von Christoph Hermann
- Don’t Come Knocking. Regie: Wim Wenders, Produktion: Deutschland, USA 2005, Laufzeit: 122 Minuten.
Der in die Jahre gekommene Cowboy Darsteller Howard Spence scheint plötzlich genug von seiner Karriere zu haben, mitten in einer Filmproduktion verlässt er in einer Drehpause das Set und reitet noch im Filmkostüm davon. Da er großer Filmstar ist, lässt er sich nicht ersetzen und seine Fahnenflucht bringt ein Geschäft in Gefahr, bei dem es um Millionen von Dollar geht. Deshalb lässt die Filmversicherung gleich einen ihrer Agenten einfliegen, der sich auf Howards Spur macht.
Diesen zieht’s heim zu Mami, die von Ihrem Sohn seit dreißig Jahren nichts gehört oder gesehen hat, außer durch die Zeitungen, denn die Sex-, Drogen- und Alkoholexzesse des Stars sind ausführlich in den Zeitungsausschnitten beschrieben, die seine Mutter fein säuberlich in einem Album aufbewahrt hat. Ganz verständnisvolle Mutter macht sie ihm keine Vorwürfe, dagegen teilt sie ihm mit, dass er seit zwanzig Jahren einen Sohn hat. Kellnerin Doreen war eine seiner zahllosen Affären, die er schon lange vergessen hat. Nun macht er sich auf, die zu suchen, die nie auf ihn gewartet haben.
Unverständliche Familienszenen
Mutter und Sohn sind die letzten zwanzig Jahre auch gut ohne den Zeugungsvater ausgekommen, sie ist von der Kellnerin zur Geschäftsführerin aufgestiegen, er ist Musiker und tritt bereits in ihrer Gaststätte auf. Daß der Sohn dem verlorenen Vater nicht sofort um den Hals fällt, ist nachvollziehbar. Warum er dann aber gleich den zutiefst Gekränkten markieren muss und in einem Wutanfall seine gesamte Zimmereinrichtung einschließlich Sofa aus dem Fenster wirft, bleibt unverständlich. Auch die Mutter macht dem Cowboy noch eine Szene. Unter Tränen wirft sie ihm vor, was für ein Feigling er sei, der sein ganzes Leben vor den Problemen nur davonlaufe. Das mag zwar stimmen, aber wieso das der reifen und unabhängigen Frau nach all den Jahren noch so nahe gehen soll, bleibt ebenfalls unbeantwortet. Wahrscheinlich müssen die beiden noch einmal Wut und Trauer markieren, weil sonst zu deutlich wäre, was Howard hier realistischerweise nur zu erwarten gehabt hätte: Gleichgültigkeit und Desinteresse.
Eine Nacht auf dem Sofa
Zu dem ganzen Familiendrama gesellt sich fast beiläufig noch eine junge Frau, die ständig mit einer übergroßen Urne mit der Asche ihrer jüngst verstorbenen Mutter im Arm durch die Szene läuft. Richtig geraten: der Cowboy hat auch eine Tochter gezeugt. Das muss man aber erraten, denn wer sie ist und warum sie dort auftaucht, scheint niemanden besonders zu interessieren, vielleicht sind Vater-Tochter Konflikte auch nicht so wichtig. Zumindest nicht so dramatisch, die Tochter randaliert nämlich nicht herum sondern sitzt mit ihrem Vater die ganze Nacht auf dem auf der Straße gelandeten Sofa und bietet Howard das an, was er wohl von seinem Sohn erhofft, nämlich Verständnis. Was dann am Morgen kommt ist nicht die Sperrmüllabfuhr sondern der Versicherungsagent, der dem Cowboy Handschellen anlegt um ihn wieder zum Filmset zurückzubringen, was niemand zu verhindern sucht, am wenigsten der entnervte Filmzuschauer.
Männer, die mit ihrem Altern und der Vaterrolle Probleme haben, gibt es sicher zuhauf. Darüber einen Film zu machen, ist nicht die schlechteste Idee. Schade, dass das Wim Wenders nur vorgetäuscht hat. Er wird doch nicht etwa schon zu alt sein?