Vladimir Nabokovs Roman Lolita wurde oft als eine Verharmlosung der Pädophilie angesehen. Aber handelt es sich bei der Geschichte der 12-jährigen Dolores Haze und des 37-jährigen Humbert Humbert tatsächlich um einen Fall von Pädophilie? Professor Klaus Beier antwortet.
Der Leser des Romans hat manchmal den Eindruck, dass Lolita kein durchschnittliches Kind ist. Mehr noch nimmt man wahr, dass sie den Protagonisten, Humbert Humbert, der mit ihrer Mutter verheiratet ist, verführt. In manchen Kulturen hätten beide heiraten und eine Ehe führen können, ohne dass jemand Anstoß daran genommen hätte. Warum würden wir heute Humbert Humbert dermaßen strikt beurteilen?
Bei Lolita ist eine wichtige Überlegung anzuführen: Eine Jugendliche kann nicht mit einem Kind verglichen werden; die Pubertät beginnt bei Mädchen durchschnittlich mit elfeinhalb und bei Jungen etwa mit zwölf Jahren. Zu dieser Zeit stehen die Gehirne massiv unter dem Einfluss von Hormonen. Der Jugendliche befindet sich zunehmend auch auf sexueller Reizsuche – das Kind nicht. Diesem geht es um emotionale Bindungspartner.