolate! „As if I’m gonna start eating chocolate,“ I enlighten the dork. Chocolate, very smart! What’s that gonna do for my figure? „Shannon, we may be here for a while,“ the twerp replies. „The plane had a black box, idiot,“ I lay out for him the facts of life. „They know exactly where we are and they’re coming. I’ll eat on the rescue boat.“ He shrinks to the size of his little weenie.

Talking Korean

An Asian man with finely chiseled features is talking harshly in Korean to his smooth-faced wife. Television viewers who are non-Korean speakers understand his monologue via subtitles. „You must not leave my sight,“ he commands. „You must follow me wherever I go. Do you understand? Don’t worry about the others. We need to stay together.“ The wife nods sadly.

KATE AND JACK
Jack is medically attending to a severely injured male crash victim who is lying unconscious on his back on the beach. In the dark, the Doctor focuses the beam of a flashlight onto the sufferer’s torn abdominal flesh. „Do you think he’s gonna live?“ asks Kate through her left hand which is covering her mouth. „Do you know him?“ a surprised Jack queries in return. „He was sitting next to me,“ rejoins Kate in a matter-of-fact tone. A short time later, the two new friends are seated together with Kate clenching the same hand into a fist positioned in front of her mouth. In the fingertips of his right hand, Jack tenderly holds a green model-sized airplane about 25 centimeters in length that has been skillfully crafted from a leaf. „We must have been at about forty thousand feet when it happened,“ he speculates. „We hit an air pocket. Dropped. Maybe two hundred feet. Turbulence.“ „I knew that the tail was gone,“ says Kate Austen. „But I couldn’t bring myself to look back. And then the front of the plane broke off.“ „Well, it’s not here on the beach,“ interjects Jack Shephard while continuing to affectionately hand-glide the „paper-leaf“ airplane through the air. „Neither is the tail. We need to figure out which way we came in. ‚Cause there’s a chance we could find the cockpit. If it’s intact, we might be able to find the transceiver. We could send out a signal and help the rescue party find us.“ Kate tells Jack that she earlier saw smoke coming from the interior of the jungle that one can glimpse through the not-too-distant valley. They resolve to make an expedition the next day to look for the severed front part of the plane where they might be able to retrieve the transceiver – a radio communications device that both transmits and receives – from the cockpit.

Yea, Though I Walk Through
the Valley of the Shadow of Death
All of the survivors on the beach hear a prolonged loud haunting bestial cry emanating from the jungle. It is the petrifying sound of what everyone in their worst fears visualizes as an abominable Monster. The Lost voyagers of the semi-global flight from antipodal Australia to Greater Tinseltown, USA gaze in the direction of the fog-shrouded V-shaped horizon that seems to trace the betwixt and between contingent existence down in the Valley of the Shadow of Death.

Never Forget – Planes Want to Be in the Air

We see the standard view out the passenger seat window that one has when sitting in a plane on a long flight. Steadied high above dense clouds, the familiar image induces a sense of floatation into reverie or disappearance away from the terrestrial frame of reference. Suspended in mildly uncomfortable comfort, in some cases heartened by the trusty companionship of one of the formidable wings, I find myself in a parallel dimension of endless time. I harmonize with the permanently irritating yet reassuring noise of the flying machine.
The smiling pretty female flight attendant with dark red hair and wearing a smart blue uniform asks Dr. Jack Shephard – sitting in left-row seat 32 of Economy Class – how his drink is. „It’s good,“ answers Jack. „That wasn’t a very strong reaction,“ says the stewardess. „Well, it’s not a very strong drink,“ replies Jack. „Just don’t tell anyone,“ she says coquettishly while offering him an extra bottle of liquor that he will put inside his jacket pocket „for later“ after she walks away. „This, of course, breaks some critical FAA regulation,“ the Doctor teases. Moments later, the turbulence intensifies. The flight attendant picks up the public address system phone and announces: „Ladies and gentlemen, the pilot has switched on the ‚fasten seatbelt‘ sign. Please return to your seats and fasten your seatbelts.“ Jack perceives that the individual sitting across the aisle from him is becoming increasingly nervous. He initiates a conversation with the African-American woman named Rose Henderson. Rose’s husband has gone to the rest room just prior to the onset of the turbulence. To calm her rising fear as the plane shakes aggressively, Rose says:„My husband keeps reminding me that planes want to be in the air.“ Behind Jack and Rose, a man abruptly goes flying through the air. Others are hurtled pitilessly about the cabin like leaves in a gusting wind. The oxygen masks come down from overhead panels. The plane’s rapid loss of altitude begins.

The Achievement of Flight

For the contemporary psychosocial cultural imagination, flight is a sense-framing tangible metaphor enlivened by the landmark stories of aeronautical and astronautical history that stands for the courageous journey to face the truth of who one really is, or the challenge of strengthening the contingent condition of being suspended „between life anddeath“ into a sustained „airborne“ existential passage. In her dreams and behavioral patterns, the child who was oppressed under the circumstances of psychological and mental abuse within her family flees. But as maturation and spiritual growth progress, escape evolves into the majestically beautiful achievement of „getting one’s plane off the ground“ and into viable flight. The original situation of the underdog or rebel – whose numbers are swelling fast in an increasingly dysfunctional society – is like that of the android replicants in the classic science fiction film Blade Runner (1982) who have only a four-year life span. „How to stay alive?“ – beyond the time-limit of one’s internal death sentence „self-destruct“ program, or even short-term „knowledge-avoiding“ survival strategy – is the haunting question posed by the last surviving escaped Nexus-6 replicant Roy Batty. My precognition is that – having entered the twenty-first century – creative outsiders like writers, artists, bohemians, punks, and many others will no longer find themselves being in such dire straits as before. Our plight is no longer so hopeless. The incomparable loveliness of successful flight is within our reach, and there is a kind of real celestial pull towards this elegant victory. Some of the great aviation pioneers of the twentieth century like Charles Lindbergh and John Glenn will be our guides to elaborating a genealogy of the inauguration of worldviews emblematized by famous flights and crashes leading up to the potentially re-enchanting „Crash Out of Globalization and Into the World“ of the present.

The great philosopher Jacques Derrida, in a book like Writing and Difference[11], brought academic attention to writers „on the margins“ like Antonin Artaud and Georges Bataille who wrote forcefully about their experience of radical difference. Leftist cultural theory in general has been fascinated by figures of the literary-artistic avant-garde who went „all the way“ to the edges of human self-experimentation: William Burroughs, Jack Kerouac, Kathy Acker, Samuel Beckett and so on. Although it is from Derrida and someone like Semiotext(e)book publisher Sylvère Lotringer that I learnt to place such a high value on écriture and textualité, my project is to consider selected „texts“ in the American mainstream as instances of writing that aspires to the (Heideggerian) authenticity of existence in the sense that other humanities scholars influenced by „Old Europe“ French-German thinking have reserved only for an elected group of haute culture club members. In the present study, the memoirs of Charles A. „Lucky Lindy“ Lindbergh and the flight report and air-ground communiqués of Marine Lt. Colonel John H. Glenn, Jr. (and the episodes of the television program Lost itself) are among the textual artefacts under examination. I demonstrate that „great achievements“ which have been canonized in the American cultural psyche in the simulated mode of spectacular heroism were – as biographical stories truly lived by their protagonists – extreme adventures best understood through a post-academic form of „deconstruction.“ The stratagem in my video game is to further radicalize the leading edge of literary theory yet go mainstream at the same time.

Using celebrated and notorious flights as embodied metaphors, I chart five successive worldviews of the West: universe, cosmos, globe, plate, and world. Charles Lindbergh’s transoceanic solo flight from Long Island, New York to Paris in 1927 symbolically linked the legacies of two eighteenth-century modernist-democratic political revolutions. „The universe“ is also a primary field of investigation of science, as exemplified by astrophysics. In 1961, Air Force Major Yuri Alexeyevich Gagarin of the Union of Soviet Socialist Republics circled the planet one single time in a short-lived triumph for the worldview of cosmos. In the Marxist-Leninist or Christian-millenarian narrative, the planetwide extension of a system of order and harmony is the prelude to the coming of Paradise. John Glenn’s authentically heroic orbital flight in 1962 captures the moment of the crossing over of universal liberal capitalism into monopolistic-oligarchical top-down capitalist globalization. The hijacked flight of terrorists crashing two jetliners into the Twin Towers of the World Trade Center on September 11, 2001 is the accident of globalization. Following that catastrophe, the cowboy Faux President / Commander in Chief of Real and Baudrillardian-Orwellian Hyperreal Wars orders a retreat to the pre-Magellanic belief that the world is flat. George Walker „Dubya“ Bush contrives a reactionary-obscurantist platform resting on the tripod base of the leftover worldviews of universe, cosmos and globe. This optical illusion corresponds to the vista of the Earth as a flat plate that Neil A. Armstrong and Edwin E. „Buzz“ Aldrin, Jr. saw from the moon, or the platter of Plastic Thanksgiving Turkey that Bush held up in front of global TV cameras – while flashing his „winning“ smile – during a surprise visit to oppressed and exploited United States soldiers in the Iraq Illegal War Zone in November 2003.

The final chapter in this secret history of world-systems is the crash of the semi-global flight from Australia to the USA as depicted in Lost. The opportunity that presents itself is then to try to understand as many aspects as possible – in the seminal moments of their first appearance – of the emerging worldview of world. The survivors of Lost have crashed into something genuinely new — the world itself in its radical otherness and ambivalence, apprehended without the lens of what Heidegger calls Western metaphysical thinking in „the age of the world picture.“ Metaphysics is distanced from existence and cogitates the employment of knowledge in the service of „man’s unfettered freedom“ requiring the certainty of „an unshakable ground of truth“[12] to establish its validity. In the age of the world picture (twentieth-century „modern times“), the world is for us „only a picture.“ Modern man institutes his relationship to the environment and to other beings through a subtle yet devastating form of domination known as representation. As „the subject,“ he sets up beings as knowable transparent objects in front of himself or as that-which-lies-before him. The subservient represented – pictorial, calculable, quantitative or informational – status of the world as a mere instrument at our disposal is continuously enforced via man’s acts of „placing before himself,“ „bringing before himself,“ and „having before himself“ (vor sich stellen, vor sich bringen, vor sich haben) of beings as objects. „Beings as a whole come to be considered in such a way that a being becomes first and only a being after it is set in place by representing-manufacturing humanity.“[13] In the worldview of world, by contrast, there is rediscovery of passionate engagement with existence in astonishment and intuition; reinvention of knowledge as endless flowing multi-layered hyper-textual „writing“; freeing of the individual not as a sovereign Island but rather in webbed association with and even in „sweet surrender“ to other human beings; blossoming of feelings of love for animals, vegetables, and A-Life beings; and architecting the rootedness of Dasein as being-in-the-world starting from our social condition of total alienation through an aesthetics of disturbances and radical illusions.

JOHN LOCKE: The Crash of the Social Contract
(played by Terry O’Quinn)

I am male. I am a man. I am a free man. I am not an Arnold Schwarzenegger-designated girlie-man. I am a macho, a Terminator. That male avatar over there — he’ll do! Looks like he’s spent countless hours in the gym! And he has the same name as the famous late seventeenth and early eighteenth century English political philosopher of the modern liberal social contract! The very same social contract of Western Civilization that is so deeply in crisis today! The celebrated author of the Two Treatises of Government (1698) – an „Essay Concerning the True Original Extent and End of Civil Government“[14] – a consideration of what makes governments legitimate, and of the rights of resistance, rebellion and revolution possessed by ordinary citizens. Locke believed that the holding of beliefs – especially religious beliefs, which might include atheistic beliefs – by humans is what qualifies them to redress their grievances and assert their equality in the face of an unjust political authority. And look at that John Locke over there — he’s living through an intense authentic religious-existentialist experience! I want to be him! Hear me, oh mighty imagination-technology wish-media-of-the-future wizard! Make me a John Locke! Poof! You’re a John Locke!

Sweet mother of Jesus, what in God’s name has happened to me? It’s a cockeyed miracle! I can use my legs! I can use my legs! I feel my toes wiggling inside my shoes! Mobility and full-bodiedness have been restored to me! I’m sitting here on the beach next to the scorched podded engine, surrounded by the remains of the plane. I’m wearing my beige trousers and white shirt with blue checkered stripes. I’m engrossed in the deepest meditation that I have ever known. Here comes a torrential downpour. The other survivors are taking shelter under improvised tents and elevated aircraft parts. I couldn’t care less! Let the rain pour down! I spread my arms out wide, palms facing up. I love the rain! To me to fathom the mysteries of the universe! My turn at bat to contemplate what it’s all about. I know that a Providential Miracle has taken place. And I have been the beneficiary of it! But can one go back to less advanced forms of argument than atheism? These are the most profound of all possible thoughts. I must figure out what this all means. One thing is already certain: I would much rather be here on this Island – facing total uncertainty and the building of a new life from scratch – than back in my previous life in the „civilized world“ that had reached a dead end. In America, I was Regional Collection Supervisor for a Box Company. That $50,000 annual salary kept me going, but man, everything about that existence was gone wrong.

Robinson Crusoe (by Daniel Defoe)

A man alone and his will to survive. „THE LIFE AND STRANGE SURPRIZING ADVENTURES OF ROBINSON CRUSOE, Of YORK, MARINER: Who lived Eight and Twenty Years, all alone in an un-inhabited Island on the Coast of AMERICA, near the Mouth of the Great River of OROONOQUE; Having been cast on Shore by Shipwreck, wherein all the Men perished but himself. WITH An Account how he was at last as strangely deliver’d by PYRATES. Written by Himself.“[15]
The basic situation of Robinson Crusoe’s early life was that of a young man who did not want to get a job. Robinson was born in the year 1632, in the city of York, of a good family. His father was a successful businessman, a trader in „merchandise.“ Robinson had two older brothers, one of whom was killed in war, the second of which his destiny unknown. Robinson avoided training for any particular occupation. He had a solid general education, and there was a vague idea that he might go into the Law. But Robinson dreamed only of adventure, of „going to sea.“ This wayward impulse brought him into conflict with both of his parents, not to mention several of the best friends of his youth. Why he would wish to leave the safety of his family’s home, its environs, and his native land was beyond his father’s comprehension. All Robinson had to do to attain „a life of ease and pleasure“[16] was to follow the course that had been laid out for him by his magnanimously given upper-middle class socio-economic circumstance, supplementing this patrimony with a modicum of „application and industry.“[17] Thanks to the efforts of those who preceded him, his life had already been shielded from the miseries to which most human beings are subjected. Only men „of desperate fortunes“[18] and rich men seeking fame or extravagant wealth go abroad for lengthy periods of time. For a middle class person to voluntarily do so was the height of folly, his father admonished. One invites the worst of all possible misfortunes.

At the age of nineteen, having already missed his opportunities to learn a respectable trade or profession, Robinson Crusoe sets out for the first time to sea. It is a short normal trip from Kingston upon Hull to London, but even on this routine route there is trouble. The ship gets caught in a terrible storm. The weather started getting rough. The tiny ship was tossed. „Lord be merciful to us, we shall all be Lost.“[19] As he shudders with fear, Robinson pledges that, should it please God to spare him just this one time, he will return to the House of his Father and never stray again. But as soon as the weather clears he forgets his resolution. On the eighth day of the voyage, an even more ferocious storm blows, frightening the most experienced seamen among the crew. „The sea went mountains high, and broke upon us every three or four minutes.“[20] The ship takes on more water than it can bear. Robinson and the others on board are saved by another ship just before their own vessel sinks. After being deposited safely on shore, they walk to the port of Yarmouth. Here Robinson receives a second ominous verbal warning, articulated by the Master of the sunken ship. „Young man, you ought never to go to sea any more, you ought to take this for a plain and visible token that you are not to be a seafaring man. (…) As you made this voyage for a trial, you see what a taste Heaven has given you of what you are to expect if you persist. (…) Pray, what are you? and on what account did you go to sea?“[21] After Robinson recounts the story of his rebellious conflict with his parents, the Master reacts with total exasperation, wondering aloud what he had done that such an „unhappy wretch“ would come aboard his ship. Not for all the money in the world would he travel again with such a harbinger of doom. „Young man, depend upon it,“ the Master concludes, „if you do not go back, where ever you go, you will meet with nothing but disasters and disappointments, till your father’s words are fulfilled upon you.“[22]Yet an apprehension of the shame of facing family, friends and acquaintances in defeat deters Robinson Crusoe from returning to his hometown in white England. He instead takes passage on a ship to Africa, provoking the resumption of his misadventures. Sailing eastward of the Canary Islands, his ship of traffic is intercepted by a coast-guarding vessel from the Moroccan seaport of Sallee. He and his shipmates are taken prisoner by the „Moors.“ The Captain of the defending rover fancies the „young and nimble“ Robinson as his „proper prize.“[23] He takes him as a sort of lily feminized ornament tending to his house and garden. Sometimes the Captain has the captured blue-eyed boy lie in his private cabin while the ship is in harbor.
After two years of domestication, Robinson Crusoe undertakes a daring escape by stealing the light sailboat known as the pinnace that is used in attendance on a larger ship. He proceeds along the coast of what is now Mauretania in the company of the Arab lad named Xury. The two male companions live through all manner of death-defying escapades together. They battle wild animals, struggle to obtain food and fresh water, learn to communicate and negotiate with people of native tribes, and deal with their own fear of being eaten by cannibals. Living in the vicinity of mortal dangers without being consumed by worry about them is an important stage in the Tantric challenge of initiation of the spiritual traveler into manhood ofadifferent kind.[24] The strength of the New Man who earns the respect of the one true Goddess Gaia as an equal partner to change the world derives not from production, power, Stoicism, muscle, weapons and the dream of immortality, but rather from honest I-and-Thou encounters with the Others of femininity and death. Sustained encounters – it must be added – where the outcome is never known in advance. The final outcome of whether Gaia herself – the marvelous living alien being also known as planet Earth – will survive is also not known. It may be too late. As spiritual force, Gaia is the wounded Offspring of a complex copulation between the Judeo-Christian monotheistic God and the worldview of the most ethically Enlightened scientific atheism, the latter exemplified by Gregory Bateson’s deep ecology, Walter M. Elsasser’s holistic biology, or Donna J. Haraway’s cyborg theory.[25] Near the Cape Verde Islands, the exhausted Robinson Crusoe and his pal Xury are rescued by a passing Portuguese ship that is on its way to the Brazilian colonies.
Robinson knows none of the Continental languages – Portuguese, Spanish or French – but there is one Scottish sailor on board who happens to speak the escaped slave’s native tongue. Restored to the company of European Men after months on the lamb in the „state of nature,“ the Englishman’s first act as a once again Free Citizen of the West is to sell his young friend Xury into ten years of indentured servitude.

Arriving in Brazil with the tidy sum of 220 Pieces of Eight in his pocket, Robinson is accepted into the settlers‘ society and becomes a sugar and tobacco plantation owner. Receiving a shot-in-the-arm of capital from England, he buys one African slave and two white servants. As time goes by, he becomes something of a neighborhood celebrity among his fellow male colonizers by retelling the story of his prior exploits along the northwest African coastline. His braggadocio tales of how he bartered with natives whet the luxury goods farmers‘ appetite for ownership of human flesh from Across the Ocean, an indulgence that was until now the exclusive privilege of those who could afford to pay the high prices demanded by the Assiento Monopoly. The South Atlantic West Shore local business doers enlist the services of an expert in how South Atlantic East Shore local business is done. Robinson Crusoe joins the expedition to go get some dark meat to make brown sugar. In exchange for his expertise, he will receive a full share of booty without having to make any up-front capital investment.
After twelve days at sea, the slave-seeking ship gets caught in a terrible hurricane, where it remains trapped for twelve days of relentless terror for the fearless crew. After plotting a course northwest by west in the direction of Trinidad, the helpless victims of Nature’s Wrath are seized upon by a second raging storm that blows them deep into unchartered waters. At the break of Dawn at the end of the Darkest Night, one man miraculously sights Land. But at this very same moment, the ship runs aground. The eleven who are still alive squeeze into a small lifeboat, abandoning themselves to the mercy of the violent waves and uncertain approach to a close by rocky strand. There is no suitable landing spot in view. „As we made nearer and nearer the shore, the land look’d more frightful than the sea.“[26] A final massive wave capsizes the boat, sending all the aspiring slavers to their probable deaths.

Authority is Dead

Kate carefully and deferentially removes a pair of brown shoes from the feet of a dead person. She needs better shoes for the trek through the jungle. Charlie Pace is eager to help and he asks to go with Kate and Jack on their mission to search for the cockpit and transceiver. Walking in the pouring rain, the trio comes upon the front part of the plane sticking up out of the ground at a 45 degree inclination. They go inside the wrecked mass of hardware. Expending a great deal of effort, they climb uphill through the forward fuselage interior towards the enclosed space of the machine’s flying controls. Jack bangs the handle of the cockpit door vigorously with his flashlight. One of the dead pilots – his corpse having apparently been leaning with the full weight of gravity against the door – comes tumbling through. Entering the inner sanctum containing the seats of traditional authority, the three Lost survivors discover that one of the pilots, though injured with at least a concussion, is still alive! They give him some water to encourage him to speak. „How many survived?“ he asks. „Forty-eight,“ answers Jack. „How long has it been?“ „Sixteen hours.“ „Has anybody…?“ „Not yet.“ „Six hours in,“ the slightly overweight and out-of-shape pilot explains between moans of uneasiness, „our radio went out. No one could see us. We turned back to land at Fiji. By the time we hit turbulence, we were a thousand miles off course. They’re looking for us in the wrong place.“

The group finds the transceiver, but it is not working. The sound of the monster is suddenly heard loud and clear. Jack tries to see it through the film-covered window. The Captain sticks his head outside to get a direct look. The beast takes him in one fell swoop. Off-camera, he is lifted high into the air and thrashed about. Blood is splashed on the windshield. Presumably the pilot has been eaten. This ground-shaking Event causes the entire construction of the „guiding“ part of the plane (which was pointing upwards at the angle of an erect phallus!) to topple over, restored to level ground. „What the hell just happened?“ exclaims the bewildered Charlie Pace, who in the meantime had made a sneak trip to the bathroom to give himself a drug fix. Overcome by fear, the three leading characters hightail it outta there pronto. They drag each other through the swamp until Charlie’s leg gets caught in the big muddy.
KATE
I run and run until at last stopping to catch my breath. I’m all alone in the woods! I’m standing here shivering with cold and fear. I’m sobbing and panting. The monster is out here somewhere! Oh God, oh God, it’s going to get me! I don’t want to die! I hear the wailing from above and thunder in the distance. Jack! Where’s Jack? How did we get separated? I need that man. That protector. Protecting spirit, enter me! Have you given me strength? Now what’s this? Someone’s beside me! It’s that other boy. He looks terrified. What’s he got to say for himself? „That thing,“ he slowly utters in naked dread and trembling of the Other. „We were dead. And then Jack came back and he pulled me up.“ My Jack! A real man. He needs my help. GO BACK AND GET HIM, Kate. But wait it seems that this little girlie-boy doesn’t want to go back! Timidity oozes as words from his mouth. Some lame excuse about the monster’s bulking dimensions. „There’s a certain gargantuan quality about this thing,“ the insignificant nothing bleats. Yeah right, soldier boy. Bet it had sharp ferocious Jaws, too. OK, I’m on my horse, Charlie, moving courageously back through the quagmire that guys like you always seem to bumblingly blind-stagger us into. Full stop. What’s that? A small lustrous precious object lying on a mud bank next to a puddle. Some kind of metal medal? It’s the pilot’s wings. The physical symbol of a Captain’s bravery, skills, and leadership qualities. I reach down and pick it up. Now a slight shift of my ocular perception to the right. I see the reflection of the pilot’s dead body in the small pool of still water. His corpse is hanging from the overhead trees. Who can believe this. Jack appears out of a clearing in the woods. Squinting our eyes in an act of controlled will and maximum intensity to hold back a flood of tears, we look up together at THE DEATH OF POWER. My man! He’s alive! I move to embrace him. Or to be embraced by him. I tilt my pretty head slightly to the left, a subtle gesture. I purse my lips ever so finely. He rebuffs me with a shoulder fake. The pilot’s a bloody mess. His face is disfigured. „How does something like that happen?“ wonders Charlie Pace out loud. At least we have the broken transceiver as a trophy from our hunting trip.

(18 November 2005 — Alan N. Shapiro)
Murray Shapiro was the son of Jewish immigrants from the Ukraine who owned a grocery store in Flatbush, Brooklyn. Eleanor Roosevelt was a regular customer in my grandfather’s store, as was later the wife of Brooklyn Dodgers baseball legend Pee Wee Reese. Murray enlisted at age seventeen in the U.S. Army. He served as Private First Class and an anti-tank specialist with the First Infantry Division. He fought the „Battle of the Bulge“ in Belgium. Murray was awarded the Bronze Star and the Purple Heart. After six months in combat, a shell exploded a few feet from his head. He was thrown violently to the ground from his gunner’s position and cracked his skull. After several days of unconsciousness, Murray woke up in the hospital, partly deaf with ringing in his ears for life. „We didn’t sleep day or night,“ he told me. „We slept whenever we could, in fits and starts. We took turns. We were hungry, cold and tired all of the time.“
The American men and women who risked their lives in World War II fulfilled their fundamental moral duty; they fought an enemy whose „evil“ was an unambiguous given. Courage and personal sacrifice were the routine conduct of this „band of brothers.“

The survivors came home to a postwar America of unprecedented prosperity and economic opportunity. In the 1950s and 1960s the collective project of making the American dream a reality unfolded in classic form. Thanks to the 1944 „GI Bill of Rights,“ affordable higher education and loans for new home construction were readily accessible to returning veterans. Murray Shapiro earned a degree in civil engineering from The City College of New York. Like his mentor James Ruderman, Murray also had a keen academic interest in structural engineering. He pursued his graduate studies at Columbia University.
Murray Shapiro was a great engineer. Others – like Jack Rudin[27] and Howie Zweig[28] – can speak about his skills and accomplishments with knowledge infinitely greater than mine. I will only say on this subject that I love and have always loved the Pan Am Building.[29] In the absence of the World Trade Center, the Pan Am Building takes on even greater significance.
In the 1950s, on the outskirts of New York City, agricultural tracts were converted to housing developments. In my earliest memory, my mother, Florence Morrison Shapiro, is buying fresh corn at the farm that was a few minutes‘ walk from our newly erected split-level house. We moved to our suburban community in 1958 when I was two years old and my brother Fred was four. Summer was my favorite time of year. Fred and I inherited our love of baseball from our Dad, and Fred passed on this passion to his two sons, Andy and James. Murray remembered many details of the first game he ever attended at Ebbets Field — in 1937 at age twelve. The great Carl Hubbell pitching for the Giants. Van Lingle Mungo on the mound for the Dodgers, the high-kicking righthanded desperado fireballer. Two and two, what’ll he do? Buy a Goldberg’s Peanut Chew.
For thirty-five years, my father commuted five or six days a week – by bus and subway, later by car – between Long Island and midtown Manhattan. He knew all the secret shortcuts to avoid traffic. While I was in high school, I worked two summers at the Office of James Ruderman[30] and sat in the passenger seat of the car twice a day for an hour while he drove. Take the Grand Central Parkway past the World’s Fair Grounds and LaGuardia Airport to just before the Triborough Bridge. Turn left under the elm and cut through backstreets and „Sneaker City“ – where teenagers had thrown dozens of pairs of sneakers tied together with laces over telephone wires – down to the 59th Street Bridge. Along the way, you could save three minutes by hotrodding it through the exit and re-entry ramps of a service station while the car on your left stood still.
My father sometimes worked sixty-four hours a week and I saw him on Friday evenings and on Sundays. He sat with me on a pew-like lacquered wooden bench in the temple at Shabbat services. The Jewish philosopher Martin Buber wrote about the deeply meaningful communication between I and Thou – sometimes in silence, without words – and this deep contact is what I experienced in synagogue and all my life with my father.He taught me to ride a bicycle. I remember vividly the moment he let go. We played catch together. We flew kites. He taught me about stamp collecting. We climbed bedrock in Central Park. My Dad did all kinds of stuff with Fred and me on Sundays, while my Mom exhibited her paintings in the Washington Square outdoor art show. He took us to the Museum of Natural History and to the movies. We saw Robinson Crusoeon Mars, the first science fiction film I loved. We saw PT-109. I would say the Kennedys were our symbolic hope. I met Senator Robert Kennedy on Sonny Fox’s Wonderama show when I was eight. We had a serious discussion about civil rights and the nature of leadership. During my last conversation with my father, when he was still fully alert, I told him that Bobby Kennedy was my childhood hero. „As well he should have been,“ Murray replied with calm emotion and great grammatical precision. Bobby should have been President.

My most cherished memories of my father are the times I spent with him at countless Mets games at Shea Stadium, at the Jets, Giants, Yankees, Knicks, and Rangers games we went to in the 1960s, and on the golf course at the Glen Head Country Club. Golf started for us when I was a kid with Pitch N‘ Putt at Jones Beach, then 9 holes at Christopher Morley State Park, and 18 holes at Eisenhower Park. Recently we played many rounds at Van Cortlandt Park. Sitting with my father in the loge reserved seats at Shea or in our golf cart at Glen Head, I experienced exactly Martin Buber’s privileged dialogue of Iand Thou. Indirectly, Murray recounted to me during those many sessions the story of his life.
What was the fundamental lesson that my father transmitted to me? What was the wisdom of the Jewish philosopher Murray Shapiro? I claim for my father the noble title of philosopher, because at the core of his being was his sense of deep moral responsibility. Within my father’s soul, there was a powerful sense of the sacred. Some men start and justify wars by saying that God has spoken to them. But as Judaism teaches, one does not write the name of God, meaning that one does not speak of the sacred directly. One speaks of what is sacred or holy indirectly through one’s deeds. Murray kept that which was sacred to him a secret. He never said it in any catch phrase or sound bite. But if one listened carefully – and I will always try to listen more carefully in my memories of him – there was much that was sacred to Murray. The Brooklyn Dodgers were symbolic of something profoundly sacred. Providing for your family and helping others who are in need were sacred responsibilities for Murray. My father financially supported many family members – including myself – when they were in a crisis or without income.
Murray had a keen sense of play and a great wit.Work for him was play. „Enjoy life and give yourself things to look forward to,“ he often told me. Murray’s vintage New York humor was a big part of his humanity. Groucho Marx was his favorite: „My name is Captain Spalding, the African explorer, did someone call me schnorrer? Hooray, hooray, hooray.“
Florence, my wife Helga Augustin and I share a beautiful memory of Murray’s 80th birthday. It was a warm and dry summer’s day, July 5th, 2005. The four of us drove downtown and took a walk on the West Side promenade. We drove in light traffic over to the Lower East Side. Visiting from Germany, I went into the St. Mark’s Bookshop and was delighted to discover that they had sold ten copies of my media studies book on Star Trek and wanted to order five more. We ate dinner in Katz’s Delicatessen. Katz’s had not changed a bit since we went there many times as a family during my childhood. They gave us a special table in the back. The owner was sitting at the table next to us. Our waiter told fascinating anecdotes of the restaurant’s history. The portions were huge and delicious. Murray told a story of his Bar Mitzvah in 1938. His father picked up the food for the Bar Mitzvah party at Katz’s Delicatessen. Murray Shapiro was a great New Yorker.
What the heck, when all is said and done Murray and I had a lot of fun together. And here’s the surprise: there’s more fun ahead. Whenever I’m having fun – or playing at work – I know that my Dad will be standing next to me, rooting me on. Murray would like us to enjoy and celebrate life.
The Spirit of St. Louis (by Charles A. Lindbergh)As I – Alan Neil Shapiro – grew into adolescence, advertising and shopping were more and more taking command of ordinary American life. One of the first malls on Long Island was a short drive from my family’s house. It was built at Roosevelt Field, the famous airstrip where Charles A. Lindbergh took off in theSpirit of St. Louis in 1927 on his pioneering transatlantic solo flight to Paris. After I got my driver’s license and car at age eighteen, I motored endlessly around the huge parking lots that encircle the multi-story department stores and long successions of smaller boutique shops of the Roosevelt Field Shopping Mall. After finding a parking space, I walked the promenades and inspected odd gadgets of every kind. I shopped at Macy’s for trousers and my Jockey underwear. I was like Raymond Babbitt, the „autistic savant“ character played by Dustin Hoffman in the 1988 movie Rainman, who can only wear underpants purchased at Kmart. On the way home, I stopped to put a tiger in the tank of my gas-guzzler and to try to impossibly match the left and right halves of a „game coupon“ to win a whole big fat bunch of Dead Presidents. You know: Bananas. Cold Cash. Megabucks. El Dinero. The Wherewithal. The Necessary. Moolah. Gelt. The Green Stuff. Lettuce. My Philadelphia Bankroll. Smakeroos. Gingerbread. Gravy. Paydirt. The Handsome Ransom. A Nice Piece of Change.

I – Charles Augustus Lindbergh – am in quest of the $25,000 Raymond Orteig prize being offered to the first woman or man to fly nonstop from New York to Paris. I’m on the airstrip at dawn on the North Shore of Nassau County, Long Island in my tiny cockpit. My whirlwind engine monoplane was built by a team of ingenious aeronautical engineers at startup Ryan Airlines Incorporated of San Diego, California. My enterprise has been financed by a group of intrepid risk-taking investors centered around the Robertson Aircraft Corporation of Lambert Field in St. Louis, Missouri. I haven’t slept a wink all night before undertaking a daring venture that will require digging deep within myself to muster every ounce of concentration that I possess within my mind and every scrap of courage that I own within my gut to avoid the sudden death which would follow in a matter of seconds after any momentary lapse in judgment or attention. Meteorological reports yesterday afternoon were so negative that I assumed that no takeoff this morning – or any morning in the near future – would be possible in the midst of the heavy fogs which had entrenched themselves throughout the Northeastern Corridor. I made plans to go out on the town with my friends Lane, Blythe, Stumpf, and Mahoney. We were going to catch a Broadway production called Rio Rita. Driving along 42nd Street, we stopped to phone the Weather Bureau and were surprised to hear of a sudden lifting of the storm over Newfoundland. We immediately called off going to the theater and settled instead for a quick dinner at Queensboro Plaza. While my friends readied themselves to work on final preparations all through the night in the hangar where the Spirit of St. Louis is sheltered, I returned to my hotel to try to get some shut-eye. I laid down at a quarter to midnight knowing that I only had two-and-a-half hours before I had to get up again. The comrade who was stationed outside my hotel room door to guard against intrusions by the media blundered by entering the room himself to tell me how much he is going to miss me. He interrupted my attempt to fall asleep. Now I’ve got to start a flight of approximately thirty-six hours having already missed a night’s sleep.
Daybreak. Sunrise in Garden City. „The engine’s vibrating roar throbs back through the fuselage and drums heavily on taut fabric skin. I close the throttle and look out at tense faces beside my plane. Life and death lies mirrored in them — rigid, silent, waiting for my word. I glance down at the wheels. (…) I’m conscious of the great weight pressing tires into ground, of the fragility of wings, of the fullness of oversize tanks of fuel. Plane ready; engine ready; earth-inductor compass set on course. The long, narrow runway stretches out ahead. Over the telephone wires at its end lies the Atlantic Ocean; and beyond that, mythical as the rainbow’s pot of gold, Europe and Paris. (…) Wind, weather, power, load — how many times have I balanced these elements in my mind, barnstorming from some farmer’s cow pasture in the Middle West! But here, it’s different. There are no well-established standards from which to judge. Of course our test flights in San Diego indicate that it will take off — theoretically at least. Those carefully laid performance curves of ours have no place for mist, or a tail wind, or a soft runway. I can turn to no formula, the limits of logic are passed. Now, the intangible elements of flight – experience, instinct, intuition – must make the final judgment, place their weight upon the scales. In the last analysis, when the margin is close, when all the known factors have been considered, after equations have produced their final lifeless numbers, one measures a field with an eye, and checks the answer beyond the conscious mind. (…) Sitting in the cockpit, the conviction surges through me that the wheels will leave the ground, that the wings will rise above the wires, that it is time to start the flight.“[31]
What I truly believe in is the Spirit of Conquest, as I phrase it in my own summary self-interpretation presented in the Preface to my memoirs which were fourteen years in the writing.[32] Or do ‚I‘ really mean – a possible secondary deconstructive reading – the Spirit of the Quest? When I was an air-mail pilot flying the St. Louis-to-Chicago route with stops in between, it was my sworn duty to deliver paper business transaction messages – come hell or high water – to connecting flights in the Windy City that carried the letters on to their designated addressees in New York. Many of my colleagues sacrificed their own lives to help the United States Government accomplish its noble mission of establishing an efficient postal system, crashing onto some ordinary wheat field or into some unseen vertical obstacle when blinded by fog or storm. Mail truck drivers voluntarily assisted us during unpaid off-duty hours in refueling and restarting our converted Army-military war machines at the intermediate stops in Illinois on the way to the realization of our dreams of serving our country and a just cause.

Flying alone at night by the light of the silvery moon, I stake my claim as a human being to equality with that elegantly refined immortal natural satellite, my entitlement to fairly fight tooth and nail for my share of happiness in this lifetime, and my chance to leave a mark after my death commemorating my short stay in this world. To sing a song of myself, to rise to become a beacon of pale light for other lonely travelers struggling to find their way and themselves in the prevailing nocturnal darkness. Someday my body will be no more, but the spirit of my works will eternally return as per a logic of non-linear temporality like the inexact coincidence between the calendrical cycle of the moon’s phases and the duration of the solar year. It is the perspective of the moon that interests me. „It makes the earth seem more like a planet; and me a part of the heavens above it, as though I too had a right to an orbit in the sky.“[33] I am a flying ace, an aviation pioneer, a Captain of Ingenuity, and I live by a credo. I practice my devil-dog daredevil occupation so that one day humankind will dominate the sky. But as a theorist of power, ‚I‘ (Alan Shapiro-Charles Lindbergh) know that „domination“ must be understood and performed without any corresponding submission by the other — without victims. And as an antiwar theorist of technology and media, ‚I‘ diverge from the negative assessment made by Paul Virilio in War and Cinema that vision from an airplane must be the basis of a „logistics of military perception“ for the purpose of surveillance and control over territories on the Earth below.[34] As an important aspect of an alternative post-military and post-cinematic ethic-aesthetic, ‚I‘ fly in order to have a view over, under, around and through the world more generally and supportively, like Heidegger’s shepherd of being in hyper-modern hyper-textual mode, or the cross-pollination carried out by bees. ‚I‘ can soar without sacrificing others or the planet. I – Charles A. Lindbergh – dream of being able to fly anywhere or achieving independence from the Earth. Such an altered gravity situation might be like the experience of walking on the moon — the reaching of a truly antipodal or reverse-mirror perspective on the West.

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Alan N. Shapiro on Deutschlandradio Kultur:  „Ich halte Star Trek für einen großen Text der westlichen Kultur“. Interview vom 10.12.2009
Alan N. Shapiro interviewed by Laura Mitchell on redroom: „The Revolution Will Not Be Televised, it will be led by Radical Software“. Interview vom 26.12.2009

 

Endnoten    (↵ returns to text)

  1. Bly, Robert, Iron John: Iron John: A Book about Men (originally published in 1990), New York: Vintage Books, 1992; p.31.
  2. Heidegger, Martin, “The Age of the World Picture,” in Off the Beaten Track (edited and translated by Julian Young and Kenneth Haynes, originally published in German in 1950), Cambridge, UK: Cambridge University Press, 2002; p.74.
  3. McLuhan, Marshall, “The Medium Is the Message,” in Understanding Media: The Extensions of Man (originally published in 1964), Cambridge, MA: MIT Press, 1994; pp.7-21. Baudrillard, Jean, “Requiem pour les media,” in Pour une critique de l’économie politique du signe, Paris: Gallimard, 1972; pp.200-28.
  4. McLuhan, Marshall, “Television: The Timid Giant,” in Understanding Media: The Extensions of Man; pp.308-37.
  5. McLuhan, Marshall, Understanding Media: The Extensions of Man. Kroker, Arthur, “Digital Humanism: The Processed World of Marshall McLuhan,” in Kroker, Arthur and Kroker, Marilouise, eds., Digital Delirium (Culturetexts), New York: St. Martin’s Press, 1997; pp.89-113.
  6. Baudrillard, Jean, “Fétichisme et idéologie: la réduction sémiologique,” in Pour une critique de l’économie politique du signe, Paris: Gallimard, 1972; pp.95-113.
  7. See Weinstone, Ann, Avatar Bodies: A Tantra for Posthumanism (Electronic Mediations), Minneapolis, MN: University of Minnesota Press, 2004.
  8. Ozaniec, Naomi, Meditation (originally published in 1997), Chicago, IL: Contemporary Books, 2001; p.70.
  9. Kroker, Arthur, Kroker, Marilouise and Cook, David, Panic Encyclopedia, New York: St. Martin’s Press, 1989; p.13.
  10. See Daghdha Dance Company, Choreography as an Aesthetics of Social Change.
  11. Derrida, Jacques (1976), Writing and Difference (translated by Alan Bass, originally published in French in 1967), Baltimore: Johns Hopkins University Press.
  12. Heidegger, Martin, “The Age of the World Picture,” in Off the Beaten Track; p.81.
  13. Heidegger, Martin, “The Age of the World Picture,” in Off the Beaten Track; pp.67-8. I have modified the Julian Young English translation. The original German reads: “Das Seiende im Ganzen wird jetzt so genommen, daß es erst und nur seiend ist, sofern es durch den vorstellend-herstellenden Menschen gestellt ist.” “Die Zeit des Weltbildes” in Holzwege, Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1950; p.89.
  14. Locke, John, Two Treatises of Government and a Letter Concerning Toleration, Stilwell, KS: Digireads.com Publishing, 2005; p.1.
  15. Defoe, Daniel, Robinson Crusoe (edited with an Introduction and Notes by John Richetti, originally published in 1719), London: Penguin Books, 2001; p.1.
  16. Robinson Crusoe; p.6.
  17. Robinson Crusoe; p.6.
  18. Robinson Crusoe; p.6.
  19. Robinson Crusoe; p.11.
  20. Robinson Crusoe; p.11.
  21. Robinson Crusoe; p.14.
  22. Robinson Crusoe; p.14.
  23. Robinson Crusoe; p.17.
  24. Odier, Daniel, Tantric Quest: An Encounter with Absolute Love (translated from the French by Jody Gladding), Rochester, VT: Inner Traditions, 1997.
  25. Bateson, Gregory, Steps to an Ecology of Mind (with a new Foreword by Mary Catherine Bateson, originally published in 1972), Chicago: University of Chicago Press, 2000. Elsasser, Walter M., Reflections on a Theory of Organisms: Holism in Biology (Introduction by Harry Rubin, originally published in 1987), Baltimore, MD: The Johns Hopkins University Press, 1998. Haraway, Donna J., Modest_Witness @Second_Millennium: FemaleMan©_ Meets_Onco Mouse™, New York: Routledge, 1997.
  26. Robinson Crusoe (Penguin Popular Classics); p.37.
  27. Jack Rudin is chairman of Rudin Management Co., one of New York City’s leading real estate developers. My father Murray Shapiro was a close friend of Mr. Rudin, and worked as his structural engineer on many major high-rise office building projects.
  28. Howie Zweig is a retired principal of my father’s consulting engineering firm, the Office of James Ruderman. Murray was Howie’s mentor and close friend.
  29. In the early 1960s, my father engineered the structural integrity and worked out the painstaking safety logistics of the monumental Pan Am Building (now the Met Life Building, recently sold again), constructed over the north shed of Grand Central Terminal and atop an eight-story base of granite. Completed in 1963, the skyscraper owned initially by America’s foremost international airlines is the largest commercial office building in the world — nearly four hundred thousand square meters of rentable space. Eclipsed in size later only by the World Trade Center, the vertical structure clad on the outside with concrete panels “towers over the middle of Manhattan.” See Clausen, Meredith L., The Pan Am Building and the Shattering of the Modernist Dream, Cambridge, MA: The MIT Press, 2004. Professor Clausen conducted an extensive interview for her book with my father Murray Shapiro.
  30. The Office of James Ruderman, Consulting Engineers was founded in 1927, following a working stay of several years by Mr. Ruderman in post-Revolutionary Moscow.
  31. Charles A. Lindbergh, The Spirit of St. Louis, New York: Scribner, 1953; pp.181-4, passim.
  32. The Spirit of St. Louis; pp.ix-xii.
  33. The Spirit of St. Louis; p.11.
  34. Paul Virilio, War and Cinema: The Logistics of Perception (originally published in French in 1984, translated by Patrick Camiller), New York: Verso, 1989.

Regisseur Wim Wenders über die digitale Riesenchance. Wim Wenders im Interview mit Ronald Klein, 25.08.06

Regisseur Wim Wenders spricht über sein Videodreh für die Band „Die Toten Hosen“, über seine Arbeit in den USA und das Klischee vom „Autorenfilm“. Thema ist außerdem die damals aktuelle Filmarbeit von Wenders, End of Violence.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit den Toten Hosen, für die Sie den aktuellen Videoclip inszenierten?

Ich bin vom Manager der Hosen angeschrieben worden, ob ich eventuell Lust hätte, ein Video zu machen. Klar, habe ich gedacht, als alter Fan der Band, das würde mich interessieren, aber ein Musik-Video kann nach meiner Erfahrung nur gut werden und Spaß machen, wenn man zu einem Song wirklich eine Beziehung hat. Also habe ich geantwortet, daß ich a priori interessiert wäre, aber gerne mal das Lied hören würde. Kurz darauf kam die damals brandneue CD vorbei, „Unsterblich“. Die habe ich mir von A bis Z angehört, und einige von den Songs haben mir richtig gut gefallen. Aber mit Abstand der beste Song, in meinen Augen (und Ohren) war „Warum werde ich nicht satt?“ Keinen anderen hätte ich mir auf der ganzen CD besser vorstellen können als ein Musik Video, was mir Spaß machen würde und wo ich auch dahinter stehen könnte. Also habe ich zugesagt. Und das keine Sekunde bereut. Hunderte von Malen habe ich das Lied gehört, in der Vorbereitung, beim Drehen und in der langen Post-Produktion, und es ist mir nie zum Hals heraus gehangen. Im Gegenteil, es ist weiter gewachsen. Für mich inzwischen echt so was wie ein deutsches Pendant zu „Satisfaction“, und ein größeres Kompliment kann man einem Rock-Song wohl nicht machen.

Sie leben seit einiger Zeit in Amerika, wie wirkt sich dies auf Ihre Arbeiten aus? Was müßte der deutsche Film (den es ja als Kategorie so eigentlich nicht gibt) noch unbedingt lernen?

Man kann eines lernen von den Amerikanern, wenn überhaupt, nämlich für ein internationales Publikum zu arbeiten, und nicht für ein nationales. Nun gut, ich habe in dem Sinne nie „national“ gearbeitet, und ohnehin immer ein größeres Publikum im Ausland gehabt als in Deutschland. Aber es gefällt mir, in den USA zu arbeiten, und für eine Weile lang auch wieder da zu leben. Ich arbeite sehr gerne auf Englisch, die amerikanische Landschaft übt nach wie vor eine große Anziehungskraft auf mich aus. Und ich mag die Anonymität, die ich in Amerika habe, im Gegensatz zu Deutschland oder Europa. Wenn der Deutsche Film etwas lernen sollte, um nicht nur in Deutschland, sondern in der Welt Erfolg zu haben, dann, daß man sich nicht auf Rezepte verlassen sollte (für eine Weile lang war die „deutsche Komödie“ so ein Rezept) sondern das in dieser Zeit nur Erfolg hat, was eben nicht ausgetretene Wege geht. Der Tom Tykwer hat das mit „Lola rennt“ schön bewiesen. Die Amis sind auf dem Gebiet der „formulated movies“, also den nach Rezepten und durch Genreregeln durchgestylten Filmen ohnehin nicht zu schlagen. Da können wir im europäischen Kino gar nichts dagegen setzen. Sollten wir auch nicht, sondern das tun, was wir unsererseits besser können, nämlich spezifische Geschichten zu erzählen, mit lokalem Flair und lokalen Bezügen.

Sie sprachen vorhin an, daß das größere Publikum Ihrer Filme stets im Ausland zu finden war. In Deutschland haben Presse und Filmkritiker stets versucht, Sie auf das Format „Autorenfilmer“ festzunageln. Sind die deutschen Kinogänger zu verkrampft in der Erwartungshaltung?

Eigentlich liegt die Verkrampfung nicht auf der Seite des Publikums, sondern, wenn überhaupt, bei der Kritik. Ich bin ganz sicher, daß viele Journalisten ganz anders über meine Filme schreiben würden, wenn sie einmal ausnahmsweise nicht wüßten, von wem die sind. Wenders? Den kennen wir. Schublade „Autorenfilm“. Der macht ja schon seit 30 Jahren Filme. Was mich daran ärgert, ist die Denk- und Sehfaulheit. Und der fälschliche Umgang mit Begriffen. Was das in deren Köpfen wohl heißen soll, „Autorenfilm“, das möchte ich eigentlich mal gern wissen. Historisch war das die Personaleinheit von Regisseur, Autor und Produzent. Sonst heißt das Wort nichts. In dem Sinne bin ich längst kein Autorenfilmer mehr. „Der Himmel über Berlin“ wäre noch halbwegs ein Autorenfilm gewesen, auch „Faraway, So Close!“ vielleicht noch. Tom Tykwer ist in der Tat noch so jemand, der Autor, Regisseur und Produzent in einem ist. Nennt den irgendein deutscher Journalist „Autorenfilmer“? Ich glaube nicht. Eben weil der Begriff nicht mehr inhaltlich relevant ist, sondern als Schimpfwort benutzt wird, zum Deklassieren. „Einer von früher“, „Einer von gestern“ soll das nämlich heißen. Gegen dieses Vorurteil habe ich sonst nirgendwo zu kämpfen, und sowieso nicht bei den Zuschauern. Die sehen heute ohnehin jeden Film für sich, ohne eine Geschichte davor, und ohne den Zusammenhang eines „Werkes“. Was völlig in Ordnung geht. Ich mache meine Filme auch so, jeden als ob er der erste wäre, ohne auf irgendeine Erfahrung zu bauen. Deswegen freue ich mich auch über jede unvoreingenommene, neugierige und offene Rezeption.

Ein Film, der mich besonders fasziniert hat, war „The End Of Violence„. Hier wurde deutlich, wie ein Individuum hilflos den Strukturen gegenübersteht. Wie sind Sie auf den Stoff gestoßen?

Die Stadt Los Angeles hat mich zu diesem Film inspiriert. Wenn man so will, sehe ich in „End of Violence“ ein Porträt von LA. Überwachung ist ein großes Thema hier, so wie Gewalt. Nur, daß diese Stadt dieses Problem selbst hochgezüchtet hat. Wie keine andere hat sie Bilder von Gewalt in alle Welt verbreitet, und steht jetzt hilflos und entsetzt vor ihrem eigenen Produkt und versucht sich davor zu schützen. Mich hat interessiert, diesen Aspekt der Stadt einmal zu untersuchen, und auch zu zeigen, wie wenig die eigentliche Realität von Los Angeles in all den Filmen vorkommt, die dort gemacht werden. Wann sieht man schon mal, daß die Hälfte der Bevölkerung, die „Latinos“ nämlich, als unsichtbar angesehen werden.

Der Realismus scheint sowieso nicht die Rolle in Mainstream-Filmen zu spielen. Während früher ansatzweise Filme ein Spiegel der Realität oder der Gesellschaft waren, scheint der Trend dahinzugehen, daß Kino (oder darüber hinaus Medien) oftmals versucht vorzugeben, was Realität ist. Ist die Annahme irrig?

„Self-fulfilling prophecies“ nennt man das auf englisch. So sehr Ihre These natürlich stimmt, daß das Wort „Realismus“ eigentlich ein Schimpfwort geworden ist in weiten Bereichen der Unterhaltungs- und Medienindustrie, so sehr würde ich doch behaupten wollen, daß Film nach wie vor in der Lage ist, mit realen Dingen wahrheitsgetreu und kraftvoll und ethisch fundiert umzugehen. Und gerade das digitale Medium kann das gut (wie die Dogma-Filme zeigen), obwohl man der digitalen Bildsprache ja oft die Fähigkeit zur Wahrheit absprechen will und sie als rein manipulatorisch abkanzelt.

Die digitale Technik bietet zwar zum einen ein immer besser funktionierendes Überwachungsnetz, aber auf der anderen Seite auch eine Demokratisierung im künstlerischen Bereich. Junge Musiker oder Filmemacher haben bessere Möglichkeiten ihre Ideen kostengünstig zu produzieren. Glauben Sie, daß die Kulturindustrie hier noch eine Chance oder überhaupt ein Interesse hat, gegenzusteuern, um wieder mehr Einfluß zu gewinnen?

Die digitale Technik leitet in der Tat eine große Kulturrevolution ein, und die gesamte Kinoindustrie wird dies in den nächsten Jahren wie ein gewaltiges Erdbeben verspüren. Ich glaube allerdings, daß die „Kulturindustrie“ da wenig Steuerungsfunktionen haben wird, so wie sie das ja auch im Moment schon kaum noch hat. Die „Filmkritik“ z.B. hat ja schon längst kaum noch eine Funktion, und die meisten journalistischen Organe in diesem Bereich sind ja Teil der Zulieferindustrie und der PR geworden, keine Instrumente der „Kritik“ mehr. Im Konsumzeitalter läuft eben alles nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage. Das ist im Grunde auch die gewaltige Chance, die sich in der Zukunft jungen Filmemachern auftut: Sie können, sofern sie denn was auf dem Kasten haben, mit Consumer-Technologie, die in jedem Laden zu kaufen ist, Filme produzieren und damit potentiell ein Publikum in der ganzen Welt erreichen. Das gab es in der über hundertjährigen Geschichte des Films noch nicht. Da waren die teueren Produktionsmittel einfach von vornherein immer ein Stolperstein. Die Großen Studios werden sich gewaltig umgucken, wenn nämlich ein überwiegend junges Publikum in der ganzen Welt seine Meinung kundtun wird, daß es nicht nur die vorgekauten Großprodukte und Blockbuster sehen will, sondern auch Neues, Erfinderisches, Gewagtes, Unkonventionelles. Und die digitalen Mitteln bieten die Möglichkeit, in nächster Zukunft, solche Produkte billig und ganz direkt, ohne all die Mittelsmänner, an ein Riesenpublikum zu bringen. Darin sehe ich in der Tat eine Riesenchance für ein neues, wirklich unabhängiges Kino.

Der Jahrestag zur deutschen Einheit hat sich zum zehnten Mal gejährt. In vielen Fernsehsendungen wurde die Befreiung von der Diktatur des Sozialismus und der totalen Überwachung gefeiert. „The End Of Violence“ zeichnet hingegen ein düsteres Bild vom aktuellen Hier und Jetzt.

Wenn man mal davon ausgeht, daß diese Zustände, die der Film in Los Angeles beschreibt, demnächst auch bei uns gang und gäbe sein könnten, dann könnte man die Frage so stehen lassen. Das Zeitalter des späten Kapitalismus, unser vielbeschworenes Konsumzeitalter, hat seine eigenen Gesetze von Überwachung und Kontrolle mit sich gebracht, und dem Individuum andere Zwänge aufgedrängt wie die des Sozialismus. Im Endeffekt ist dabei mitunter dasselbe herausgekommen. Verlust von individueller Freiheit in vielen Fällen, Überwachung, Bespitzelung, Abhören… Nicht mehr bedingt durch die (vorgebliche) Herrschaft des Proletariats, sondern nur noch durch die Maximen des Konsums. Trotzdem, ich habe viel Verständnis für die Menschen, die mit den größten Hoffnungen aus der DDR herausgetreten sind, und dann bitter enttäuscht waren von der Realität der Freien Welt, die so frei eben nicht war, sondern ihr eigenes Gestänge von Unfreiheiten aufgebaut hat. Nicht, daß ich jetzt Gott weiß wie sozialistisch klingen will. Man muß nur höllisch aufpassen, jeder für sich, in welche Zwänge man sich begeben will, was man bereit ist zu konsumieren, zu welchem Preis. Das Konsumgut „Gewalt“ lehne ich, für mein eigenes Leben, ab. Und nichts andres tut ja unser Held in dem Film „The End Of Violence„, der Filmproduzent. Wo er Gewalt einmal am eigenen Leib zu spüren bekommt, will er sich mit aller Konsequenz davon lossagen…

In ihren Filmen steckt unheimlich viel Poesie und bestimmte Motive tauch(t)en immer wieder auf, zum Beispiel Menschen auf der Reise. Sie selbst lebten in u.a. in San Francisco, Berlin und nun Los Angeles. Was bedeutet Ihnen Heimat, wann empfinden sie Heimweh?

Heimweh kenne ich nur als die plötzliche Sehnsucht nach einem Ort, den man gut kennt, aber wo man lange nicht mehr war. Das hat aber gar nichts mit „Heimat“ zu tun. Ich rede mit einem Freund aus Australien und habe plötzlich eine brennende Sehnsucht nach der australischen Wüste und den Monaten, die ich da jede Nacht auf dem Wüstenboden geschlafen habe, ohne Zelt, einfach nur auf dem Sand. Oder jemand schickt mir eine Postkarte aus San Francisco, und mir wird klar, daß ich die Stadt seit 3 oder 4 Jahren nicht mehr aufgesucht habe, und ich habe das beklemmende Gefühl, etwas Wichtiges in meinem Leben zu verpassen, wenn ich nicht bald wieder da hin komme. Wenn man so viel gereist ist und in so vielen Orten gelebt hat, denke ich mir manchmal, daß man eigentlich ein paralleles Leben in vielen Orten gleichzeitig führt. Ich versuche, meine Heimatstädte Berlin, San Francisco, Düsseldorf, Sydney, New York, München, Tokyo, Oberhausen, Lissabon und Los Angeles gleichzeitig in mir am Leben zu erhalten, sozusagen, und zu verfolgen, wie sie sich entwickeln. Das einzige, was ich je wirklich als „Heimat“ empfunden habe, ist die deutsche Sprache. In der möchte ich Zeit meines Lebens wohnen bleiben.

Wenn Sie auf der berüchtigten einsamen Insel einen Videorekorder hätten, welche drei Filme würden sie mitnehmen?

Also, bevor ich dahin eine Videokassette mitnähme, würde ich lieber 3 CDs und 3 Bücher einpacken. Wenn es darüber hinaus immer noch die Möglichkeit gäbe, Filme anzugucken, dann wären das: „Die Spielregel“ von Renoir, „Banshun“ von Ozu und „Only Angels Have Wings“ von Hawks. Morgen wäre das schon wieder eine andere Liste. Anders als spontan kann man so was ja eh nicht beantworten.

Nach „Buena Vista Social Club“ und „Warum werde ich nicht satt“, steht nun wieder etwas mit Musik an: ein Film über Bap und ohne Drehbuch. Was darf erwartet werden?

Ein Heimatfilm.

Herr Wenders, vielen Dank für das Gespräch.