Über „Feuer brennt nicht“ von Ralf Rothmann

Besprochen von Leif Allendorf

  • ROTHMANN, Ralf: Feuer brennt nicht. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2009. ISBN 978-3518420638.

Die Handlung ist wirklich nicht originell: Ein Mann im so genannten besten Alter verlässt den wilden Kreuzberger Kiez und zieht mit seiner langjährigen Lebensgefährtin in den beschaulichen Südosten Berlins. Er ist Schriftsteller, wird von Selbstzweifeln geplagt und geht fremd. Nun stammt diese Geschichte aber aus der Feder von Ralf Rothmann, und wer dessen Roman „Stier“ gelesen hat, diese Geschichte des Maurerlehrlings, der nicht „so eine panierte Schweineseele“ wie seine Kollegen werden will, der miterlebt, wie Punk und New Wave in Düsseldorf einbrechen und die Welt auf den Kopf stellen, der als Krankenpfleger beobachtet, wie Menschen nur noch als Verschiebemasse behandelt werden, und der schließlich nach Berlin geht, um Schriftsteller zu werden – wer also von dieser Geschichte bezaubert wurde, dem wird es schwer fallen, sich der Elegie „Feuer brennt nicht“ zu entziehen.

Das liegt zum einen daran, dass die Milieus präzise beschrieben werden. Da ist Kreuzberg, das Idyll der Berufsjugendlichen, aber jetzt nur noch heruntergekommen. Und dann gibt es Köpenick, den fernsten Ausläufer Berlins, die S-Bahn Richtung Erkner, Friedrichshagen, den Speckgürtel, Schöneiche. Bemerkenswert, dass knapp zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer ein Westdeutscher immer noch so tut als seien die Ostdeutschen außerirdische Wesen, der es also zwei Dekaden lang geschafft hat, jeden persönlichen Kontakt über die einstige Grenze zu vermeiden.

Umso tieferen Einblick erhalten wir in das Liebesleben des Schriftstellers mit der etwas jüngeren ehemaligen Buchhändlerin. Es ist eine ganz gewöhnliche Beziehung, doch wie man sich wehtut, wenn man zusammen ist, das beschreibt Rothmann mit schmerzhafter Intensität. Wir leiden mit dem Erzähler, auch wenn der im Unrecht ist. Eingebunden in den Hauptstrang sind zwei wunderbare Personenstudien: die Geliebte, eine vom Ehrgeiz zerfressene erfolgreiche Akademikerin, sowie der alternde Schriftsteller und einstige Mentor des Ich-Erzählers, dessen scheinbare Überlegenheit sich zunehmend als soziale Inkompetenz entlarvt.

Einzig störend sind Passagen, in denen Rothmann über das Schreiben selbst räsonniert. Das haben wir schon in den Achtzigern gelesen – und uns schon damals gelangweilt. „Die Unwahrheit fängt mit dem Kunstwillen an, dem Arrangement, aber das merkt man nicht.“ Eben. Das Buch ist am stärksten dort, wo es sich ganz auf die Handlung verlässt. Alina hat nämlich auch ein Geheimnis, und dass Rothmann das letzte Wort ihr überlässt, spricht für den Autor.

Ralf Rothmanns Romane machen den Leser nicht klüger – aber weiser.