Karl, Alexander: Erfolg in der Nische? Die Webserie „Hunting Season“ über schwules Großstadtleben, 7.11.2014

Männer haben es schwer im Fernsehen. Zumindest, wenn es sich um homosexuelle Männer handelt und deren Beziehungsleben dargestellt werden soll.

Auch wenn in deutschen Soaps wie „Lindenstraße“ oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ sowie in amerikanischen Serienhits wie „Six Feet Under“ oder „Glee“ homosexuelle Beziehungen von Männern existieren, wird die Körperlichkeit oftmals verhaltener dargestellt. Wo bei heterosexuellen Paaren ein Abschiedskuss ausgetauscht wird, ist es bei homosexuellen manchmal nur eine Umarmung. Ähnlich verhält es sich mit Sexszenen. Natürlich gibt es Ausnahmen: Die Showtime-Serie „Queer as Folk“ etwa, die Anfang der 2000er das Leben einer schwulen Männerclique abbilden wollte und dies oftmals explizit (und leicht bekleidet) tat. Mit der HBO-Serie „Looking“ folgte zuletzt ein thematisch ähnliches gelagertes TV-Projekt. Doch es scheint so, als wäre die Nische der männlichen Homosexualität zumindest fürs traditionelle Fernsehen zu klein, als dass eine Vielzahl von Formaten angeboten werden könnte.

Doch längst ist die lineare TV-Ausstrahlung mit entsprechenden Produktionen nicht mehr der einzige Weg, um bewegte Bilder mit bewegenden Geschichten an den Rezipienten zu bringen. Anbieter wie Netflix oder Amazon bieten nicht nur für das Fernsehen produzierte Formate zum Streamen an, sondern auch eigene Produktionen wie die Politikerserien „House of Cards“ (Netflix) und „Alpha House“ (Amazon). Darüber hinaus bevölkern das Internet aber auch Webserien, die unabhängig von den großen Onlineanbietern entwickelt und erstellt werden. Die Vorteile unabhängiger Produktionen sind klar: Kreativität und Freiheiten. Die Nachteile: Oftmals fehlende finanzielle Mittel für Produktion und Marketing. Könnte hier die Besetzung von Nischen eine Lösung sein? „Hunting Season“ lässt das vermuten. Die Webserie begleitet den schwulen New Yorker Alex durch sein Leben mit Kumpels und (Sex-) Dates; in der ersten Staffel wurde das alles verpackt in acht Episoden mit einer Länge von neun bis zwölf Minuten. Das Besondere: Die Episoden gibt es zwei Versionen – mit gepixelt und ungepixelt Nacktszenen. Während die gepixelte Version auf LogoTV.com veröffentlicht wurde und mittlerweile frei zugänglich ist, müssen die ungepixelten Episoden gekauft werden. 20,99 Dollar werden für die erste Staffel fällig, um die Schauspieler gänzlich im Adams Kostüm zu sehen.

Für die zweite Staffel wurde aber ein anderes Finanzierungsmodell gewählt – die Crowdfunding-Plattform Kickstarter. Bis zum 6. Dezember 2013 wurde dort Geld eingesammelt, wobei im Spendenaufruf die Beweggründe für diesen Schritt geschildert werden: „Jon Marcus, the creator of the show, paid for Season One out of his own savings, and then he borrowed the money to finish to [sic!] show. […] We made a successful licensing deal with the gay cable network Logo to launch season 1, but they were not able to find sponsorship to pay for more episodes. We have been knocking on doors for a year in the traditional, old-media financing style, but the time has come to embrace new models and we come to you on Kickstarter to ask for help.”

Dieser Hilferuf via Kickstarter war erfolgreich, die Unterstützer steuerten sogar mehr als die erbetenen 150.000 Dollar bei. Gleichzeitig wird aber auch deutlich: Webserien können in Nischen, die vielleicht zu eng für das traditionelle Fernsehen sind, erfolgreich ein Publikum ansprechen. Mehr noch: Das Publikum ist sogar bereit dazu, ein Format finanziell zu unterstützen. Dies trägt zur Diversifizierung des medialen Spektrums bei und ermöglicht gleichzeitig zielgruppenspezifische Produkte, die für das traditionelle Fernsehen aufgrund ihrer Thematik und expliziter Inhalte untauglich erscheinen. Denn so scheint sicher: Nicht in jedem Format umarmen sich homosexuelle Paare zum Abschied. In manchen Formaten dürfen sie sich sogar küssen.

 

Weitere Informationen zu „Hunting Season“ und weiteren Webserien bietet auch der WebserienBlog.

Dokumentarfilmisch arbeiten – Begleittext zum aufgezeichneten Vortrag des Dokumentarfilmers Christoph Hübner von Henrik Wehmeier, 19.05.2014

Christoph Hübner gilt als einer der stilprägendsten Dokumentaristen unserer Zeit, und zugleich als einer der Vordenker zur Theorie des Dokumentarfilms. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich in seinem Vortrag vom 19.05.2014 im Rahmen der Ringvorlesung „Medienkulturen des Dokumentarischen“ die autobiographische Werkschau wie von selbst mit Fragen zum Status quo des Dokumentarfilms vermischt.

Christoph Hübner, geboren 1948, erregte gleich mit seinem ersten Dokumentarfilm 1978 großes Aufsehen: Direkt nach seinem Studienabschluss ging er in das damals noch stigmatisierte Ruhrgebiet und begann, sich in den Alltag einer örtlichen Kleinstadt einzuleben und diesen filmisch festzuhalten. Diese Direktheit des Filmens blieb stilprägend für seine weiteren Arbeiten, etwa die zusammen mit Gabriele Voss realisierte achtteilige Dokumentation „Lebensgeschichte des Bergarbeiters Alfons S.“. 1980 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet besticht dieses biographische Interview durch seinen radikalen Ansatz: Ohne Schnitte besteht der Film lediglich aus einer einzigen Halbnahen-Einstellung auf Alfons S., der auf unnachahmliche Weise seine Lebensgeschichte – und damit zugleich die Geschichte Deutschlands – erzählt.

Und auch die folgenden Werke blieben experimentell. So konfrontierte er Briefe von Vincent van Gogh mit Aufnahmen aus einem Landwirtschaftsbetrieb („Lebensgeschichte des Bergarbeiters Alfons S.“) oder vermischte fiktionale wie dokumentarische Elemente („Anna Zeit Land“). Den vorzeitigen Höhepunkt dieser experimentellen Versuche stellt sein Film „Schnitte in Raum und Zeit“ dar. Gleichzeitig ließ ihn das Ruhrgebiet nie los, es entstanden die mehrteiligen „Emscher-Skizzen“ sowie eine (noch unvollendete) Fußballtriologie („Die Champions“, „HalbZeit – Vom Traum ins Leben“).

Neben diesen künstlerischen Tätigkeiten setzte er sich zugleich umfassend theoretisch mit dem Dokumentarfilm auseinander. So etwa als Dozent an der Filmklasse der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (HfbK) oder zuletzt als Autor zusammen mit Gabriele Voss („Dokumentarisch arbeiten“, Berlin 1996.). Für das gleichnamige Projekt bat er zugleich über 13 Filmer wie Volker Koepp und Klaus Wildehahn vor die Kamera, um mit ihnen über ihre Arbeit sowie ihre Ansichten zum Dokumentarfilm zu sprechen. Der Vortrag „Dokumentarisch arbeiten“ stellt nun eine Art autobiographische Werkschau dar, die zugleich zeitgenössische, abstrakte Überlegungen zum Dokumentarfilm präsentiert:

Dokumentarfilmisch arbeiten – Aufgezeichneter Vortrag des Dokumentarfilmers Christoph Hübner, 19.05.2014

Galerie im Turm: Die Ästhetik des Widerstands

Besprochen von Leif Allendorf

Der vor gut drei Jahrzehnten verstorbene Peter Weiss ist der große Unzeitgemäße. Wenn man heute das Fernsehinterview mit dem Schriftsteller, Künstler und Filmemacher aus den 80er Jahren betrachtet, fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Die Vorstellung, mit Kunst die Gesellschaft zu verändern, ja der Gedanke, die Gesellschaft überhaupt verändern zu können, erscheint heute utopischer denn je.

Umso verdienstvoller, dass die Galerie im Turm im Juni und Juli diesen Jahres Weiss‘ Hauptwerk „Die Ästhetik des Widerstands“ mit einer Ausstellung würdigt. Die Initiatorinnen Julia Lazarus und Moira Zoitl, deren Schau bereits im Februar in Wien zu sehen war, wollen die dem Roman zugrunde liegenden Themen nach eigenen Angaben „in der Gegenwart neu verorten und der Frage nachgehen, inwieweit die in Peter Weiss‘ aufgestellten Thesen für das künstlerische und das politische Feld auch heute noch Gültigkeit haben“. Dazu wurden Künstler, die sich bereits mit dem Werk des Schriftstellers beschäftigt haben, eingeladen, einen Beitrag zu gestalten.

Die Räumlichkeiten der Galerie im Turm am Frankfurter Tor im Berliner Stadtteil Friedrichshain sind eher übersichtlich. Die meisten Bildwerke sind grafischer Natur: ein Jugendlicher mit Zwille, eine imaginäre Weltkarte mit Bedeutungsorten, ein Diagramm der „Ersten globalen Friedensdemonstration“ von 2003. In Filmbeiträgen werden Performances dokumentiert wie Hubert Lobnings „Die Baustelle“ von 2013, wo Arbeiter in prekären Beschäftigungsverhältnissen, meist Flüchtlinge mit ungesichertem Status, weithin sichtbar riesige Holzbohlen durch die Wiener Innenstadt trugen.

Das Begleitprogramm der Ausstellung ist beeindruckend: Workshops, öffentliche Leseproben, Ortsbegehungen im Pergamon-Altar und eine Führung durch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand mit Hans Coppi, dem Sohn eines der von den Nazis ermordeten kommunistischen Widerstandskämpfer, der in Weiss‘ Roman eine zentrale Rolle spielt. Weniger überzeugend sind die künstlerischen Arbeiten selbst. Verglichen mit der titanischen Arbeit an seiner – von den Kritikern fast durchweg angefeindeten – Romantrilogie des Peter Weiss ist eine heutige Performance nur ein schwacher Abklatsch. Peter Weiss selbst hatte eine Aktion des Pariser Künstlers Jean Tinguely als „Jahrmarktsscherz“ kritisiert, in der eine Parade von lärmenden Blechwagen durch die französische Hauptstadt paradierte.

Die Ästhetik des Widerstands. 13. Juni – 23. Juli 2014. Galerie im Turm, Frankfurter Tor 1, 10234 Berlin.

Verbrecher und Menschenkenner zugleich

Besprochenvon Andrea Hajnalka Meisel

  • Köhlmeier, Michael: Die Abenteuer des Joel Spazierer. München: Hanser, 656 S., 24,90 €.

In Michael Köhlmeiers Roman „Die Abenteuer des Joel Spazierer“ durchreist der Hochstapler András Fülöp, der sich Joel Spazierer nennt, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Länder Mitteleuropas. Seine Reise, die in Ungarn beginnt, führt ihn über Österreich, Deutschland bis nach Mexiko und wieder zurück ins heimische Wien. Dabei entpuppt er sich mehr und mehr als skrupelloser Betrüger, Manipulator, Hochstapler und Mörder, während der Leser gleichzeitig über seine eigene Sympathie mit dem Helden staunt.

Als die Großmutter vom kommunistischen Geheimdienst Ungarns verhaftet wird, bleibt der vierjährige Protagonist allein in der Wohnung zurück. Er ernährt sich von den Vorräten in der Wohnung. Die Tiere auf seinem bestickten Kissen werden in seiner Phantasie zu realen Personen, mit deren Hilfe das Kind die Einsamkeit übersteht. Seitdem klafft eine Lücke zwischen seiner Wahrnehmung und der seiner Mitmenschen.

Als der Junge später selber verhört wird, antwortet er nur mit „Ja“, „Nein“ und „Weiß nicht“. Es ist eine Frage-Antwort-Technik, mit der er erfolgreich falsches Spiel treibt. So lernt er schon im Kindesalter, wie man Menschen manipuliert. Die Familie flieht schließlich vor dem Regime nach Österreich, wo sich der inzwischen Neunjährige erfolgreich prostituiert.
Er wird von einem ungarischen Geheimdienstler entführt, der ihn künftig als seinen Sohn ausgibt und als solchen behandelt. Er lernt Ausweise zu fälschen und seine Identität zu verändern. Der Geheimdienstoffizier setzt sich ab und lässt das Kind zurück, woraufhin András einen obdachlosen desertierten Soldaten der US-Armee trifft. Mit diesem tut er sich zusammen, lebt im Wald und sichert das Überleben durch Hauseinbrüche und Raubüberfälle. Ihre gemeinsame Wanderschaft führt nach Österreich, wo András wieder zu dem Schoß seiner Familie zurückkehrt.
Zurück in Wien sucht er die Freundschaft eines reichen Mitschülers. Beim Einbruch in dessen Haus, wird er gestellt. Zum ersten Mal gelingt es ihm nicht seine Mitmenschen zu manipulieren und er wird verurteilt. Im Gefängnis ersticht er seinen vormaligen Beschützer, schiebt den Mord dessen Rivalen in die Schuhe und sichert so für den Rest seiner Haft eine gewisse Machtposition.
Aus der Haft entlassen trifft er auf Janna, einer Drogenabhängigen, die er vergeblich zu retten versucht. Nach dem Einzelversuch einen Mitmenschen zu helfen, führt er weiterhin ein wechselhaft-erfolgreiches Leben als Trickbetrüger, bis ein Schriftsteller ihm freies Wohnen anbietet unter der Bedingung, dass er seine Lebensgeschichte aufschreibt.
Nach und nach versteht der Leser, dass es dem alten, zur Ruhe gekommenen Erzähler nicht darum geht, seine Taten retrospektiv als verwerflich zu erklären. Es ist nicht seine Absicht, sich von seiner Schuld freizusprechen, sondern einzig und allein Regeln menschlichen Sozialverhaltens zu verstehen, diese imitieren zu können und die Moral als willkürliche Wahrheit zu klassifizieren. Seinen Höhepunkt erfährt diese Imitation, als sich Joel Spazierer durch die Lektüre von Ernst Thälmanns Biographie erfolgreich als sein rechtmäßiger Enkel ausgibt und dem politischen Kader der DDR eine Biographie vorgaukelt, die ihm eine Karriere als Professor für wissenschaftlichen Atheismus an der Humboldt-Universität verschafft. Ein gesichertes Einkommen, einen hochkarätiger Freundeskreis und zwei Familien fügen sich wie nebenbei auch in diese Logik.

Obwohl sich der Held geistig nicht entwickelt, sondern bis zum Schluss kompromisslos seine Interessen durchsetzt, so leidet er auch doch selbst unter den Konsequenzen seines Lügenlebens. Während sich der Schelm des Picaroromans seines Erfolgs sicher sein kann, ist das Scheitern ein wichtiges Element im Lebenslauf Joel Spazierers. Immer wieder holt ihn seine Vergangenheit ein, zwingt ihn dazu, alles aufzugeben und eine neue Existenz an einem anderen Ort aufzubauen.
Michael Köhlmeier bricht mit den Traditionen des Schelmenromans, indem er seinen Held nicht nur als augenzwinkernden Kritiker der Gesellschaft beschreibt, sondern auch als gescheiterte Existenz, die sich am Ende fragen lassen muss, was ihm dieses Wissen über die Funktionsweisen des Menschen nützt. Mit allen menschlichen Wünschen, Bedürfnissen, Abtrünnigkeiten und Scheinheiligkeiten vertraut, ist er fähig, das Verhalten seiner Mitmenschen berechnen und vorhersehen zu können. Dies hat aber nichts mit tiefem gegenseitigem Verständnis und mit Nähe zu tun. Es ist das völlige Fehlen von Empathie, sozialer Verantwortung und Gewissen, das in der Psychologie als psychopathisch bezeichnet. Joel Spazierers einziges erklärtes Ziel ist das Hier und Jetzt ist, er hat keine langfristigen Ziele. Sein Lebensmotto ist „unnütz zu sein wie eine Lilie auf dem Felde“. So bleibt der Leser am Ende des Romans mit einem merkwürdig leeren Gefühl zurück. Fraglich ist auch, warum der österreichische Erzähler den Erfolg von Joel Spazierers Täuschungskunst gerade in der DDR als besonders erfolgreich inszeniert.
Die Geschichte von Joel Spazierer ist streckenweise lang, zu lang. Vermutlich ist dies dem Glauben des Erzählers geschuldet, dass „unwichtige Details“ die Glaubwürdigkeit einer Biographie erhöhen. Nur leider hat es den unerwünschten Effekt, dass der Leser zuweilen das Ende des Romans herbeisehnt. Dennoch gelingt es Köhlmeier mit kaltblütiger Präzision die Tricks und Finessen eines erfolgreichen Gauners zu beschreiben, was das Lesen zu einem genüsslichen Erlebnis werden lässt.

Im Gespräch mit der Trauer

Besprochen von Andrea Hajnalka Meisel

  • Barbara Pachl-Eberhart: Vier minus drei. Wie ich nach dem Verlust meiner Familie zu neuem Leben fand. München: Heyne, 351 S., 8,99 €.

Welchen Sinn hat es, wenn zwei Kleinkinder mit Ihrem Vater von einem Zug überrollt werden und tödlich verunglücken? Der tragische Unfall einer Familie in Österreich aus dem Jahr 2008 ging auch durch die deutschen Medien. Es ist nicht nur das Unglück, das die einzige Überlebende der Familie, die Mutter, prominent werden ließ. Es ist ihr Mut, sich diesem Schicksal zu stellen, ihr Glaube an die Sinnhaftigkeit dieser Tragik und ihre Hoffnung auf eine glückliche Zukunft auch nach dem Verlust ihrer Familie. Über die Zeit nach dem tödlichen Unfall berichtet Barbara Pachl-Eberhart in ihrem autobiografischen Buch Vier minus drei.
Die Autorin erzählt zunächst in chronologischer Reihenfolge ihre Erlebnisse und streut einige Erinnerungen an gemeinsame glückliche Augenblicke als Familie mit ein. Sie selbst arbeitet zu dieser Zeit als Clown in einem Kinderkrankenhaus. Eines Tages, bei einem alltäglichen Einkauf im Supermarkt, erfährt sie über das Telefon von dem Unfall. Ihr Ehemann Helmut ist sofort tot. Auch die Kinder überleben ihre lebensgefährlichen Verletzungen nicht. Allerdings bekommt die Mutter die Möglichkeit, in den letzten Lebenstagen der Kinder Abschied zu nehmen und gewinnt in dieser Zeit die Zuversicht, dass ihre Seelen weiterleben.
Während eines Waldspazierganges nach dem Unfall verspürt die Autorin eine große Fröhlichkeit bei dem Gedanken an ihre Tochter Fini. Nach der Rückkehr in das Krankenhaus ist ihre Tochter bereits tot. Sie stellt sich den Tod daher als fröhlichen Übergang in eine unvergängliche Welt vor und malt sich ihre verstorbene Familie als glückliche Engel aus, die auf Wolken sitzen und ihr von Ferne zuschauen. Aber auch andere spirituelle Gesichtspunkte regen zum Nachdenken an. Alltägliche Vorkommnisse, wie z.B. das Grafitti „Sei mutig!“ am Ort des Unglücks interpretiert sie als Zuspruch ihres verstorbenen Ehemannes.
Warum die Autobiographie dennoch nicht zu einem der zahlreichen esoterischen Bücher verkommt, ist, weil die Autorin selber die eigenen Zweifel nicht verdrängt. Auch sie wägt innerlich ab zwischen den Argumenten für und gegen den Glauben. „Die Stimme in meinem Kopf ist manchmal sehr kritisch. Sie will es genau wissen.“ Und sie ist sich nicht immer sicher, dass sie mit einem Wiedersehen nach dem Tod rechnen darf. Sie glaubt daran, weil sie daran glauben will. Und es ist auch letztendlich Mut, sich der Verzweiflung nicht zu überlassen.

Sprache heilt

Obgleich die Geschichte von Barbara Pachl-Eberhart sprachlich schlicht gehalten ist, so ist sie allerdings ein erstaunliches Zeugnis vom therapeutischen Potenzial von Sprache. Es gibt dem Leser einen inspirierenden Einblick in die Möglichkeiten des Sprechens auch in Extremsituationen, in denen scheinbar nur noch Sprachlosigkeit existieren kann. So richtet die Autorin kurz nach dem Unglück einen offenen Brief an ihre Mitmenschen. Sie schreibt in ihrem Tagebuch Nachrichten an ihre verstorbenen Angehörigen. Sie formuliert einen Brief an den Schaffner derjenigen Eisenbahn, die ihre Familie umgebracht hat. Und sie begibt sich in Gesprächstherapien. All dieses Sprechen ermöglicht letztlich die Hoffnung nicht aus den Augen und Herzen zu verlieren.
Aber auch sie braucht nach dem Unglück eine Zeit des Schweigens und der Zurückgezogenheit. Dennoch bekommt sie durch diese Formen des Sprechens ein sensibles Bewusstsein für den Prozess der eigenen Trauer. Sie nimmt dabei die zahlreichen Tabus wahr, die im Kontext von Tod existieren. So wird ihre ausgefallene Idee, die Beerdigung als fröhliches „Seelenfest“ zu begehen und dabei farbige Kleidung zu tragen von einigen Nachbarn kritisch kommentiert. Durch das Schreiben und Reden über die eigene Trauer schafft sie es aber ihre eigenen Bedürfnisse zu respektieren und Tabus zu überschreiten. Daher lässt sie es sich auch nicht nehmen, ihren Sohn in Gegenwart von ihren Clownkollegen und bei fröhlicher Musik in den Tod zu begleiten.
Barbara Pachl-Eberhart versteht den Schicksalsschlag zwar als herbe Zumutung, akzeptiert ihn aber auch im Vertrauen darauf, dass er zu ihr gehöre. So trägt sie das, was sie erlebt hat, „wie einen würdigen, ehrenvollen Mantel“, der ihr angezogen wurde. Und sie träumt von einer Welt, „in der jede Form der Trauer“ als königlich geachtet wird. Das Buch ist empfehlenswert für alle, die sich mit der Frage „Wie kann Gott so viel Leid zulassen?“ auseinandersetzen und auch für diejenigen, die die Kraft zur Lebensbejahung nach einem Schicksalsschlag wiederfinden möchten.

Alles auf Anfang – Reboots im Hollywood-Film. Dr. Oliver Schmidt im Interview mit Alexander Karl, 29.07.2014

Was haben die aktuellen Filme über „Transformers“, „James Bond“ und „Batman“ gemeinsam? Sie sind erfolgreiche Reboots bereits existierender narrativer Welten und Franchises, sagt der Medienwissenschaftler Dr. Oliver Schmidt. Der Begriff Reboot, so Schmidt, tauchte etwa 2008 in der filmjournalistischen Presse auf und findet seit kurzem auch seinen Weg in den filmwissenschaftlichen Diskurs.
Im Rahmen der Tagung „The Cinematic Space: Experience, Knowledge, Technology“, die zugleich die Abschlusskonferenz des Forschernetzwerks „Erfahrungsraum Kino“ war, referierte Schmidt über „Hollywood Reboots – Zur Transformation medialer Erfahrungswelten“. Im Interview mit Alexander Karl spricht er über die Besonderheiten des Reboots, den Unterschied zum Remake und die Bedeutung des Zeitgeists.

Alexander Karl: Herr Schmidt, was macht ein filmisches Reboot zu einem Reboot?

Oliver Schmidt: Reboots im strengen Sinne sind Neustarts von Film- oder TV-Serien. Diese werden jedoch nicht einfach weitererzählt, sondern die Macher gehen zurück an den Nullpunkt des narrativen Universums und rollen die Geschichte von vorne auf. Und dieser Neubeginn beim Reboot ist in der Regel auch verbunden mit einer Aktualisierung der Ästhetik. Das sieht man sehr schön in den „Batman“-Filmen unter der Regie von Christopher Nolan, den „Transformers“-Filmen, die auf der Zeichentrick-Serie aus den 1980er Jahren basieren, oder bei den „James Bond“-Filmen mit Daniel Craig in der Hauptrolle.

Welche Merkmale des Reboots erkennen Sie beispielsweise in den neueren „James Bond“-Filmen?

Der erste „James Bond“-Film mit Daniel Craig heißt „Casino Royale“, was auch der Titel des ersten Bond-Romans von Ian Fleming war – da ist der Schritt zurück zum Anfang also programmatisch. Ästhetische Neuerungen werden schon zu Beginn an einer Schwarz-weiß-Sequenz deutlich, einem Blick zurück in die „berufliche Frühphase“ von James Bond, als er seinen ersten Auftragsmord begeht. Gleichzeitig ist der von Craig dargestellte James Bond körperlich athletischer, brutaler, was an die frühen Filme mit Sean Connery erinnert, etwa unter Roger Moore aber verloren gegangen war. Auf der anderen Seite wird Bond aber verletzlicher, er wird tatsächlich gefoltert und nur durch fremde Hand befreit. James Bond ist plötzlich hilflos, sowas haben wir in dieser Form bisher nicht gesehen. Früher konnte der Zuschauer davon ausgehen, dass Bond gewinnt. Das gilt heute also nur noch mit Einschränkungen.

Was sagen solche Neuerungen über den Zeitgeist aus?

Motivisch wird deutlich auf die Anschläge vom 11. September und die gesellschaftliche Atmosphäre danach verwiesen – etwa das bereits angesprochene Motiv der Folterung, das etwa in der medialen Berichterstattung über den Irak-Krieg sehr präsent war. Hinzu kommt, dass die Figur James Bond deutlich komplexere Züge aufweist: Bond bekommt eine Geschichte als rekrutierter Waisenjunge, verliebt sich, beginnt zu „saufen“ und verliert in „Skyfall“ auch seine Mutterfigur M. Die Bond-Welt wird also deutlich härter, gleichzeitig wird Bond als Figur psychologisiert, was ganz neue Anknüpfungspunkte für die Zuschauer bietet.

Wie reagiert der Zuschauer auf die neuen Thematiken des Reboots?

Auf der einen Seite werden die Zuschauer in ihren Erwartungen erschüttert. Damit spiegelt die Erzählung der aktuellen „James Bond“-Filme auch gesellschaftliche Traumata wider, die noch nicht verarbeitet sind. Diesen Aspekt betont auch der Filmwissenschaftler Thomas Elsaesser immer wieder, nicht nur bezogen auf Reboots. Dies findet sich auch in einer ganzen Reihe anderer Filme. Auf der anderen Seite bieten die neuen Bond-Film den Zuschauern über die Form der Erzählung und die doch sehr starke Bond-Figur gleichzeitig die Möglichkeit, diese filmischen Traumata – und möglicherweise auch die gesellschaftlichen Traumata, die die Filme aufgreifen – zu verarbeiten.

Wie unterscheidet sich aber nun das Reboot von Remake?

Beim Remake existiert im Normalfall eine filmische Vorlage, die möglicherweise erfolgreich war und die zum Beispiel für den US-amerikanischen Markt adaptiert werden soll. So ein Remake wird auch meist nur einmal gemacht. Anders ist das bei Reboots: Hier wird meist implizit an den Start einer neuen filmischen Serie gedacht, auch an einen erneuten Start, also ein Re-Reboot, wie wir es zum Beispiel schon mit „The Amazing Spider-Man“ gesehen haben. Daher nutzt man dafür auch mediale Ikonen, die im Gedächtnis breiter Zuschauerschichten fest verankert sind. Auch wenn es sich bei Reboots in der Regel um Blockbuster-Produktionen handelt, können sie durchaus eine eigene Handschrift tragen, sie lassen sich also durchaus als Vertreter der Autorenkinos verstehen wie etwa bei den „Batman“-Filmen von Christopher Nolan, der in der Presse auch als „Blockbuster-Auteur“ bezeichnet wird.

Auch den Machern einiger Quality-TV-Serien wird eine eigene Handschrift bescheinigt. Lässt sich das Kino bei Reboots vom Fernsehen inspirieren?

Nein, ich würde sagen, dass Reboots einer der wenigen Bereiche sind, die nicht so sehr von der Quality-TV-Entwicklung der vergangenen zehn Jahre abhängen. Das Reboot ist vielmehr ein Phänomen, das in beiden Medien gleichzeitig und gleichberechtigt stattzufinden scheint, im TV etwa mit den Reboots „Battlestar Galactica“ oder den von der BBC produzierten Serien „Jekyll“ und „Sherlock“.

Was ist Ihre Prognose: Wie lange hält der Trend des Reboots noch an?

Es hält auf jeden Fall so lange an, wie Hollywood damit Geld verdienen kann und der Zuschauer darin einen Mehrwert für sich sieht. Aktuell lässt sich bei filmischen Reboots eine kleine Flaute bemerken. Interessant wird sicher die bereits angekündigte „Star Wars“-Triologie sein, die dem Reboot-Trend einen erneuten Schub geben oder ihren Niedergang einläuten könnte. Aber Hollywood hat es noch in jeder Krise verstanden, sich selbst neu zu erfinden, sodass die eigentlich spannende Frage ist, was nach dem Boom von Reboots und Comic-Verfilmung das nächste große Ding in Hollywood sein wird.

 

Zur Person: Dr. Oliver Schmidt promovierte 2011 an der Universität Bremen, arbeitet seitdem u.a. in Bremen und Hamburg. 2008 erschien seine Monografie über David Lynch „Leben in gestörten Welten“ und im Jahr 2013 seine Dissertation „Hybride Räume – Filmwelten im Hollywood-Kino der Jahrtausendwende“. Zudem ist er Mitherausgeber von Rabbit Eye – Zeitschrift für Filmforschung.

 

Coulter, Gerry: Tadeo Ando, One World Trade Centre and “The Ground Zero Project”, 25.06.2014

I. Introduction

The recently opened One World Trade Centre (One WTC or “The Freedom Tower” as some insist on calling it) in New York City is a curious edifice. The building is the center piece of an ongoing effort to respond to the events of September 11, 2001. It is a remarkably unexceptional modern tower of glass and steel (104 stories) reaching a symbolic 1776 symbolic feet (541m) at the top of its 408 foot (104m) high tower. I am among those who did not think that anything would make us miss the architecture of the twin towers as much as this building does. America felt it had to respond to 9/11 with a big building and that is what it has done. Now that we have One WTC I wonder if anyone wonders what we might have had in place of this monstrous ode to architectural mediocrity and petty local politics.

In this essay I will examine One WTC in contrast with the project proposed for the site by the Pritzker Prize Laureate Tadeo Ando. Ando wanted to use the space to help Americans reflect upon their place in the world. In an odd way, One WTC also accomplishes this goal but not in the way Ando intended.

II. ‘One World’ Trade Centre

“We came back and we rebuilt it and we should feel good about it” (One WTC architect David Childs cited in Rabb, 2013).

The original Twin Towers were not especially interesting works of architecture in comparison to what they represented – they were a symbol. In a world which was entering into increasing levels of hyper-realism, the original towers stood as a fictional center of digitalized integrated globalizing capitalism – architecture serving as the fiction of how society was being taught to imagine itself by its financial elites. As clones of each other the Twin Towers also represented a kind of lapse of architectural reason (See Baudrillard and Nouvel, 2000: 4 ff). Today the symbolism is more brutal: “One World” Trade Centre is more than an address – it is a commentary on Western globalization from one of its principal nodes. “One World” is the only way capitalism can now view the future – one world united under Westernization. Many Americans, and some others, can only understand globalization as “Americanization”, and One WTC is a monument to this ideology. As such it makes an adequate symbolic replacement for the Twin Towers expressed in New York City’s prevailing language of verticality.

On September 11, 2001 America experienced not only a symbolic defeat – there were real economic consequences. While an invasion of Afghanistan was probable no one could have foreseen the invasion of Iraq and the devastating toll this war has taken on an already bankrupt (several times over by 2001) American economy. According to my own computation from various U. S. Congressional and White House reports, it appears the cost of the Wars in Iraq and Afghanistan are approaching one trillion dollars since 2003 or about $8.7 M (€5.8 M) per day.

Similarly One WTC has delivered a hard economic blow to New York City whose commuters have experienced skyrocketing tolls to use the commuter systems to and from the island of Manhattan for several years. Cost estimates for the tower (the world’s most expensive building) were originally set at $2 billion (€ 1.33 B) and by the time of completion will reach at least $3.8 B (€ 2.53B). Its 3 million square feet of office space (replacing the 10 million square feet of the twin towers) will need to rent at 100 per cent occupancy at a rate of $125 (€ 83) per square foot for the building to break even. Over the past three years the average rent for office space in lower Manhattan is $62.50 (€ 41.6) per square foot as One WTC opens into a glutted market. When the building finally began in 2006 rents were falling in New York and a good deal of the “trimming” done to Daniel Libeskind’s original plans by Skidmore, Owings, and Merrill’s David Childs was a direct effort to cut costs. Still, in 2014 the anchor tenant Conde Naste is paying less than $60 (€ 45) per square foot. According to the Wall Street Journal today only 55 per cent of the building is leased and no new tenant has signed on in three years. The rent for non-anchor tenants has been dropped from $75 per square foot to $69 (€50 to €46). (http://on.wsj.com/1jVTyvd).

Further, cost overruns to its yet to be completed train station are currently in excess of $1B (€6.66 M). The Durst Corporation which manages One WTC values the $3.8 B tower at only $2B (€ 1.33 B). Through their constantly increasing commuter tolls workers in One WTC are subsidizing the rent of their employers.

One WTC is an incredible example of an edifice which makes no commercial sense and very little architectural sense. At the tenth anniversary memorial for 9/11 former New York State Governor Andrew Cuomo was overheard speaking with former New Jersey Governor George Pataki: “This is the biggest waste of money anybody’s ever seen. Who would have ever spent this money. If we knew what this was going to be like, nobody would have ever done this” (cited in Rabb, 2013).

Even among its architectural neighbors One WTC lacks architectural interest. It is a building in which many find neither grace nor charm. One of its harsher critics (the London-based graffiti artist Banksy), said that the building shows that New York “has lost its nerve” and the building represents that “New York’s glory days are over”.

III. One of the Potential Alternatives

“…nature is being destroyed by humans. There should be a harmony between the artificial world, the natural environment, and human beings” (Ando, 2009).

For a global economic and military power to be so successfully attacked as America was on September 11, 2001, by a relatively powerless group of individuals, is a humiliation. One World Trade Centre is a response to this act of humiliation. There was widespread demand for the Twin Towers to be rebuilt or be surpassed by another very large edifice – it had to be big. Very few called for anything but another architectural monster to reply to the monstrous attack. What we have in the end is another unexciting architectural monster in Manhattan to replace the Twin monstrosities which towered over their skyline like alien objects from an unmade Kubrick film.

One architect did offer the Americans an opportunity to avoid the creation of yet another architectural monstrosity for this site – Tadeo Ando (b. Japan, 1941). In Ando’s architecture Western Modernist architecture meets Eastern thought concerning balance, the human need for contemplation and edifices which deeply respect their environment. As he has said: “You cannot simply put something new into a place. You have to absorb what you see around you, what exists on the land, and then use that knowledge along with contemporary thinking to interpret what you see” (Ando, 2002b).

Ando, a self-taught architect, has worked within this philosophy for five decades and has won world architecture’s highest award: The Pritzker Prize (the equivalent of a Nobel Prize for architecture). Anyone unfamiliar with his work can, even after a few minutes of looking at several of his works on the internet, understand Ando’s gift (see especially his: Museum of Wood, (Hyogo, Japan [1994]; Chikatsu-Asuka Historical Museum (Osaka, Japan [1994]); Nariwa Museum (Okayama [1994], Oyamazaki Villa Museum (Kyoto [1995]; Awaji-Yumebutai Complex and Gardens (Hyogo [1999]); Studio Karl Lagerfeld (Biarritz [2001]; 4 x 4 House (2003); Row House, Azuma (1976); and Koshino House (1986)] . Ando has long been acutely aware of the need of humanity for buildings which compliment nature and the human need for peaceful contemplation. Often light [Church of the Light (1989); Atelier in Oyodo (1991)] and water [Fort Worth Museum of Modern Art (2002); Naoshima Contemporary Art Museum (1992) and his Hompuku-ji Water Temple, Hyogo (1991)] are used to compliment his overall philosophy of architecture.

Like many architects around the world Ando was profoundly affected by the events of September 11, 2001 – especially the fall of the twin towers and the deaths of nearly 3000 people on that day. When a competition was announced for both a memorial and a structure to replace the Twin Towers Ando offered perhaps his most thoughtful design – his Project for Ground Zero (2003). While it was never seriously considered by the adjudication panel (who had already been affected by the fever to respond with a huge vertical edifice), Ando’s proposal is more than an old model gathering dust in an architect’s storeroom. [Images of Ando’s proposal may be found by entering: “Tadeo Ando proposal for ground zero” into most search engines].

Among Ando’s recent gifts to architecture, theory and philosophy have been his unique solution to the question of what to do with “Ground Zero” in New York. Ando offered New York and America an opportunity to use the symbolic space of Ground Zero as a public place of contemplation on America’s place in the world. Ando said about his proposal: “It is important for architecture to touch the human spirit” (Ando and Rose, 2004). Against the terrorist action and the military response to it Ando proposed that a small section of a massive [imaginary] subterranean globe occupy on the site. This project, which will never be built, would also have spoken softly against the wild and callous architecture of downtown Manhattan – precisely the kind which now stand on this spot. The surface of the imaginary sphere would be a grass covered mound (a park for quiet contemplation and reflection) not unlike ancient Japanese burial mounds.

Ando proposed a singularity – a park in the shape of the imaginary globe slightly exposed above the surface. The result would have been a grass covered mound 650 feet [165m] in diameter which reached a height of 100 feet [32m] in the center. The mound would serve as the symbolic exposed surface of the imaginary underground sphere which would, in total, represent 1/30,000th of the surface of the earth. People walking across the mound would gain the impression of walking along the surface of a large sphere. Ando saw this project as an opportunity for people to think about how we are going to live together in the future on our shared celestial home. I think Ando knew full well that his project would never win the competition and it seems clear that he simply wanted to use it as a philosophical gift to Americans in the form of an unfinished design. He also understood that simply erecting another building on the site would do nothing to respond to the need for spaces in which to contemplate how we are going to live together as diverse peoples in the age of terrorism. Along with this project he offered the Americans advice: “I think that what we need now is the courage to construct nothing more on this site” (Ando, 2002a).

As has long been the case with Ando his solution to the problem of architecture at ground zero has been unique. He seems to have never believed in universal principles being applicable to all situations given his respect for the environment, light and those who will use his buildings. Against those who sought a military response to the events of September 11, 2001 Ando wanted to provide a park, which the exposed part of his globe was to be, to remind people that New York and America are part of the world. “I want the surface to disappear and become a space – a space that stimulates thinking. If the surface does not speak too loudly, then the people will begin to think about themselves. They bring the meaning to the space” (Ando in Auping, 2002).

In an age given over to architectural unreason (city after city dominated by office towers) Ando has so far not designed a monster. Perhaps it is because Ando is an autodidact that he was able to abandon so much of architectural history (save some key insights from the best of Modernism) and to offer up such a consistent and strong series of works. The most important thing he incorporates into his architecture has been his own intellectual sensitivities to place and space. He seldom, if ever, did this any better than in his proposal for the Ground Zero site in New York.

“As an architect this is all I can do – to create a dialogue among diverse cultures, histories, and values. We can learn so much from each other and our past” (Ando in Auping, 2002).

What Ando proposed was a philosophical and psychologically necessary park for meditation. What New York got was another glass, concrete and steel tower: an architectural act of [along with the invasion of Afghanistan and Iraq] in response to terrorism. One World Trade Centre stands to lose a lot of money for the foreseeable future. It seems an extraordinary expense for what is to be gained from it – this the tower shares with America’s War in Iraq.

A question remains: After the Twin Towers fell the terrorists and their supporters claimed a significant victory in the global war that is globalization and resistance to it (terrorism being the most extreme and distasteful form of resistance). It seems to me that Ando’s project clearly denied the terrorists (or anyone) a claim to victory. I wish I could say the same for One, World Trade Centre.

 Dr. Gerry Coulter

Full Professor and Past Chairperson, Department of Sociology, Bishop’s University, 2600 College Street, Sherbrooke, Quebec, Canada.  J1M 0C8

E-mail: gcoulter@ubishops.ca

Biography: Gerry Coulter has published over 150 scholarly and par-scholarly articles, reviews, and book chapters [many on art and architecture] over the past twenty years. He has presented his work at over 50 conferences around the world including two key-note addresses. He is the author of two books: Jean Baudrillard: From the Ocean to the Desert – The Poetics of Radicality (Intertheory Press, USA, 2012) and Art After The Avant-Garde: Baudrillard’s Challenge (Intertheory, 2014). He is the founding and managing editor of The International Journal of Baudrillard Studies (IJBS now in its 11th year): http://www.ubishops.ca/baudrillardstudies. His major reference work (456 pages): The Baudrillard Index may be accessed from the cover page of the IJBS website. Dr. Coulter’s teaching has been recognized on numerous occasions including Bishop’s University’s highest award for teaching – the William and Nancy Turner Prize. He serves on the editorial board of several North American and European Journals.

References (and other important documents concerning Ando)

Tadeo Ando (1995). “Acceptance Speech for the Pritzker Prize”: http://www.pritzkerprize.com/laureates/1995/ceremony_speech1.html

Tadeo Ando (2002a). “Architect’s Statement Concerning His Proposal For Ground Zero”. www.ando.groundzero/architect/ando/statement/240702

Tadeo Ando (2002b). “Interview with Architectural Record” (May): http://archrecord.construction.com/people/interviews/archives/0205Ando.asp

Tadeo Ando with Charlie Rose (2004). Interview, Charlie Rose Show (January 22): www.charlierose.com/view/interview/1616

Tadeo Ando (2009). Interview With CNN’s “Talk Asia” (aired: October 30, 2009).

Michael Auping (2002). Seven Interviews With Tadeo Ando. Fort Worth: Modern Art Museum of Fort Worth Publication.

Jean Baudrillard and jean Nouvel ([2000] 2002). The Singular Objects of Architecture. University of Minnesota Press. Translated by Robert Bononno.

Gerry Coulter (2008). “Louis I. Kahn The timeless Art of Light and Form”. Euro Art (On-line) Magazine (Summer):  http://www.euroartmagazine.com/new/?issue=14&page=1&content=168

William Curtis (2000). “A Conversation with Tadeo Ando”. El Croquis, No. 44+58.

Kenneth Frampton (1995). “Thoughts on Tadeo Ando” [An essay on Ando winning the Pritzker Prize]: http://www.pritzkerprize.com/laureates/essay.html

Alessandra Latour. (Editor). Louis I. Kahn, Writings, Lectures, Interviews, New York: Rizzoli, 1991.

Scott Rabb (2013). (“The Truth About The WTC”, Esquire Online Magazine: April 29): http://www.esquire.com/features/world-trade-centre-rebuilding-0912

Ruth Peltason and Grace Ong-Yan (2010). Architect: The Work of Pritzker Prize Laureates in Their Own Words. New York. Black Dog Press.

Pritzker Prize Committee (1995).  Biography accompanying Pritzker Prize Acceptance Speech: www.pritzkerprize.com/laureates/1995/bio.html).

Paul Lukas: „Vinyl“

Besprochen von Julia Schmidt

  • Paul Lukas: Vinyl. Milena: Wien 2012. 232 Seiten.

Wie ein ständiges Auf und Ab, himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt: so beschreibt Paul Lukas in seinem Roman „Vinyl“ die Liebesbeziehung zwischen dem Ich-Erzähler und seiner großen Liebe, der unberechenbaren und kompromisslosen Nadja.

Der Protagonist, ein ehemaliger Musiker, dessen Namen der Leser während des gesamten Romans nicht erfährt, arbeitet in einer Berliner Plattenfirma und führt ein trostloses Leben. Immer wieder springt er  zurück in die Vergangenheit und erzählt, wie er seine große Liebe Nadja kennenlernte, wie sie sich verliebten, wie sich ihre Beziehung entwickelte. Und wie er zu seiner Band, den „Sonntagsmördern“ kam, mit denen er so viele Jahre verbracht und gespielt hat.

Während all seiner Erzählungen steht die Beziehung zu Nadja im Mittelpunkt. Diese hat nichts Beständiges, nichts Sicheres oder Routiniertes. Wunderschöne und harmonische Momente wechseln sich ab mit heftigen Streitereien. Nadja ist eine komplizierte Person,  auf der einen Seite sehr stark und selbstbewusst, eine junge Frau mit klaren moralischen Vorstellungen, der Spießertum, Heuchelei und Geldgier ein Gräuel sind. Doch auf der anderen Seite verliert sie schnell die Kontrolle über ihre Emotionen, bricht zusammen und muss gepflegt und geschont werden, bis es ihr wieder besser geht. Auch mit der musikalischen Karriere des Erzählers geht es nicht immer steil bergauf. Die Band hat einige Anlaufschwierigkeiten, es dauert lange, bis die Musiker wirklich genug Erfolg haben, um von ihrer Musik leben zu können. Dies bringt ständige Geldprobleme für den Protagonisten mit sich, der zudem noch eine kleine Tochter aus einer früheren Beziehung zu versorgen hat.

Trotz dieser Schwierigkeiten steht der junge Mann von „damals“  in klarem Kontrast zu seinem jetzigen Ich. Als der Protagonist Nadja kennenlernt, ist er ein lebenshungriger junger Mann, der optimistisch in die Zukunft blickt, sein älteres Ich jedoch ist ein Zyniker. Dieser Mensch hat von Politik, Jugend und Gesellschaft eine sehr geringe Meinung und verspricht sich auch von seinem eigenen Leben nicht mehr viel. Mit Nadja ist er nicht mehr zusammen, sie fehlt ihm sehr und er hat ihren Verlust nicht überwunden. Durch die Zeitsprünge setzt sich das Leben des Protagonisten nach und nach wie ein Puzzle zusammen und die Frage, wie und warum die Beziehung zu Nadja ein endgültiges Ende findet, wird erst am Schluss beantwortet.

Nadja sucht ihren ehemaligen Geliebten nach einer mehrjährigen Trennung auf und bittet ihn um Hilfe. Erneut fühlt sich der Protagonist zu ihr hingezogen. Als sie ihm jedoch von ihrem Plan erzählt, ist er geschockt. Nadja ist traurig und wütend über den Tod ihrer Tante, der auf eine falsche ärztliche Behandlung zurückzuführen war und möchte ein Zeichen setzen. Sie will eine Bombe zünden und so gegen die Geldgier im Gesundheitssystem protestieren. Ihr Ex-Geliebter schafft es nicht, sie aufzuhalten; Nadja wirft die Bombe. Sie stirbt, er verliert eine Hand. Die musikalische Karriere des Protagonisten ist vorbei, doch dies scheint ihm gleichgültig zu sein. Nadjas Tod reißt ihn in tiefe Depressionen, sie bedeutete ihm alles.

Die Geschichte insgesamt ist ein wenig düster, von der Tatsache überschattet,  dass der Protagonist nicht mit seiner großen Liebe zusammenbleibt, er in einem Job endet, den er nicht ausstehen kann und seinen Kummer in Alkohol ertränkt. Dagegen ist die Sprache sehr bunt, reich an Bildern und Metaphern. Das ständige Auf und Ab in der Beziehung ist spannend mit zu verfolgen und auch die Frage, was zum endgültigen Bruch zwischen Nadja und ihrem Geliebten führt, erhält die Neugier aufrecht.  Vinyl – ein umgangssprachliches Wort für „Schallplatte“; genau wie dieser Tonträger scheint auch der Protagonist seine beste Zeit hinter sich zu haben. Er hängt einer vergangenen Liebe nach und auch seine berufliche Lage scheint aussichtslos. Das Ende des Romans gibt jedoch Mut: der Erzähler erwacht aus seiner Gleichgültigkeit, kündigt seinen ihm so sehr verhassten Job und beschließt, es noch einmal mit der Musik und dem Leben zu versuchen.