Nowotnick, Michaela: Genau wie im richtigen Leben? Im Simulationsspiel Die SIMs wird Kreativität nur simuliert, 11.04.05

Die Trennlinie zwischen virtueller Realität und Wirklichkeit ist immer weniger zu erkennen. Simulationsspiele wie Die Sims haben einen so großen Teil der Wirklichkeit absorbiert und zu eigenen Zwecken umgewandelt, dass das Spiel mittlerweile auch eine große Wirkung nach außen hat. Michaela Nowotnick in einer kritischen Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der virtuellen Realität.

Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten zimmergroßen Rechenmaschinen gefertigt wurden[1], ahnte wohl noch niemand, wie sehr sie das Bild des modernen Menschen einmal prägen würden. Nicht umsonst spricht man heute, 70 Jahre später, vom Computerzeitalter. Mit den alten Rechenmaschinen haben die derzeitigen Geräte kaum noch etwas gemein, vielmehr bergen sie in ihrem Inneren eine unendliche Vielzahl von Möglichkeiten auf unterschiedlichsten Gebieten. Sie haben unsere Gesellschaft durchdrungen und ihr ein anderes Aussehen gegeben. Kaum ein Prozess des modernen Lebens ist heute ohne den Einsatz von Computern denkbar,ehemals reale Vorgänge finden verstärkt auf digitaler Basis statt. So ist es mittlerweile selbstverständlich, seine Geldgeschäfte über das Internet abzuwickeln, sich Grüße nicht mehr auf Papier oder durch persönlichen Kontakt, sondern digital, in Form von SMS und e-Mail zu übersenden. Die Grenze zwischen der Rechner generierten, virtuellen Welt und der Realität scheint immer mehr zu verschwimmen. Simulationen im Sinne der Darstellung von Eventualitäten der Realität sind durch die Geschichte der Menschheit hinlänglich bekannt, mit der Entwicklung von Computern erfahren sie eine neue Dimension.

Eines der erfolgreichsten Computerspiele der letzten Jahre hat die Möglichkeiten der Simulation aufgenommen, verändert und neu interpretiert. Die vorliegende Arbeit hat dieses Computerspiel, Die Sims[2], zum Thema.

Die Komplexität des Spiels und die daraus resultierenden Interpretationsmöglichkeiten machen eine Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven unabdingbar. Neben der Struktur- und Spielanalyse ist der Aspekt der Intermedialität von zentraler Bedeutung. Die Integration klassischer Medien in das Spiel wird dabei ebenso zu betrachten sein wie die Aufnahme ludischer Elemente bzw. der Vorgang des Spielens im Allgemeinen. Dabei wird immer die Fragestellung nach möglicher virtueller Realität im Hintergrund stehen.

In Ermanglung expliziter Fachliteratur zum einen, zum anderen bedingt durch die Intermedialität, wird diese Arbeit auf eher fachfremder, aus anderen Medienbereichen kommender, Sekundärliteratur aufbauen. Viele Informationen sind zudem nur über das Internet einsehbar, die entsprechenden Seitenverweise sind angegeben; der letzte Zugriff erfolgte am 5. Februar 2006.

1. Die Simulation
1.1. Die Begrifflichkeit der Simulation und deren Entwicklung

Die Begriffe „Spiel“ und „Spielen“ umschreiben unterschiedliche Erscheinungen und Prozesse, denen in der Entwicklung der Menschen als Individuum aber auch im menschlichen Zusammenleben eine zentrale Bedeutung zu Teil wird.

Von Wettkampfspielen über Glücksspiele bis hin zu nachahmenden Spielen besteht ein nahezu unerschöpflicher Pool von Möglichkeiten der spielerischen Beschäftigung. Spielen umschreibt eine Tätigkeit, die frei von Nutzen ihren Sinn in sich selbst findet. Sie ist nicht produktionsorientiert angelegt und kann unter anderem dadurch größtenteils autark zur realen Welt existieren. Das Spiel ist nicht von Kunst und Phantasie zu trennen, denn, und hier ist vor allem das nachahmende Spiel zu nennen,es hat immer in einem Wechselverhältnis zu Kunst, Literatur und anderen Ausprägungen der Kreativität gestanden, wodurch eine stetige gegenseitige Beeinflussung stattfand.

Mit dem Computer und seinen neuen Mitteln der Verarbeitung und Darstellung haben sich die Möglichkeiten des Spiels um eine Darstellungsform erweitert. Von daher ist es unabdingbar, vor der eigentlichen Analyse des Computerspiels die Simulation, die im weitesten Sinne den meisten Spielen zu Grunde liegt, näher zu beleuchten.

Simulation, hier als Prozess des Vortäuschens oder Nachahmens bestimmter Vorgänge und Ereignisse definiert, rekurriert auf schon seit der Antike bekannte grundlegende Elemente künstlerischer Gestaltung.

In seiner Poetik lässt Aristoteles der Mimesis[3] einen besonders hohen Stellenwert zukommen. Sie ist für ihn der zentrale Akt der künstlerischen Ausformung und oberstes Prinzip der Dichtkunst, die alle anderen Formen dieser subsumiert.[4] Spricht Aristoteles von Mimesis, so meint er damit zwei verschiedene, doch aufeinander aufbauende Prinzipien: Jeder Mensch habe ein gewisses Bedürfnis zur Nachahmung schon von Geburt an inne. Mimesis sei demzufolge ein natürlicher Trieb des Menschen, der in der Dichtung aufgenommen und für deren Zwecke neu ausformuliert und bewertet werde.So existiere die Lust des Menschen an der Nachahmung und dem, was sie hervorbringe, beispielsweise die Freude am Betrachten von Dingen und Gegenständen, die in natura eher abschrecken würden.[5] Ursachen sieht der Philosoph in der Freude am Lernen, das durch Nachahmung geschieht und damit den natürlichen Antrieben entspreche. Das Bedürfnis etwas oder jemanden nachzuahmen sei also jedem Menschen angeboren und könne durch besondere Entwicklung und Förderung zu unterschiedlichen Ausprägungen gelangen.[6]

Von dieser These ausgehend wird verständlich, dass in Kunst und Dichtung immer mimetische, die Realität imitierende, Welten erdacht wurden. Der Mensch schuf sich dadurch die Option, künstlich erzeugte Nebenwelten zu rezipieren und an ihrer Entstehung und auch Vollendung zu partizipieren. Anregungen sind vor allem durch den angeborenen Instinkt des Lernens, durch Nachahmung und das sich daraus entwickelnde Teilhaben und Mitgestalten einer nicht realen Welt gegeben. Das Betrachten oder Aufnehmen dieser anderen, virtuellen Welt, die zwar Wirklichkeit abbildet, jedoch keine Wirklichkeit ist, schafft eine gewisse Distanz zwischen Realität und Rezipienten. Wirklichkeit wird einfacher zu erfassen und zu verändern. Fabeldichter konstruierten eine Welt, in der die Missstände der Realität aussprechbar wurden. Die Deklaration eines künstlichen Konstrukts reichte zumeist aus, harsche Kritik am bestehenden System ohne große Folgen für die eigene Persönlichkeit äußern zu dürfen.[7]

Auch jedwede Utopie zeigt eine Option der realen Welt, simuliert die Realität unter bestimmten Bedingungen und Voraussetzungen. Doch ist und bleibt auch sie nur eine Eventualität, die nicht der Beweisführung ihrer praktischen Existenz bedarf.

Beispiele sind in Kunst, Literatur und dem alltäglichen Leben zahllos zu finden, was darauf schließen lässt, dass imotatio und simulatio in jeglicher Form des menschlichen Daseins und in jeder Epoche der Menschheitsgeschichte auftreten..

Simulation ist aufgrund dessen keine Erfindung der Neuzeit, sondern sowohl eine kontinuierliche Entwicklung des menschlichen Seins als auch ein angeborener Trieb.[8]

1.2. Neue Simulationsmöglichkeiten durch neue Medien

Die neuen Medien, im speziellen der Computer, ermöglichen eine Erweiterung der Nachahmung um eine Ebene. Es ist nun praktikabel, sich in die Simulation hinein zu begeben und aufgrund dessen direkt mit ihr zu interagieren. Was zuvor dem Zuhörer und Betrachter nicht möglich war, kann in Computersimulationen zum ersten Mal realisiert werden. „[D]er Spieler kann in unterschiedliche Rollen schlüpfen. […] In der Spielwelt hat er die Kontrolle und die alleinige Macht. Der Spieler erlangt eine aktive Rolle, die ihm eine emotionale Kompensation zu seinem passiven Ausgeliefertsein im Alltag bietet.“[9]Zuvor konnte an von anderen erdachten Welten zwar teilgenommen werden, ein direktes Eingreifen in diese und damit hervorgerufene Veränderungen der Handlung war jedoch nicht vorgesehen. Mit dem Computer besteht zum ersten Mal die Möglichkeit, vorgegebene Muster zu verändern (im Vergleich zur Malerei und Literatur) sowie eigene Nebenwelten zu entwerfen und immer wieder neu zu verändern, wobei ein unmittelbarer und direkter Ausdruck des Gedachten stattfindet (im Vergleich zur Phantasie).

Die rechnergenerierte Simulation sollte allerdings trotz vieler Schnittstellen nicht als Äquivalent zur Mimesis verstanden werden. Mimesis schafft mit vorhandenen Mitteln etwas Neues und Eigenes, während die technische Simulation nur vorhandene Muster und Denkstrukturen aufnehmen und neu ausdrücken kann. Die Simulation eines Flugzeugfluges ahmt diesen in soweit nach, wie Informationen über einen solchen in den Rechner eingegeben werden, sie kann sich aber nicht über den vorgegebenen Code hinausbewegen, ist damit nur Ausdrucksmöglichkeit oder anderes Medium der Darstellung vorangegangener Prozesse. Es fehlt das Ingenium, das Genie, das zu eigenen kreativen Leistungen befähigt.

1.3. Der Eingang der Simulation in Computerspiele – Vorläufer der Sims

Die neuen Möglichkeiten von computergenerierten Simulationen wurden vor allem vom amerikanischen Militär schnell erkannt und für die Ausbildung ihrer Soldaten genutzt. Via Technik war es möglich, sich bei der Vorbereitung von Manövern von der Körperlichkeit zu lösen und die Welt alleinig durch Zeichenprozesse darzustellen. Simulationsprogramme erlangten nach und nach einen immer höheren Stellenwert in den unterschiedlichsten Bereichen und üben einen immer größer werdenden Einfluss auf unser tägliches Leben aus. Dabei waren die Grenzen zwischen Simulation und Spiel schon immer fließend. So wurden beispielsweise Flugzeugsimulatoren eigentlich zur Ausbildung von Piloten geschaffen, sind mittlerweile aber integrale Bestandteile vieler Computerspiele.

Eine der größten Zusammenschlüsse von Netzspielern ist die Spielergemeinschaft der Flugsimulator-Piloten[10]. Über einen Server in Amerika sind die Spieler untereinander verbunden und bilden ein Netzwerk. Die Spieler orientieren sich dabei streng an der Realität. Es gibt Fluggesellschaften, Fluglotsen, minutengenaue Flugpläne und sogar eine virtuelle Pilotengewerkschaft.[11]

Schnell wurde der hohe Marktwert von Computersimulationen erkannt, was einen verstärkten Einsatz im Unterhaltungsbereich zur Folge hatte. Ältestes Beispiel eines rein rechnergenerierten Simulationsspiels ist die Tennissimulation Pong, 1972 als Arcadenspiel, 1974 von Atari als Heimversion vermarktet.

Zahlreiche Spiele, die in irgendeiner Art auf Nachahmung der Wirklichkeit beruhen, sind seitdem entwickelt worden. Von klassischen, nicht rechnergenerierten Kriegssimulationen[12] über Computer gestützte Kriegs-[13], Flug-[14] und Tennissimulationen[15] bis hin zu Nachahmungen komplexer historischer Vorgänge[16], sind die Spielmöglichkeiten nahezu unerschöpflich. Subsumiert wird diese Art der PC-Spiele im Allgemeinen unter dem Begriff „Simulationsspiele“, ein nicht eindeutig definierter Terminus, der in der Fachliteratur sehr weit gefächert gebraucht wird.

Ausgehend von der lateinischen Vokabel simulare, die soviel wie nachbilden oder nachahmen bedeutet, können unter Simulationsspielen solche verstanden werden, die im weitesten Sinne ein Lebewesen oder einen Sachverhalt imitieren. Voraussetzung ist, dass auf der Grundlage diverser Daten gewisse Regelmäßigkeiten bei Objekten, Subjekten und Prozessen zu beobachten sind, aus denen sich typische Verhaltensweisen und -muster ableiten lassen.[17]

Das erfolgreichste Simulationsspiel seit seiner Entwicklung ist SimCity.[18]Jeff Braun und Will Wright veröffentlichten 1989 in dem zwei Jahre zuvor gegründeten Softwareunternehmen Maxis die erste Version der städteplanerischen Simulation, bei der es Aufgabe des Spielers ist, die Geschicke einer selbst entwickelten Stadt zu lenken. Das Spiel wurde ständig erweitert und verfeinert, sodass es heute in der vierten Version vorliegt.

Während in SimCity die schematischen Abläufe der Stadtentwicklung mit der Ansiedlung von Personen, Industriekomplexen und zahlreichen anderen Formen des Zusammenlebens in einem groben Raster zu bearbeiten sind, stellten andere Programmierer die Entwicklung von digitalen Wesen, die lebensähnliche Züge zeigen, in den Vordergrund. Bekanntestes Beispiel ist das Tamagotchi[19], ein kleines portables Gerät, in dem das Werden eines Kükens durch Füttern, Spielen, Pflege etc. gesteuert und beeinflusst werden kann. Im Zuge des großen Erfolges des virtuellen Haustiers kamen rasch andere Formen, wie Hunde und Katzen,[20] auf den Markt. Selbst das Aufziehen von Kindern zu Erwachsenen kann im Internet auf entsprechenden Seiten vorgenommen werden.[21] An dieser Stelle kann der Beginn einer umfassenden Lebenssimulation gesehen werden, die im Jahre 2000 mit den Sims die bis dato komplexeste Form annahm.

1.4. Entwicklung und Intention von Die Sims

Maxis, mittlerweile von EA-Games aufgekauft, gelang es, mit den Sims den eigenen Erfolg zu überbieten und eines der erfolgreichsten Computerspiele aller Zeiten zu entwickeln.[22] Vier Jahre und sieben Erweiterungssets[23] später erschien die veränderte und erweiterte zweite Version des Spiels, schlicht Sims 2 heißend. Für dieses Spiel sind mittlerweile ebenfalls einige Erweiterungen erschienen. Die Serienproduktion, wie sie schon bei SimCity zu beobachten ist, wirkt dem hohen finanziellen Risiko, das bei der Entwicklung aufwendiger Computersoftware vorliegt, entgegen. So können das Planen, Gestalten und Verbreiten eines PC-Spiels bis zu zehn Millionen US-Dollar kosten, wobei das Risiko immer bei den Publishern und Studios liegt.[24] Hat sich ein mediales Produkt hingegen erst einmal auf dem Markt etabliert, ist dessen serielle Weiterentwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Analogien sind, durch die Geschichte der Medien beginnend, mit der serienmäßigen Auflage der Kolportageliteratur am Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder nachweisbar. Noch scheint dieses Prinzip gut zu funktionieren, doch schließt Serienproduktion die Bereitschaft zu Neuentwicklungen größtenteils aus. Mangelnde Innovationsbereitschaft kann aber gerade auf einem so schnelllebigen Markt wie dem der Computerspiele das Aus für die Entwickler bedeuten. Da allerdings keine offiziellen Zahlen des Unternehmens vorliegen, kann über diesen Sachverhalt keine konkrete Aussage getroffen werden.

Die Sims will Menschen und menschliche Verhaltensweisen in einem menschlichen Umfeld nachbilden und damit als Nachahmung des menschlichen Lebens und Zusammenlebens verstanden werden. Da PC-Spiele, bedingt durch die technische Authentizität, einen anderen Realitätsgehalt vermitteln als in der Wirklichkeit vorhanden, kann natürlich nur im weiten Sinne von Nachahmung gesprochen werden. Es wird eine saubere und überschaubare Welt abgebildet, die sich auf eine Auswahldarstellung der Realität beschränkt, denn es ist unmöglich, soviel Datenmaterial auch vorhanden sei, sämtliche Systeme der Welt in ihrer Komplexität zu fassen.[25] Inwieweit eine Nachahmung der menschlichen Welt und des Menschen stattfindet, bleibtder Analyse des Spiels anzuschließen.

Auf Grundlage des PC-Spiels im One-Player-Modus wurde der Versuch unternommen, das Spiel in ein anderes Medium, das Internet, zu übertragen. Herald Peter Ludlow, Professor für Philosophie an der Universität Michigan, versuchte eine Multi-Player-Version des PC-Spiels[26], ein Onlinerollenspiel[27], im Internet zu etablieren. Ziel war das Erforschen möglicher Zusammenhänge zwischen realem und virtuellem Leben. Um teilzunehmen erstellt oder wählt der Spieler einen beliebigen Charakter und gestaltet dessen Leben nach den eigenen Vorstellungen. Leider ging aus dem Projekt noch keine Publikation mit konkreten Zahlen- und Faktenmaterial hervor, da es auf Grund finanzieller Unrentabilität nicht im intendierten Sinne ausgeführt und ausgewertet werden kann.

2. Beschreibung und Analyse der Sims

2.1. Aufbau und Spielweise der Sims

Die erste Version des PC-Spiel Die Sims erschien im Jahr 2000. Sie knüpfte zwar an eine längere Tradition der Simulation und Simulationsspiele an, schuf aber in ihrer Komplexität etwas vollständig Neues und setzte damit einen Meilenstein in der Spielsoftwareentwicklung. Im Folgenden sollen die Grundprinzipien des Spiels erläutert werden. Soweit nicht anders vermerkt, beziehen sich alle Darstellungen auf Die Sims 2.

In seinen wesentlichen Merkmalen kann Die Sims als schematische Darstellung des menschlichen Lebens gesehen werden, in der real mögliche Faktoren neben irrealen Dingen existieren. Anders als viele andere Computerspiele gibt es bei den Sims kein klar definiertes Spielziel, wodurch keine eindeutig definierbare Dramaturgie vorliegt. Die Entwicklung der Handlung wird vom Spieler in einem weitaus größeren Maßstab als in vielen anderen Spielen gestaltet; er ist es, der ein ganz eigenes Spielziel bestimmen muss. Es ist daher nicht von ausschlaggebender Relevanz,die Gesetze des Spiels herauszufinden um danach möglichst erfolgreich zu agieren, vielmehr soll mit den Möglichkeiten experimentiert werden, die die Software offeriert. So sind zwar Regeln und Versatzstücke, die einen konkreten Rahmen schaffen, vorgegeben, doch darüber hinaus ist der Spieler selbst für den Erhalt der Spannung verantwortlich. Eigene Prioritäten mit daraus resultierenden Spielstrategien müssen gefunden werden. Vorbild für die Gestaltung ist zu großen Teilen das reale Leben, denn da alle Aktionen in einer die Wirklichkeit imitierenden Beziehung zueinander stehen, ist der Rückgriff auf in der Realität gemachte Erfahrungen und dort erlernter Verhaltensmuster unerlässlich. Natürlich kann es sich bei alledem immer nur um eine modellhafte Nachahmung des menschlichen Lebens und Zusammenlebens handeln, sodass grundsätzlich bestimmte Handlungen die immer gleichen Folgen nach sich ziehen und so einfache Kausalketten aufgebaut werden. Es ist demnach von einer Schematisierung menschlicher Lebensprozesse zu sprechen, die sich unter anderem wie folgt äußern kann: Das häufige Studieren von Kochbüchern bewirkt bessere Fähigkeiten in der Nahrungszubereitung, wodurch nahrhaftere Mahlzeiten entstehen, sodass weniger und seltener gegessen werden muss und mehr Zeit in andere Tätigkeiten investiert werden kann. Gleichzeitig wird im Zuge gemeinschaftlichen Essens der Kontakt zu anderen Menschen intensiviert, was zu einem besseren Verhältnis der Figuren untereinander führt.

Das Spiel setzt sich aus drei Modi, dem Live-, Bau-, und Kaufmodus, zusammen. Diese bedingen sich gegenseitig, decken aber unterschiedliche Spielfelder ab.

Zu Beginn des Spieles werden die handlungstragenden Figuren entweder aus vorgegebenen ausgewählt oder aus modulierbaren Versatzstücken zusammengestellt. Geschlecht, Alter, Frisur, Gesichtsschnitt, Form und Farbe der Augen, Haut- und Haarfarbe, Make-up et cetera können verändert werden, sodass unterschiedlich aussehende Wesen entstehen, die so genannten Sims.

Durch den Import von Photos oder durch Zusatzprogramme aus dem Internet können Personen aus dem Umfeld, Prominente oder der Spieler selbst digitalisiert und durch das Spielgeschehen geschickt werden.

Auch Kleidung und Accessoires können hinzugefügt oder entworfen werden. Anschließend wird über das Verteilen von Eigenschaftspunkten, die unter anderem in den Gattungen „Ordnung“, „Romantik“ und „Ehrgeiz“ vergeben werden, die „Persönlichkeit“ der Figur festgelegt, die daraus resultierend einem bestimmten Sternzeichen zugeordnet wird. An dieser Stelle lässt sich erahnen, was später immer wieder bestätigt wird: Sympathie erklärt sich hauptsächlich über Astrologie. Stiere können besonders gut mit Löwen auskommen, finden Wassermänner allerdings unglaublich schrecklich und fangen mit diesen sofort einen Streit an. Der neu entstandene Sim bekommt nun ein Lebensziel verpasst, wobei die eher klischeebesetzten Kategorien „Romantik“, „Wissen“, „Familie“, „Ruhm“ und „Ruf“ zur Auswahl stehen.

Nach dem Erstellen der Figuren besteht das Spiel im Großen und Ganzen darin, die eigenen Sims durch ihr Leben zu begleiten. Das Leben der Figuren verläuft nicht in Echtzeit. Ein Tag dauert je nach Spielgeschwindigkeit fünf bis zehn Minuten. Auch das Altern verläuft schneller als im wirklichen Leben, ein Sim erreicht etwa alle 30 Tage ein neues Lebensalter.

Da die Figuren nicht ohne das Eingreifen des Spielers zu einem selbstständigen Leben fähig sind, ist es unerlässlich, ihre einzelnen Schritte zu überwachen, Entscheidungen für sie zu treffen und für ihr körperliches Wohl zu sorgen. Auffällig ist, dass die Sims in der ersten Fassung des Spiels mit dem entsprechenden Equipment zu einem selbstständigen Leben fähig waren. Der Spieler jedoch fühlte sich nicht gebraucht und das Spiel wurde schnell langweilig. In Die Sims 2 wurden absichtlich Störungen integriert, die eine eigenmächtige Entwicklung verhindern, sodass der Verlauf des Spiels nur unter ständiger Bereitschaft des Spielers garantiert ist.[28]

Der Spieler kann mit den Figuren interagieren, indem er ihnen Handlungsanweisungen gibt. Allerdings gehorchen die Sims nur, wenn sie guter Stimmung sind. Ist dies nicht der Fall, wird jegliche anstrengende Beschäftigung verweigert, sogar die Schreie des Nachwuchses werden ignoriert.

Für den Spieler leitet sich daraus die wichtige Aufgabe ab, die acht Grundbedürfnisse der Figuren, „Hunger“, „Komfort“, „Harndrang“, „Energie“, „Spaß“, „Freunde“, „Hygiene“ und „Umgebung“, immer ausreichend zu erfüllen. Schlechten Werten ist einfach und logisch abzuhelfen: Hygiene wird durch duschen, baden oder waschen erreicht, Spaß machen Computerspiele, Fernsehen oder lästern, für den Hunger gibt es einen Pizzaservice, die Küche oder Restaurants und die Umgebung werden durch schöne und vor allem teure Objekte aufgebessert. Stimmung ist kaufbar, selbst Freunde werden vor allem durch möglichst opulente Partys gewonnen.

Eine weitere Aufgabe des Spielers ist es, dafür Sorge zu tragen, dass alle Gegenstände zur Bedürfniserfüllung vorhanden sind. Dabei befriedigen die teureren Objekte selbstredend besser als die billigeren. So reichen in einem 4 000 Simoleon (die Währung in der Welt der Sims) teuren Bett nur fünf Stunden Schlaf zur Auffüllung des Energiebalkens, in der Billigvariante würde es acht Stunden dauern. Qualitativ unterschiedliche Gegenstände sind im Kaufmodus erhältlich, wo Geld in Objekte, Pflanzen und Tiere umgetauscht werden kann.

Das Geld ist Basis des Spiels, denn nur ausreichend Kapital schafft die Möglichkeit, im Spiel aktiv zu sein. Ihr Einkommen beziehen die Sims aus frei wählbaren Berufen, die sie je nach Stufe der Karriereleiter vier bis acht Stunden am Tag beanspruchen. Während der Arbeitszeit ist der Sim nicht bespielbar, das heißt faktisch nicht vorhanden. Um mehr Geld zu verdienen, höheres Ansehen und kürzere Arbeitszeiten zu erreichen, muss der Sim die jeweils geforderten Fähigkeiten erfüllen, die die Voraussetzung für die Beförderung sind. Talent beim Kochen, motorische Fähigkeiten, körperliche Fitness und logisches Denken wollen trainiert werden, Charisma, Kreativität und die Anzahl der Freunde können durch das Ausüben bestimmter Tätigkeiten gesteigert werden. Wichtig hierfür sind diverse Gegenstände, die zum Erlangen der Eigenschaften benutzt werden. Bilder malen, Schach spielen, mit Hanteln trainieren oder mit Freunden telefonieren bringen schnell den gewünschten Erfolg und dem Sim ein Stück in seiner Lebensbahn weiter. Leben und Lebenssinn werden in diesem Schema auf einen stark vereinfachten American way of Life herunter gebrochen. Durch harte Arbeit und das Befolgen vorgegebener Strukturen erscheint alles erreichbar, in der Freizeit werden die Früchte der Arbeit genossen oder es wird mit Menschen aus der Nachbarschaft wild gefeiert.

Das Leben der Sims ist schön, Tod kann ausgeschaltet, darum gewürfelt oder schlicht für ewiges Leben bezahlt werden. So durchleben die Sims zwar sechs Altersphasen: „Baby“, „Kleinkind“, „Kind“, „Teenager“, „Erwachsener“, „Alter Knacker“ und den theoretisch folgenden Tod, doch kann dieser überwunden werden, sodass die virtuelle Figur unsterblich wird.

Damit der Spieler jederzeit die Persönlichkeit, Eigenschaften, Interessen und auch Erinnerungen seiner Figur abrufen kann, werden alle diese Daten in der so genannten Simeologie gespeichert. Darüber hinaus sind Hobbys, spezifische Interessen und der Stand der körperlichen Fitness, besondere Erinnerungen wie Partys, Feuer, der Rausschmiss beim Job oder der erste Topfbesuch des Nachwuchses in Form vonPhotos, immer wieder abrufbar.

In einem Haushalt leben bis zu sechs verschiedene Mitglieder, die alle individuell steuerbar sind. Die Figuren können miteinander verwandt sein, sich verheiraten und – soweit die Sympathie und erotische Anziehungskraft zwischen Mann und Frau vorhanden ist – Kinder bekommen. Automatisch wird ein immer wieder einsehbarer Familienstammbaum erstellt, der erkennen lässt, dass Charaktereigenschaften und äußere Merkmale, frei nach Mendel, auf die nächste Generation vererbt werden. Doch bevor es dazu kommt, müssen die Sims interagieren und unterschiedliche Stufen menschlicher Beziehungen zueinander aufbauen. „Feind“, „Freund“, „bester Freund“, „feste Beziehung“, „verknallt“, „Liebe“, „Ehepaar“, „verlobt“, „Affäre“ sind nur einige Beispiele für die Verhältnisse, in denen die Figuren zueinander stehen können.

Neben den Pflichten und lebensnotwendigen Vorgängen, die täglich erledigt werden, hat ein Sim auch Wünsche und Ängste, deren Erfüllung die Laufbahnanzeige positiv oder negativ beeinflusst. Steigt die Laufbahnanzeige, so werden Punkte gut geschrieben, die in Belohnungen, wie z.B. Geldbäume, umgetauscht werden können. Wünsche und Ängste verändern sich, wie im richtigen Leben ja auch, stetig. Reale und irreale Begehren stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander. So ist der Wunsch Kinder zu bekommen durchaus adäquat mit dem, einen Außerirdischen zu treffen. Hierbei sei anzumerken, dass Außerirdische in dem Spiel tatsächlich existent sind, sich mit Sims paaren und so ihre Erbinformationen unbemerkt in den menschlichen Genpool einschleusen können.

Der Aufbau und das Leben der Sims sind klar strukturiert und überschaubar. Jede Handlung zieht eine Konsequenz nach sich, alles läuft nach vorgegebenen Mustern ab. Die Wohnwelten Veronaville (in Anlehnung an Shakespeares Romeo und Julia), Schönsichtingen und Merkwürdigenhausen halten, was sie versprechen. Sims sind klar strukturiert, äußern, was sie wollen, und erscheinen damit schnell durchschaubar. So entsteht aus vielen Chips und gemütlichen Fernsehabenden schnell ein dicker Bauch, und wenn man die Sims zu viel küssen lässt und dabei auch noch ins Schlafzimmer führt, so entstehen schneller Kinder, als man denkt.

An den Lebensmodus, also das Bewegen der Figur durch den Raum, gekoppelt, aber dennoch autark bespielbar, ist der Baumodus.

Sämtliche Bauwerke lassen sich, ähnlich wie in einfachen PC-Architekturprogrammen,selbst gestalten. Es stehen bestimmte Elemente zum Kauf zur Verfügung, die unterschiedlich zusammengefügt werden können. Wände, Dächer, Zäune, Treppen, Boden- und Wandbeläge für das Haus, Blumen, Vögel, variable Swimmingpools und Bänke für den Garten. Mit einem Startkapital, das jeder Simfamilie mitgegeben wird, kann ein vorgefertigtes, später umbaubares, Haus gekauft oder selbst ein Grundstück erschlossen werden. Der Umbau von öffentlichen Plätzen, Einkaufszentren, Bars und Restaurants ist kostenlos und daher besonders zum Ausprobieren geeignet.Abb. 6 Immer wieder werden typisch amerikanische Elemente verwendet. So trifft man auf Umgebungen mit texanischen Westernwüstencharme oder auf glorifizierende Ausstattungen und Elemente des „Alten Europas“, die nur ein schlechtes Abbild der wirklichen Welt sein können und oft ein ungutes Gefühl verursachen. Gespiegelte Realität wird in freier Handhabe mit Fiktion vermengt, neben Regenbögen und Vögeln lassen sich beispielsweise auch Ufos in die Landschaft platzieren. Die Gestaltung der hochstilisierten Welt lässt oftmals beißende Ironie vermuten, die eine Persiflage der eigentlichen Welt darstellen soll, verliert sich aber meist im Bedienen von Klischees und Vorurteilen.

2.2. Integration der realen Welt

Die Hauptzielgruppe des PC-Spiels sind Jugendliche und junge Erwachsene. Zahlreiche spielinterne Kaufobjekte wurden der Welt der Jugendlichen entnommen und in das Spiel integriert. So wird der Musik eine überproportionale Bedeutung beigemessen, können typische Jugendzimmerobjekte wie Lavalampen, Plakate oder Stofftiere erworben oder Colaautomaten aufgestellt werden. Besonders die bislang erschienenen Erweiterungssets Volle Party[29] und College Jahre[30] referieren auf das (soziale) Umfeld der unter 30jährigen und befriedigen vor allem den Drang nach Unterhaltung.

Doch sind Computerspiele längst nicht nur mehr eine Domäne der jüngeren Generation, denn durch die zunehmende Freizeit gewinnen sie auch bei Erwachsenen eine immer größer werdende Bedeutung. So sind in dem Spiel Versatzstücke eines typischen Erwachsenenlebens zu finden, soll Verantwortung übernommen oder kann auf Kunstwerke oder Whirlpools gespart werden. Das Eingehen verbotener Partnerschaften kann besonders für lang Verheiratete spannend werden, das Ausüben exotischer Berufe als Abwechslung von der eintönigen Arbeit betrachtet werden.

Einschränkungen der realen Welt sind im Spiel umgehbar. So ist es möglich, Regeln, die in der Wirklichkeit durchaus vorhanden sind, ohne weitere Konsequenzen zu überschreiten und zu brechen, denn das Spiel folgt einer eigenen inneren Ordnung mit eigenen Regeln, in einem Raum, der zeitlich und räumlich von der Realität abgeschlossen ist.

Besonders Frauen scheinen an dieser Regelüberschreitung große Freude zu haben, denn sie stellen einen verhältnismäßig großen Prozentsatz der Spieler.[31]

2.3. Vergleich mit klassischen Spielen

Die Sims ist nicht nur als modellhafte Nachahmung des menschlichen Lebens zu verstehen, sondern offeriert dem Spieler diverse Möglichkeiten der Beschäftigung. So lässt sich eine Integration von klassischen Kinder- und Erwachsenenspielen ebenso wie Anleihen klassischer Medien in dem Spiel aufzeigen.

Scheuerl bestimmt den Begriff des Spielens als eine Tätigkeit, die freiwillig aus Vergnügen an dieser oder aber am Gelingen der Tätigkeit vollzogen wird. Das Spiel erfolge frei von äußerem Sinn und Zweck nach eigenen, klar vom übrigen Verhalten abgegrenzten Regeln.[32] Wendet man diese Definition auf das hier behandelte Computerspiel an, so ergeben sich daraus folgende Schlussfolgerungen:

Die Sims nehmen Elemente der Wirklichkeit in ein Spiel mit eigenen Regeln auf, die nicht denen der realen Welt entsprechen müssen. Die Tätigkeit des Spielens steht im Zentrum und nicht ein übergeordneter Sinn, auf den hinarbeitend die Tätigkeit ausgerichtet sein muss, sodass ein virtuelles Konstrukt aufgebaut wird, das seinen Zweck in sich selbst hat.

Darüber hinaus lassen sich unterschiedliche Motivationen zum Spiel vermuten, begründet durch die diversen Möglichkeiten, die das Spiel bietet. Neben dem eigentlichen Spielumfeld findet sich immer wieder die Integration klassischer Spiele und Spielelemente. Beginnend beim Durchführen verschiedener Rollenspiele, bekannt durch Puppen und Puppenstuben, sind viele Charakteristika auszumachen, die besonders Mädchen ansprechen. Zurückgehend auf Ausschneidebögen, lassen sich die Figuren anziehen, ähnlich wie Schminkköpfe verschönern und mit modischen Details versehen. Dabei ist es, bedingt durch das Medium Computer, möglich, dasklassische Spiel zu erweitern, indem Kleidung und Accessoires aus Versatzstücken selbst entworfen und immer wieder neu gestaltet werden können. Die Spielfragmente bedürfen nicht mehr des physischen Prozesses des Anmalens und Ausschneidens, sondern sind rein digital erlebbar.

Während im Life-Modus Merkmale typischer Puppenspiele aufgenommen und umgearbeitet werden, lassen sich im Bau-Modus Häuser erstellen, deren einzelne Elemente oft an typische Bausteine der LEGO-Serie erinnern. So gibt es von der Firma LEGO spezielle Baukästen für Mädchen – Belleville – die, ähnlich wie in den Sims, schon vorkonstruierte Bauelemente enthalten. Große Platten lassen sich zu Wänden und Decken verarbeiten, was das schnelle Entstehen großer Häuser mit Analogien zu Puppenstuben möglich macht. Ähnliches lässt sich auch in dem Baumodus der Sims ausmachen, wobei die Möglichkeiten durch Digitalisierung natürlich viel größer sind.

Weitere Parallelen zu Kinder- und Erwachsenenspielen sind im Charakter der Spiele zu finden. Neben Nachahmungsspielen gibt es Wettbewerbsspiele, bei denen die Teilnehmer ihre Leistungen aneinander messen. Sportspiele sind hierbei das bekannteste Beispiel. Auch in dem Sims gibt es solchen Wettbewerbscharakter in ähnlicher Form. Wenngleich es wie in anderen PC-Spielen, zum Beispiel in einem der ersten Spieler dieser Art, Spacewar[33], keinen High-Score gibt, an dem sich Spielergebnisse unmittelbar messen lassen, so kann besonders der Kampf um die Beförderung als ein Wetteifern mit dem Programm betrachtet werden. In der Onlineversion von Die Sims lassen sich regelmäßig Wettkämpfe von Spielern untereinander ausmachen. So entbrennen regelrechte Konkurrenzkämpfe um Geld, Jobs aber auch um die Gunst und Zuneigung anderer Figuren.

Beispiele für das Skizzieren anderer Spielideen lassen sich viele feststellen, doch sollen diese genügen um darzulegen, wie verschiedenartig das Spielprogramm geschrieben ist. Durch Aufnahme und Zitieren klassischer Spiele und Spielelemente werden die Möglichkeiten der Beschäftigung mit dem Spiel so sehr potenziert, dass es kein vergleichbares Spiel auf dem Markt gibt.

2.4. Der Aspekt der Intermedialität

Der Terminus Intermedialitätbezeichnet eine „[…] Forschungsrichtung, die im engeren Sinne die Beziehungen zwischen zwei Medien behandelt, wie sie aufgrund eines Zusammenspiels mindesten zweier distinkter Medien bestehen [.]“[34] Obwohl die Forschungsrichtung noch verhältnismäßig jung ist, gibt es Intermedialität als solche schon weitaus länger. Während Marshall McLuhan noch davon ausging, dass der „[…]Inhalt jedes Mediums immer ein anderes Medium ist[…]“[35], wird heute eher der sich an W. Wolf orientierende Definitions- und Differenzierungsvorschlag verwendet. Wolf unterscheidet drei Formen der Intermedialität: Die primäre oder inhärente Intermedialität bezeichnet die Synthese von Medien, wie sie zum Beispiel in der Transformation der Photographie in den Film zu beobachten ist. Die zweite Form wird als sekundäre Intermedialität beschrieben. Es handelt sich dabei um die mediale Umsetzung des eigentlichen Werkes in ein anderes Medium. Als Beispiel können Literaturverfilmungen und musikalische Bildinterpretationen gesehen werden. Figurative oder genuine Intermedialitätumschreibt die Erscheinungen, bei denen Strukturen eines Mediums in ein anderes übernommen oder zitiert und dort ausgeprägt werden.[36] Besonders im Film treten solche Formen oft hervor, z.B. die Aufnahme bzw. Zitat des Theaters in Lars von Triers Dogville[37] oder die des Comics in der Verfilmung von Sin City[38].

Wird der Computer als ein Medium, das die Schnittstelle zwischen dem Spieler und den Computerprogrammen darstellt, begriffen, so kann auch bei den Sims von Intermedialität gesprochen werden. Diverse Medien werden in das Spiel eingebunden. Im Besonderen lassen sich Analogien zum Fernsehen herleiten Ähnlichkeiten zu Soaps, Einrichtungs- und Jugendmagazinen feststellen. Die Unmittelbarkeit des Theaters, wie sie auch im Spiel erlebbar ist, wird nur durch die Wiederholbarkeit, durch die Möglichkeit des Speicherns gebrochen.

Neben der figurativen ist sowohl sekundäre als auch die primäre Intermedialität zu beobachten: Die schematische Darstellung des menschlichen Lebens bezieht natürlich auch die Omnipräsenz der Medien im Alltag des postmodernen Menschen mit ein. Das Spiel ist nicht mehr nur ein einfaches Spiel, sondern vereint in sich die Welt der multimedialen Spieler.

Die Spielfigur, der Sim, kann Dinge benutzen, die dem Spieler aus seinem täglichen Leben bekannt sind, bzw. dessen Funktion er sich leicht erklären kann.

So können neben bekannten Medien, wie Zeitungen und Zeitschriften, Fernseher, Computer, Musikanlagen und Radiogeräten Daten-Brillen oder eine komplette Cyberspace-Ausrüstung erworben und verwendet werden. Richtig angewendet führen sie zu Erfolgen in Laufbahn und Stimmung, verhelfen zu sozialen Kontakten und beruflichen Aufstiegen. Medien bestimmen den Alltag im Spiel. Die Figuren und ihr Leben sind abhängig von Fernseher, Zeitung et cetera. Dies kann als Zitat der Wirklichkeit betrachtet werden, gleichzeitig aber auch als Persiflage. Die Integration der in der Realität existierenden Medien intendiert nicht nur die simple Kopie. Im Fernsehen können zwar tatsächliche Sendungen angesehen werden, Musikfiles lassen sich in die Radioabspielprogramme integrieren und werden dadurch immer abrufbar, doch stellen sie nur eine technisch ungenügende Verquickung mit den Radio- und Fernsehempfangsprogrammen im Computer dar.

2.5. Die Integration von Medien und medienspezifischen Formaten und Rubriken

Digitalisierung von Musik und Fernsehsendern/Filmen macht es möglich, Medien in den Computer zu importieren und dort, unabhängig von physischen Datenträgern wie CDs, als Datensätze zu speichern. Ein Medium wurde von einem anderen aufgenommen und damit Intermedialität erzeugt. Die Sims allerdings gehen noch einen Schritt weiter, indem sie Musik und Fernsehen/Film wieder in eine neue, in eine computergenerierte Realität transformieren. Noch ist es nicht möglich, vielleicht auch nicht gewollt, dass Filme auch wirklich betrachtet werden können. In den virtuellen Fernseher der Sims können nur kleine Dateien importiert werden, die bestenfalls kurze Sequenzen oder Standbilder beinhalten. Neben der primären Intermedialität nimmt im Besonderen der virtuelle Fernseher nur die Struktur des eigentlichen Fernsehens auf und wandelt diese ab, ohne den eigentlichen Prozess des Fernsehens – der technisch nachahmbar wäre – imitieren zu wollen. Die Intention liegt vielmehr im Zitat des Mediums und nicht in der perfekten Transformation, denn nicht die Kopie in optima forma ist entscheidend, sondern das Aufzeigen und Einbeziehen der Medien in die simulierte Welt.

Ebenso verhält es sich mit der Musik, die aus virtuellen Radios und Anlagen kommt. Immer wieder werden die Kaufobjekte an die Neuentwicklung der Technik angepasst, so sind mittlerweile Plasmafernseher und MP3-Player als Downloadfiles verfügbar.

An dieser Stelle zeigt sich erneut, dass Die Sims besonders auf Jugendliche zugeschnitten ist und ihre spezifischen Interessen versucht zu verarbeiten.

Jugendrelevante Themengebiete werden an signifikanten Stellen immer wieder zitiert und nachgeahmt. In Jugendzeitschriften wie der BRAVO sind ähnliche Themen und Themenfelder zu finden wie in den Sims. So ist es möglich, Frisuren zu gestalten und die Spielfiguren mit neuen Modetrends zu versehen. Man kann den Körper der Figur modellieren und Gesichtszüge herausarbeiten, quasi seinen eigenen Körper designen. Astrologie, die immer einen großen Stellenwert in Jugendzeitschriften einnimmt, hat konsequenten Einfluss auf Leben und Handeln der Sims. Das Dasein der Figuren kommt einer Foto-Lovestory oder den Fernseh-Soap-Operas gleich. Den Jugendlichen wird es möglich, selbst eine Soap zu entwerfen und zu lenken, sich damit eine eigene, jugendspezifische Wunschwelt zu schaffen. Soziale Netzwerke und potentielle Lebensentwürfe junger Menschen können vor allem in der Erweiterung Wilde Campusjahre ausprobiert werden. In die gleiche Kerbe schlägt die Erweiterung Sims Superstar[39], die in Anlehnung an das bei Jugendlichen sehr beliebte Fernsehformat Pop Idol[40] entstand.

Die große Beliebtheit des Spiels bei Erwachsenen, die außerhalb der eigentlichen Zielgruppe liegen, forciert die Frage, inwieweit dieses Phänomen ein Spiegel der Gesellschaft ist. Das Faszinosum, des nicht Erwachsen werden Wollens der heutigen Zeit spiegelt sich darin genauso wider wie der Fakt, dass aus der Unzahl an möglichen Lebensentwürfen gewählt wird, die der Spieler ohne Folgen für die Wirklichkeit durchexerzieren kann. Natürlich kann auch der Rauschzustand nicht vernachlässigt werden sowie die Neugierde, wie die selbst erstellten Figuren sich entwickeln.Formate wie Big Brother nehmen ähnliche Phänomene auf.

Eingang in das Spiel erhalten auch spezifische Elemente aus anderen Medien. So scheint gerade eine Welle der Pseudokreativität in Bezug auf Bauen und Gestaltung durch die Fernsehlandschaft zu schwappen. Sendungen, die zeigen, wie einfach es ist, mit immer gleichen Versatzstücken, die vom immer gleichen Möbelhersteller kommen, „individuelle“ Wohnungen einzurichten, finden genauso Eingang in Die Sims wie Rubriken aus Frauenzeitschriften.

Aktualität scheint dabei von besonderer Wichtigkeit zu sein, wie ständige Erweiterungssets und die Fülle von herunterladbaren Objekten im Internet beweisen.

3. Wirklichkeit und virtuelle Realität

3.1. Die Sims als eine Form der virtuellen Realität – Vorüberlegungen

Die Sims stellen eine Besonderheit auf dem Markt der Computerspiele dar. Noch nie zuvor wurde versucht, menschliches Leben und Zusammenleben in dieser Komplexität in einem Computerspiel darzustellen. Während andere Computerspiele zumeist nur dann besprochen werden, wenn Untersuchungen in Bezug auf das Gewaltpotential möglich sind, wurden Die Sims auf ganz andere Weise diskutiert, wenngleich die Reaktion von Presse und Fachwelt sehr gespalten war. Während die einen mit ironischem Unterton auf die schematische Darstellung menschlicher Wesenszüge reagierten und bemängelten, dass „[z]ur Erfüllung eines Traums […] oft nur die richtigen Möbel […]“[41] gebraucht werden, versuchen die anderen die Programmierung der Figuren zu erforschen, um so Rückschlüsse auf das eigene Leben zu ziehen.[42] Der Grundtenor jedoch ist bei allen gleich: Hier handele es sich um mehr als nur um ein Computerspiel, in den Sims gibt es weitaus mehr Parallelen zum menschlichen Leben, als dies in anderen Spielen der Fall ist. Insbesondere die Nachahmung menschlicher Verhaltensweisen wird immer wieder betont, und dabei auf die Gefahren des Absorbierens im Spiel hingewiesen. Nika Bertram spricht sogar von einem digitalen „Menschenzoo“, der von den Spielern aus einer gottähnlichen Position heraus gelenkt werden kann.[43]

An dieser Stelle sollte zuerst die Frage gestellt werden, inwieweit bei den Sims von virtueller Realität gesprochen werden kann. Wird hier ein so perfektes Abbild der Wirklichkeit geschaffen, dass eine wirklichkeitsgetreue Nebenwelt aufgebaut wird? Virtuell, das sind durch den Computer erzeugte Objekte und Prozesse, die der Anlage nach als Möglichkeit vorhanden sind. Sie sind nicht substantiell, sondern nur scheinbar vorhanden und haben keine materielle Basis.[44] Die virtuelle Realität kann somit als eine Form der imitatio gesehen werden. Mimetisch werden Dinge aus der Welt aufgenommen und zu einem künstlichen, digitalen, Produkt verarbeitet, das als Abbild unserer Welt fungiert.

Unabhängig von möglichen anderen Meinungen sollen Die Sims im Folgenden als eine Form der virtuellen Realität betrachtet werden.[45]

Wie Welsch feststellte, kann bei virtuellen Realitäten nicht von einer reinenAbsorption der Wirklichkeit ausgegangen werden. Vielmehr liege der Reiz gerade in der Aufnahme und der Veränderung scheinbar bekannter Dinge, sodass die eigene Wahrnehmung völlig neu erfahrbar wird.[46] Die dadurch entstehende Distanz zur Wirklichkeit ermöglicht einen spielerischen Umgang mit gegebenen Strukturen und Regeln. Der Mord an einer Computerfigur zum Beispiel ist per se nicht strafbar, da er keinen Einfluss auf das reale Leben hat.

3.2. Die Veränderung der Realität

Trotz einiger Schnittstellen werden virtuelle Realitäten im Allgemeinen als technisch erzeugte Sonderwelten beschrieben, die unabhängig von der Wirklichkeit existieren. „Sie bestehen aus einem künstlich erzeugten Raum mit sichtbar gemachten Datenstrukturen und Agenten, der durch das Zusammenspiel von Computern, Programmen, Vernetzungen und menschlichen Handlungen wie Wahrnehmungen konstruiert wird. Es handelt sich dabei weder um einen realen Raum mit wirklicher Ausdehnung, noch um einen fiktiven durch Zeichen erzeugten Raum.“[47]

Die Entwickler von virtueller Realität sind im Allgemeinen versucht, eine möglichst hohe Authentizität zu erreichen, indem die Wirklichkeit in ihrer Erscheinung und ihren Prozessen möglichst exakt kopiert wird. Die Sims hingegen sind keine Abbildung der Wirklichkeit im engeren Sinne, sondern bedienen sich der Elemente der virtuellen Realität, um sie zu einer ganz eigenen Welt zu verarbeiten. Abgesehen von den fehlenden technischen Voraussetzungen – der Spieler kann sich nur über die Maus im Spiel bewegen, ist nicht mit einer Datenbrille oder ähnlichem ausgestattet – gibt es immer wieder Elemente, die den Spielcharakter betonen und die Distanz zum Spieler aufrechterhalten. Unmögliche Objekte, Grimassen der Figuren und ironische Kommentare akzentuieren den Phantasiegehalt und den Abstand zur Realität.

Von virtueller Realität im eigentlichen Sinne kann daher nicht gesprochen werden, sondern bestenfalls von einer virtuellen Umsetzung realer Strukturen und Grundmuster des menschlichen Lebens und Zusammenlebens. In Ermanglung eines entsprechenden Begriffs, soll „virtuelle Realität“ dennoch als Behelfsterminus verwendet werden.

3.3. Parallelen und Überschneidungen von Wirklichkeit und Spiel

Virtualität setzt das Vorhandensein von Realität voraus, denn es handelt sich um eine Simulation von Eventualitäten, die von der Anlage her in der Realität vorhanden sein müssen. Virtuelle Realität kann demnach als simulierte Realität beschrieben werden. Nimmt nun jemand an dieser simulierten Wirklichkeit teil, lässt sich auf sie ein oder geht wie im Fall der Sims spielerisch mit ihr um, so wird ihm ein Zeichensystem offeriert, dass sich an Grundmerkmalen der Realität orientiert, ihm aber teilweise völlig andere Aktionsmöglichkeiten bietet.

Während des Spiels befreit sich der Spieler von der Materie des eigenen Körpers, indem er eine digitale Figur erzeugt, die er nach Belieben mit Eigenschaften und Handlungsmustern belegen kann. Dabei können digitale Doppelgänger entstehen oder aber Figuren, die mit realen Personen nichts gemein haben. Diese Figuren lässt der Spieler in einer digitalen Welt agieren und interagieren, wobei er ihr Leben zu einem hohen Grad lenken kann, was ihm mit realen Personen natürlich größtenteils versagt bleibt. Experimente sind möglich, die keinen Einfluss auf die Wirklichkeit haben,„[d]ie Welt der digitalen Doppelgänger lässt sich […] als eine Art Freiraum denken, der eine Überschreitung von Grenzen erlaubt, […] als ein Raum der Suspendierung und Dispersion der selbstidentischen Subjektivität, als ein Raum schließlich, der es erlaubt, die gegebenen Denkstrukturen hinter sich zu lassen und anders zu denken.“[48]

Auf Grund der Beschränkungen durch das Medium Computer sind nur stark vereinfachte und schematisierte Handlungen und Aktionen überhaupt ausführbar. Doch anders als in Action-Spielen, erhält der Spieler den Eindruck, den Verlaufdes Spiels zu einem großen Teil mitbestimmen zu können. Wie schon erwähnt, ist in dem Spiel kein Endziel im eigentlichen Sinne vorgegeben. Es gilt nicht eine bestimmte Anzahl von Level zu durchwandern, um schließlich den Endgegner zu besiegen. Auch gibt es keinen High-Score, der zum Messen der eigenen Leistung mit der von anderen Spielern animiert. Denkt man die Ziellosigkeit des Spiels weiter, so stellt sich konsequenterweise die Frage nach dem Sinn. Auf Spielebene gibt es keinen eigentlichen Sinn, das Spielen wird zum Selbstzweck. Doch ist es ohne Ziel schwierig, eine Handlung zu gestalten, denn Handlung muss auf etwas hinführen, eine Aussage haben wollen, sonst verliert sie sich in sich selbst. Da in den Sims keine Einteilung in Gut oder Böse vorgegeben ist, besteht auch kein Anlass, für oder gegen etwas zu kämpfen. Alles ist für sich und unter einem bestimmten Blickwinkel betrachtet richtig. In Bars stundenlang zu tanzen hat so die gleiche Priorität wie das Gebären von Kindern oder das Lesen eines Buches und unterwirft somit sämtliche Aktionen einer gewissen Beliebigkeit.

Sinnvoll wird die große Beliebigkeit erst durch das Hinzudenken des Spielers, also die Erweiterung um die Dimension der Wirklichkeit. Der Spieler muss in Die Sims relativ hohe kognitive Leistungen vollbringen, denn er findet nur einen Rahmen vor, den er selbst mit einer Handlung füllen muss. So ist die Grundstruktur der Spieloberfläche vorgegeben, kann und muss aber vom Spieler verändert werden. Die Figuren sind in Anlagen und Verhaltensmustern festgeschrieben Charaktere, der Spieler selbst trägt aber zum Glück oder Unglück seiner Figuren bei.

3.4. Die Verbindung mit dem realen Leben

Überlegungen bezüglich dieser Teilzieleerinnern an Formen aus dem realen Leben. So kann für den Spieler eine Belohnung sein, seine Figur zum Einkaufen zu schicken, um für sie neue Kleider zu erwerben oder aber das Haus auszubauen und mit vielen teuren Einrichtungsgegenständen zu versehen. Hier schließt das Spiel an eine Erscheinungsform der Gesellschaft an, die sich in einer Definition von Personen über Statussymbole äußert.

Die Spannung des Spiels resultiert aus dem Erreichen von kleinen Zielen, nicht einem großen Endziel, wie z.B. dem Erretten einer Prinzessin in Donkey Kong[49]. Teilziele ergeben sich aber nicht zwingend aus einer vorgegeben Dramaturgie, sondern sind vom Spieler selbst zu bestimmen, sodass von einer Form der interaktiven Dramaturgie gesprochen werden kann.

Aus der Wirklichkeit bekannte Denk- und Handlungsstrukturen werden im Spiel um dieSphäre des Computers erweitert, wo sie dann beliebig verändert werden können. Da die in der Realität herrschenden Regeln zu einem großen Teil im Spiel selbst nicht existent sind, potenzieren sich die Möglichkeiten. Thomas Willmann geht sogar so weit zu behaupten: „Die Fähigkeiten und Möglichkeiten des realen Lebens werden übertragen aber in fest geschriebenen Grenzen kontrolliert, Fantasie vom Grenzübertritt wird auf domestizierten Akt ausgelebt.“[50] Allerdings kann sich natürlich nur entwickeln, was zuvor in der Programmierung eingegeben wurde.

Stark schematisierte Handlungen und Handlungsweisen werden in das Programm eingeschrieben. Der Spieler hat den Eindruck einer anscheinenden Vernetzung von Mensch-Maschine, da das Programm Aktionen erkennt und darauf reagiert. Durch diese Interaktion entsteht ein gesellschaftlicher Wirk- und Erfahrungsraum. Ein planbares Leben wird dargestellt, das verstärkt auf den „American Dream“ verweist. Jede Handlung hat eine berechenbare Folge, so führt harte Arbeit zu beruflich hohen Positionen, in denen man viel Geld verdienen kann. Mit Geld ist alles kaufbar, auch Freunde, Spaß et cetera, wobei alles natürlich nur im Rahmen der kleinbürgerlichen Familie geschehen darf. Doch trotz dieser einfachen Schemata und simpler Berechnungen können die Figuren zu Sympathieträgern werden, sodass auch Emotionen über das Spiel transportiert werden können. Dies geschieht allerdings nur auf einer Metaebene, die mit dem Spiel selbst kaum noch etwas zu tun hat.

Vilém Flusser geht davon aus, dass eine virtuelle Welt so real als möglich gestaltet werden soll. Er sieht den Reiz darin, dass hier Dinge ausprobiert werden können, die in der Wirklichkeit nicht ohne Konsequenzen erfahrbar wären.[51] Doch wird dieses durch Spielen der Sims noch erweitert. Neben dem Einbezug der Realitätgeht das Spiel immer wieder in den Bereich der Science-Fiction über. Aliens, die Paarung mit diesen, Unsterblichkeit und Geldbäume sollen nur einige wenige Beispiele hierfür sein. Eine Welt, wie sie hier geschaffen worden ist, muss sich deutlich von der Wirklichkeit unterscheiden, da sie ansonsten ihre grundlegende Funktion nicht mehr erfüllen würde. Das hauptsächliche Ziel der Sims kann erneut nicht als unbedingte Rückkehr zur Realität formuliert werden, sondern eine Neudeutung dieser im spielerischen Sinne.

Wenn Virtualität als „[…] Objektwelt […]“ verstanden wird, „[…] die Wirklichkeit zu sein verspricht, ohne sie sein zu müssen[…]“[52], so werden Bilder generiert, die nicht nur das eigentliche Bild darstellen, sondern den Eindruck von wahrhaftigen Objekten vermitteln. Für den Spieler, der sich auf diese Welt einlässt, sind die entsprechenden Dinge also tatsächlich vorhanden und nicht nur binäre Codes. Dabei gelingt in der Simulation die bisher so nochnicht da gewesene Verbindung von Imagination und Realität in einem Raum, in einer Oberfläche. Eine Interpretation der Wirklichkeit wird möglich, die sich je nach Spieler immer wieder verändern kann. Realität wird in ihren Eventualitäten durchgespielt, verändert und den eigenen Vorstellungen angepasst. Die Faszination von der Manipulation der Wirklichkeit scheint zu einem großen Teil die Faszinationdes Spieles auszumachen. Wir leben in einer großen undurchschaubaren Welt, die vom Einzelnen kaum noch in ihrer Gänze durchdrungen und verstanden werden kann, selbst hinter einfachen Vorgängen verbergen sich komplexe Strukturen und Abläufe. Absolute Orientierungsmaßstäbe gibt es im säkularisierten Zeitalter der Postmoderne kaum noch, Richtlinien sind eher unverbindlich und ziemlich frei interpretierbar. So verwundert es nicht, dass eine klar strukturierte und reglementierte virtuelle Welt, die durchdrungen und verstanden werden kann, auf große Gegenliebe stößt. Der Mensch wird wieder handlungsfähig, kann eigene bewusste Entscheidungen mit sofort ablesbaren Auswirkungen treffen.

Die Trennlinie zwischen virtueller Realität und Wirklichkeit ist immer weniger zu erkennen. Die Sims haben einen so großen Teil der Wirklichkeit absorbiert und zu eigenen Zwecken umgewandelt, dass das Spiel mittlerweile auch eine große Wirkung nach außen hat. So stellt sich Beth Simone Noveck, Professorin an der New York Law School, die Frage, ob Diebstahl von digitaler Kleidung wie echter Diebstahl zu ahnden sei.[53] Für reales Geld kann man in der Internetplattform Ebay Simoleons, die Währung der Sims, erwerben. Ebendort können auch digitale Objekte und Programme, die das Leben der Spielfiguren im Spiel angenehmer machen, gekauft, sowie auf der diversen Internetseiten[54] heruntergeladen werden.

Trotzdem man lange Zeit davon ausging, dass ein Transfer von der Spielebene in die reale Weltschon auf Grund unterschiedlicher Sinneszuständenicht möglich ist, scheint eine Vermischung nicht mehr unwahrscheinlich. Zwar ist ein Transfer von Emotion und Empathie von einer in die andere Welt noch nicht möglich, doch zeigen gerade Internetforen der Sims[55], dass die Figuren für viele Spieler mehr sindals bloße Objekte, die der erfolgreichen Bewältigung eines Computerspiels dienen. Sie sind nicht mehr nur (wie z.B. in Actionspielen) Spielsteine im Wettbewerb des Auffindens vonvorgegebenen Spielstrategien.

Obwohl die Sims nur ein plumpes Plagiat des Menschen sind, bieten sie jede Menge Projektionsfläche. Da jeder Spieler in einem gewissen Rahmen selbst an der Entwicklung seiner Figur teilnehmen kann, entsteht der Eindruck, eine Form künstlicher Intelligenz zu schaffen. Die Sims sind die Verkörperung der eigenen Kreativität und Phantasie. Ein gottähnlicher Zustand wird erzeugt, der einerseits dahingehend ausgelebt werden kann, dass man emotional am Leben der Figuren teilnimmtoder in irgendeiner Form experimentell mit der Untergebenheit umgeht. Richard Barbrook geht sogar so weit, von „Sklaverei ohne Schuld“ zu sprechen.[56] Faszinierend könnte darüber hinaus der Gedanke an ewiges Leben, Ruhm und die Vermeidung körperlichen Verfalls sein, ein Spiegelbild der säkularisierten Welt, die den Zufall ausschalten will und sich eine eigene Welt ohne zu Hilfenahme eines Gottes zu erschaffen. Natürlich kann im Spiel keine autarke Welt entstehen, denn es ist immer noch abhängig von der Realität, doch sei hiermit bewiesen, dass es sich um eine konsequente Weiterführung von Phantasiewelten in einer neuen Ausdrucksform handelt.

4. Zusammenfassung und Ausblick

Das Computerspiel Die Sims kann als Weiterführung früherer digitaler und nichtdigitaler Simulationen gesehen werden. In dem Spiel findet eine Nachahmung der Realität unter bestimmten Bedingungen statt, die in der Tradition anderer Simulationen aber auch älterer Computerspiele steht. Dabei kann und soll die Wirklichkeit nicht in ihrer umfassenden Komplexität nachgebildet, sondern explizit auf einige Sachverhalte und Schemata reduziert werden. Der Reiz des Spiels liegt gerade in der Vereinfachung von Prozessen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens, sodass diese überschaubar und einfach nachzuvollziehen sind. Darüber hinaus findet sich in den Sims immer wieder die explizite Betonung des Ludischen. Das führt sowohl zur Steigerung der Spielmotivation als auch zur Brechung mit der Wirklichkeit. Formen klassischer Spiele sind sowohl im Verlauf des Spiels als auchim Ablauf des Lebens der Spielfiguren präsent. Ähnlich verhält es sich mit der Aufnahme von Medien und medialen Prozessen. Zum einen ist es dem Spieler möglich, eigene Fotos und Filme zu erzeugen, zum anderen nehmen Medien in dem Alltag der handlungstragenden Sims einen hohen Stellenwert ein. Zudem lassen sich sowohl spielerische als auch mediale Elemente in Die Sims importieren, wodurch eine Veränderung des Spielablaufs möglich ist.

Alle Beobachtungen lassen immer wieder die Frage nach dem Aspekt der virtuellen Realität aufkommen. Wenngleich die Definition dieser im engeren Sinne nicht greift, so sind doch eindeutig Elemente virtueller Realität im Spiel zu finden. Der Focus liegt allerdings nicht auf der möglichst detailgetreuen Umsetzung der Wirklichkeit, sondern in deren Inszenierung. Realität wird verändert und neu gestaltet. Andere Schwerpunkte als im realen Leben werden gesetzt und phantastische Komponenten mit einbezogen. Die dadurch hervorgerufene Distanz zur Wirklichkeit bewirkt eine neue Erfahrbarkeit scheinbar bekannter Dinge aus dem alltäglichen Umfeld.

Die Sims offeriert eine Fülle von Beschäftigungsmöglichkeiten, könnte darüber hinaus aber auch ein interessantes Forschungsfeld für Wissenschaftler aller Art sein. Ein Anfang wurde mit der Onlineversion Herald Peter Ludlows gemacht, eine Weiterführung der Studie aus medienwissenschaftlicher oder aus der Perspektive der Marktforschung ist denkbar. Wird der Fakt, dass der Spieler im Spiel anders als in der Realität handelt und entscheidet, berücksichtigt, ist eine Betrachtung der Sims unter diversen Fragestellungen sicherlich lohnenswert, im Besonderen, weil der Computer und computergenerierte Welten einen immer größeren Einfluss auf den Menschen und das menschliche Zusammenleben haben.

Quellen:

Monographien und Sammelbände

  • Aristoteles: Poetik. Hrsg. u. übersetzt v. Manfred Fuhrmann. Stuttgart 2001.
  • Werner Rammert: Virtuelle Realitäten als medial erzeugte Sonderwirkung – Veränderungen der Kommunikation im Netz der Computer. In: Manfred Faßler (Hg.): Alle möglichen Welten. München 1999, S. 33-47.
  • Virtuelle Welten – reale Gewalt. Hrsg. v. Florian Rötzer. Hannover 2003. Daraus: Hartmut Gieselmann: Aktion „Sauberer Bildschirm“. S. 50-58 , Konrad Lischka: Schöne Spiele, falsche Freunde, S. 59-67, Florian Rötzer: Wirklichkeit, Realismus und Simulation, S. 112-117, Thomas Willmann: Death’s a game, S. 131-143.

Lexika, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel

  • Richard Barbrook: Der heilige Cyborg. In: Telepolis. Die Zeitschrift der Netzkultur 1 (1997), S. 22-27
  • Hans Scheuerl: Zur Begriffsbestimmung von „Spiel“ und „Spielen“. In: Zeitschrift für Pädagogik. Jg. 21 (1975), S. 25f.
Endnoten    (↵ returns to text)

  1. Gemeint ist die 1906 erstmals nach dem von Charles Babage entwickelten Prinzip gebaute „analytical engine“.
  2. Die Sims, EA-Games 2000; Die Sims 2, EA-Games 2004.
  3. Mimesis soll an dieser Stelle gleichbedeutend mit dem Begriff der „Nachahmung“ gebraucht werden, wenngleich diese Übersetzung nur teilweise der semantischen Begriffsbestimmung gerecht wird. Hierzu auch: Florian Rötzer: Angst vor dem neuen Medium. In: Virtuelle Welten und reale Gefahren. Hrsg. v. Florian Rötzer. Hannover 2003.
  4. Poetik, S. 5.
  5. Poetik, S. 11.
  6. Poetik, S. 13.
  7. Bekanntestes Beispiel ist die Funktion des Narren im Mittelalter, der im Schutze seines Narrentums Dinge äußern durfte, die Andere den Kopf gekostet hätte.
  8. Vgl. Erich Auerbach: Mimesis – Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur. Bern 1946 und Horst Bredekamp: „Mimesis grundlos“. In: Kunstforum International 114 (1991), S. 278-288.
  9. Gieselmann, S. 51.
  10. unter: www.vatsim.de
  11. Vgl. Pearce, S. 219 ff.
  12. Rötzer, S. 112.
  13. Silent Service, Microprose 1984.
  14. Z.B. Flightsimulator 2.0, Microsoft 1984.
  15. Pong, Nolan Bushnell 1972.
  16. z.B. Empire Earth ,Vivendi 2001, und Age of Empires, Microsoft 1997
  17. Schröter, S. 161.
  18. Studie der GfK zur Ermittlung der Computerspieleverkaufscharts. Unter: www.gamesurf.tiscali.de/spielwiese/gfk.html
  19. Das Tamagotchi erschien erstmals 1996, entwickelt von der Firma Bandai.
  20. Nintendogs, für Nintendo DS, Nintendo 2004.
  21. Oki, S. 171ff.
  22. Studie der GfK zur Ermittlung der Computerspieleverkaufscharts. Unter:www.gamesurf.tiscali.de/spielwiese/gfk.html
  23. Erweiterungssets können nur in Kombination mit dem Basisspiel gespielt werden. Sie enthalten Dateien, die die vorhandene Spielwelt um diverse Aktionen, Gegenstände und Räume ergänzen.
  24. Lischka, S. 65.
  25. Gieselmann, S. 52.
  26. www.sims.com
  27. In Anlehnung an nicht Rechner generierte Rollenspiele ist die Figur des Spielers in einem Onlinerollenspiel ein sehr spezieller Charakter, der über definierte Fähigkeiten verfügt. Dem Spieler werden oft komplexe und langwierige Aufgaben gestellt bzw. der Spieler legt selbst in Interaktion mit anderen Figuren eigene Ziele und den Weg deren Erreichung fest.
  28. Klaus Neumann: Artenschutz für digitales Leben? Unter: http://www.telepolis.de/r4/artikel/6/6674/1.html
  29. EA-Games 2005.
  30. Ebd.
  31. Die Angabe wurde in einem Forschungsprojekt der GMK 2004 ermittelt. Auswertung in einem Interview mit Tanja Witting, Forschungsgruppenleiterin, unter: www.reticon.de/reporte/32–1.html
  32. Scheuerl, S. 25f.
  33. Dot Eaters, 1961.
  34. Siebert, S. 152ff.
  35. McLuhan, S. 14.
  36. Wolf, S. 284f.
  37. Lars von Trier 2003.
  38. Robert Rodriguez, Frank Miller 2005.
  39. EA-Games, 2003.
  40. Simon Fuller für ITV1, UK 2001.
  41. Bertram.
  42. Gerald Jörns: Simulation des menschlichen Lebens? Unter: www.telepolis.de/r4/artikel/6/6674/1.html
  43. Bertram.
  44. Wurzer, S. 9ff.
  45. Der Terminus des „virtuellen Realität“ soll hier erweitert angewendet werden. Es handelt sich bei dem Spiel nicht um eine Computer generierte Wirklichkeit, in die der Proband mittels Datenbrille, -handschuhe oder -anzug eintritt. Vielmehr wird auf das Prinzip der Nachahmung aufbauend eine Welt erschaffen, die im wörtlichen Sinne als virtuelle Realität verstanden werden kann, also als eine Welt, die der Möglichkeit nach vorhanden ist.
  46. Welsch, S. 169.
  47. Rammert, S. 35.
  48. Schröter, S. 269.
  49. Donkey Kong, Nintendo 1981.
  50. Willmann, S. 141.
  51. vgl. Vilém Flusser: Digitaler Schein. In: Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien. Hrsg. v. Florian Rötzer. Frankfurt a. M. 1990, S. 146ff.
  52. Vaihingen, S. 21.
  53. Vgl. www.simzone.de
  54. Vgl. www.ige.de
  55. www.simzone.de, www.pogo.de
  56. Barbrook, S. 26.

Halatsch, Marc-Pawel: Über das PC-Spiel ‚Doom 3‘, 21.02.05

Jeder, der seinen PC auch zum Spielen benutzt, kennt sie. Fast jeder wird zumindest einmal solch ein Spiel getestet haben. Und für viele sind sie die Inkarnation von PC-Spielen schlechthin: Die Rede ist von Ego-Shootern. Kaum ein Genre im Computerspielbereich erfreut sich einer größeren Fangemeinde als jenes, in dem man in der Ich-Perspektive eine virtuelle Welt erkundet und dabei so ziemlich alles über den Haufen ballert, was einem vor die Flinte läuft.

10 Jahre Spielerfahrung

Zehn Jahre alt wird dieses Genre heuer, und dieses Jubiläum sollte Grund genug sein, sich einmal zu vergegenwärtigen, wie die Geschichte der Ego-Shooter begann – als DOOM auf den Markt kam. Ältere Spieler mögen sich dadurch an ihre eigenen Erlebnisse erinnert fühlen, die jüngere Generation wird danach vielleicht ermessen können, was für eine Erfahrung der erste Ego-Shooter gewesen ist.

Sound und Grafik setzten Maßstäbe

Besonders an DOOM waren schon die technischen Anforderungen. Allein die Demo kam auf drei Disketten und nahm damit so viel Platz ein, wie manches komplette Spiel. Die Zahl verdreifachte sich, wenn man die Vollversion erwerben wollte. Allerdings gab es auch die Möglichkeit, sich DOOM auf CD-ROM anzuschaffen, was beim damaligen Stand der Technik meist auch den Kauf eines passenden Laufwerks bedeutete. Ich nannte die Diskettenversion mein eigen und verzichtete auf das teure CD-Laufwerk; dafür aber war das Spiel Grund genug, sich endlich eine Soundkarte anzuschaffen – eine absolut notwendige Investition. Bereits im Besitz des Spiels verging daher ein Großteil der ersten Nacht mit dem Einbau und der Konfiguration der Soundkarte. Als dann aber alles funktionierte, die Installationsroutine beendet war und DOOM das erste Mal startete, begann eine Sucht, die erst zu Ende war, als ich zum vierten oder fünften Mal die Abschlusssequenz sehen durfte. Die Grafik war ein Meilenstein in der Geschichte der Computerspiele: Die Level, die Monster und selbst die Waffe, die man in der Hand hielt, waren in 3d modelliert. Und auch die Soundausgabe setzte Maßstäbe: Man hörte das Heulen und Ächzen der Gegner, die Explosionen der Geschosse, die eigenen zaghaften Schritte in den leer geschossenen Räumen.

Damals wusste ich noch nicht, was das Spiel mit mir machte. Es fesselte mich auf erschreckende Art und Weise, da ich trotz der tief empfundenen Angst vor dem Dahinter einer jeden neuen Tür und vor dem Auftauchen eines weiteren Zwischen- oder gar des Endgegners immer weiter spielen musste und bei jedem erschossenen Monster ehrliche Befriedigung fühlte. Alles, was außer der eigenen Figur lebte, war böse und musste sterben; am Ende winkte die Rettung der Welt vor der Invasion der dämonischen Gegner. Wahrscheinlich war es genau dieses Spiel-Prinzip, das DOOM so erfolgreich machte und die Basis für so ziemlich alle nachfolgenden Ego-Shooter legte.

Rückblickend gehört dieses Urgestein des Genres zu den Spielen, die man fast eine Lebenserfahrung nennen kann – eine Lebenserfahrung, die nach einem zweiten Teil in gleicher Manier nun eine moderne Fortsetzung erfahren hat.

Doom 3 ohne Weiterentwicklung des Spielprinzips

So wunderbar das Erscheinen von DOOM 3 zum Zehnjährigen auch anmuten mag: Tatsächlich hat sich die Entwicklung des Spiels um drei Jahre verzögert. Man stelle sich vor: Ein ganzes Kreativ-Team musste drei Jahre länger als geplant bezahlt werden. Die Beantwortung der Frage, die sich hier sofort stellt, beinhaltet im Prinzip jede Aussage, die man über DOOM 3 machen kann: Wofür?

Um gleich einmal mögliche Illusionen zu zerstören: In eine Weiterentwicklung des Spiel-Prinzips sind die drei Jahre nicht geflossen. Es mag zwar einige neue Schmankerl in der Steuerung geben, aber DOOM 3 ist nicht erschienen, um mit der Tradition der eigenen Vorfahren zu brechen: Gut und Böse ballern einander nieder; wer am Ende triumphieren wird, steht außer Frage.

Das Spiel verfolgt das gleiche Ziel, wie seine Vorgänger: Der Spieler soll sich fürchten, soll erschreckt und schockiert werden – und trotz allem immer weiter spielen wollen. Diese Maßgabe erfordert eines ganz besonders: eine möglichst hochwertige Darstellung. Und tatsächlich hat man drei lange Jahre fast nur die Technik von DOOM 3 verbessert: Sound und Grafik stellen das momentane Nonplusultra dar. Die Geräusche der Monster und Mutanten jagen einem kalte Schauer über den Rücken, und wenn sie dann vor einem stehen, weiß man nicht, ob man nicht lieber wegrennen, als sich dem Kampf stellen möchte. In dem finsteren Leveldesign wird jede Tür zur Essenz der Frage, welcher fiese Gegner sich dahinter verbergen mag.

Und so kehrt es tatsächlich zurück, das DOOM-Erlebnis – und zwar auf fast allen Ebenen. Einerseits sind nämlich die technischen Anforderungen an die heimischen Computer so hoch, dass viele Interessenten wahrscheinlich aufrüsten werden müssen. Andererseits erreicht das Spiel genau das, was es erreichen will – auch wenn es vom Spielprinzip eigentlich nichts Neues bietet. Grusel, Horror, Shocking halten den Spieler in ihrem Bann – und natürlich die Befriedigung 28 Level lang mit diversen Waffen schauderhaften Gegnern den Garaus machen zu können.

DOOM 3 legt genau wie seine Vorgänger den Finger in die Wunde menschlicher Basisängste und erzeugt mit seiner hochwertigen technischen Ausstattung eine Atmosphäre, die im Ego-Shooter-Genre derzeit ihresgleichen sucht.

  • DOOM 3, erschienen bei Activision, 2004