Helmut Pulte, Axiomatik und Empirie. Eine wissenschaftstheoriegeschichtliche Untersuchung zur Mathematischen Naturphilosophie von Newton bis Neumann

Besprochen von Frank-Peter Hansen

  • PULTE, Helmut: Axiomatik und Empirie : eine wissenschaftstheoriegeschichtliche Untersuchung zur mathematischen Naturphilosophie von Newton bis Neumann. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005. Edition Universität. ISBN 3-534-15894-6.

Man muß kein Prophet sein, um zu prognostizieren, daß sich dieses Buch, das man immer wieder lesen und/oder als Nachschlagewerk zu Rate ziehen kann, als Standardwerk etablieren wird oder bereits etabliert hat. Es bietet eine Analyse der Newtonschen Mechanik in ihrer mehr als 200jährigen, speziell – „bedingt durch die Konzeption reiner Mathematik“ (358) – deutschsprachigen Entwicklung. Im Zentrum steht die Frage nach ihrer Modernisierung vor dem Hintergrund der Frage nach dem Wandel im Verhältnis zwischen Axiomatik und Empirie. Sein wichtigstes Ziel sieht Pulte darin, „die Auflösung des axiomatischen Denkens der KMN (Klassische Mathematische Naturphilosophie, F.-P.H.) im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu analysieren“ (76). Der Übergang „von einem ‚axiomatisch-deduktiven‘ zu einem ‚hypothetisch-deduktiven‘ Theorieverständnis“ (81) soll nachvollzogen werden. Behandelt werden, um nur die wichtigsten Theoretiker zu nennen, I. Newton, L. Euler, J. Lagrange, I. Kant, J. Fries, C. G. J. Jacobi, B. Riemann und C. Neumann. Für an Fragen der reinen und angewandten Mathematik, der Physik und Wissenschaftstheorie (-geschichte) Interessierte ist diese Arbeit gleichermaßen lesenswert.

Für Newton, den Begründer des Mechanischen Euklidianismus, sind, so erfährt man, Axiome „die weitestgehenden Verallgemeinerungen von Erfahrung, die über die Bewegung materieller Körper gewonnen werden können“ (98). Das bedeutet, umgekehrt, daß es in Newtons mathematischer Theorie der Bewegung „eben nicht um die Bereitstellung einer formalen Struktur“ geht, „der nachträglich (durch Korrespondenzregeln) empirische Bedeutung verliehen wird. Vielmehr ist nach seinem Verständnis die Mathematik selber empirisch bedeutungsvoll …“ (111).

Ein anderes, hiermit in direktem Zusammenhang stehendes Beispiel: Der Mathematiker Leonhard Euler ist der Vertreter einer sensualistischen Ideenlehre. Alle Gedanken, inklusive der mathematischen Allgemeinbegriffe gehen auf die sinnliche Wahrnehmung zurück. Der Verstand macht, per Abstraktion, aus den aufs Einzelne bezogenen Vorstellungen der Wahrnehmung allgemeine Begriffe. Da also alle Allgemeinbegriffe, unter die auch die mathematischen der Zahl und der Ausdehnung fallen, auf Sinneswahrnehmung beruhen, entfällt für Euler, wie übrigens auch für D‘Alembert (vgl. 139 f.), die Schwierigkeit jeglichen Apriorismus‘: Aus dem Formalen etwas empirisch Reales zu machen. Weil die wie auch immer bestimmten Formen aus dem in der sinnlichen Wahrnehmung gegebenen Einzelnen abgeleitet sind, ist die Beziehung eine per se lückenlose. „Euler wendet sich daher (…) emphatisch dagegen, abstraktiv gewonnene mathematische Allgemeinbegriffe und physische Einzeldinge nach dem Schema ‚Idealität-Realität‘ zu unterscheiden. Die Eigenschaften der Allgemeinbegriffe der Mathematik müssen sich immer in den spezielleren, mit physikalischen Einzeldingen korrespondierenden Ideen wiederfinden, so daß auch für Euler (…) ein ‚Anwendungsproblem‘ im modernen Sinne nicht existiert: „Alles, was einem allgemeinen Begriff zukömmt, kömmt auch den untergeordneten zu, und alle die Eigenschaften, die mit ihm verbunden sind, sind auch nothwendig mit den unter ihm begriffenen Individuis verbunden“. ‚Mathematische‘ Ausdehnung etwa ist kein idealer, für die Physik unbrauchbarer Begriff, sondern ist real in dem Sinne, daß die Eigenschaften, die die Mathematik von ihr aussagt, auch von (notwendig ausgedehnten) physischen Körpern ausgesagt werden können. Eulers bevorzugtes (weil auf Leibniz‘ Monadenlehre abzielendes) Beispiel hierfür ist die unendliche Teilbarkeit der Ausdehnung: Sie ist mathematisch möglich und also auch physisch. Wären solche Schlüsse nicht erlaubt, würde die Geometrie eine „ganz unnütze und vergebliche Spekulation“ sein; diejenigen, die „zwischen den abstrakten und wirklichen Gegenständen“ unterscheiden, „erwägen nicht, daß keine einzige Folgerung, kein einziger Schluß mehr gelten würde, wenn es nicht erlaubt wäre, von jenen auf diese zu schließen; denn was thun wir in allen unsern Schlüssen anders, als daß wir die besondern Begriffe für die allgemeinen setzen““ (181). Zusammengefaßt: Mechanische Axiome sind für Euler „auch als mathematische Sätze nicht a priori gültig, denn die Mathematik insgesamt ist keine Wissenschaft a priori in dem Sinne, daß ihre Axiome und (qua Übertragung Eulerscher ‚logischer Wahrheit‘) Theoreme unabhängig von jeder Erfahrung gelten würden“ (ebd.).

Aufschlußreich auch Lagranges, „vom modernen Standpunkt“, wie es heißt, „durchaus befremdliche Vorstellung“ – man ahnt den konventionalistischen Generalvorbehalt –, daß die „intrinsische mathematische Struktur der Natur (…) gleichsam abgebildet (wird, F.-P.H.) auf den mathematischen Kalkül, der seinerseits diese Struktur offenlegt. (…) Lagrange unternimmt hier den Versuch, die Symbole der abstrakten Algebra an konkrete, erfahrungsmäßig gegebene Bewegungen anzubinden und so als realitätsvermittelnd auszuweisen – ein Versuch, der vergleichbar ist mit Newtons genetischer Anbindung seiner Fluxionsrechnung an die mechanische Bewegung“ (208; vgl. ebenso 281).

Der Name des Mathematikers Carl. G. J. Jacobi steht für den Bruch mit dem axiomatischen Denken der Klassischen Mathematischen Naturphilosophie. Ihr „Certismus und ‚Evidentialismus‘ wird letztlich durch eine Auffassung reiner Mathematik („im Sinne bloßer symbolischer Konstruktion nach Gesetzen des Denkens“ (379), F.-P.H.) zu Fall gebracht, die ihre Grenzen genau zu bestimmen sucht, um innerhalb dieser Grenzen strengere Kriterien mathematischer Gewißheit und Evidenz zur Geltung zu bringen. Zugleich eröffnet diese Mathematikauffassung die Möglichkeit alternativer Prinzipienformulierungen (beispielsweise in Gestalt Riemannscher nichteuklidischer, und später auch n-dimensionaler Geometrien, F.-P.H.) – und stellt damit die Forderung der KMN nach Einzigartigkeit bzw. Eindeutigkeit der Systembildung zur Disposition – die in nichts anderem als der Kreativität der Mathematiker und der Autonomie der Mathematik selber angelegt ist: Die Möglichkeiten reiner Mathematik werden durch die Erfahrung nicht hinreichend restringiert, um das System der Mechanik eindeutig zu bestimmen. Aus diesen Gründen spreche ich hier von einer ‚rein mathematischen‘ Auflösung der KMN“ (330).

Riemanns auch wissenschaftstheoretisch moderner Standpunkt gewinnt Kontur, wenn man ihm den Standpunkt Newtons kontrastiert: „Für Newton konnte das Trägheitsprinzip zugleich ein empirisch verifiziertes Naturgesetz und ein mathematisches Axiom sein, weil für ihn die Euklidische Geometrie (und damit Euklidische Geradlinigkeit) die evidente und eindeutige Struktur des Raumes abgab. Riemann löst diesen einförmigen Zusammenhang gleichsam ‚von beiden Enden‘ her auf: Er hypothesiert das Trägheitsprinzip von der empirischen Seite her, und zugleich eröffnet er von mathematischer Seite andere Optionen, d.h. er problematisiert die für Newton selbstverständliche Eindeutigkeit. Diese zweite Seite stelle ich in die Tradition der (in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts Platz greifenden, F.-P.H.) reinen Mathematik, und sie findet in Riemanns ‚allgemeinem Begriff der mehrfach ausgedehnten Grösse‘ ihren deutlichsten Ausdruck“ (368 f.).

Für den Mathematiker Carl Neumann schließlich sind „mathematische und logische Sätze und Theorien (…) zwar inhaltsleer, aber sicher und wahr; die mathematische Physik jedoch partizipiert hieran nurmehr qua ‚Ableitungssicherheit‘ und nicht mehr auf der Ebene der Prinzipien selber, wie es in der KMN der Fall ist. Ein Certismus bezüglich Mathematik und Logik und ein Prinzipienfallibilismus bezüglich der mathematischen Physik (und empirischen Theorien im allgemeinen) kennzeichnen Neumanns Wissenschaftstheorie in den Principien der Galilei-Newton‘schen Theorie (1869, F.-P.H.)“ (414).

Das Fazit lautet: „Die Mathematik führt nicht nur keine materiale Wahrheit ‚von oben‘ in das wissenschaftliche System ein, wie es die ältere KMN wollte, sie eröffnet zudem ganz verschiedene Möglichkeiten, deduktive wissenschaftliche Systeme über den gleichen Erfahrungsbereich zu errichten. Die Mathematik selber zeigt nach Neumann auf, „wie ausserordentlich gross der Spielraum ist für die willkührlich zu wählenden Principien“; es zeigt sich, „dass das Gebiet abstracter Untersuchungen, welches sich hier dem Mathematiker bietet, ein unendliches ist“. Neumanns Principien der Galilei-Newton‘schen Theorie artikulieren deutlicher als jede andere Quelle der zweiten Jahrhunderthälfte die Auflösung der KMN ‚von oben‘, um die es in dieser Untersuchung geht, und sie liefern zugleich einen wichtigen Beleg für den bisher ‚verborgenen‘ Einfluß Jacobis. Die Mathematik, in der KMN der eigentliche Garant wissenschaftlicher Objektivität, ist zu reich an Möglichkeiten und zu unabhängig von Erfahrung, um nur einen ‚Spiegel‘ der physikalischen Realität abzugeben“ (417 f.).

Wenn allerdings laut Neumann mathematisch-physikalische Theorien bloß den Stellenwert subjektiver Gestaltungen haben, „welche (von willkührlich zu wählenden Principien aus, in streng mathematischer Weise entwickelt) ein möglich treues Bild der Erscheinungen zu liefern bestimmt sind“ (418), dann stellt sich zunächst die wissenschaftstheoretisch harmlose Frage: Wie, wenn nicht in theoretischer Be- und Verarbeitung bieten sich die Erscheinungen dar? Anders, in polemischer, weil der Position Neumanns angemessener Absicht formuliert: Eine Theorie, die sich, ihres Formalismus‘ und ihrer ausdrücklichen Willkür halber von so ziemlich allem, nur nicht ihrem abstrakt-autarken Regelwerk absolviert, kann nicht mehr ernsthaft nach der Adäquatheit ihrer Konstruktionen fragen. Sie ist ja, die gemachten Voraussetzungen stehen dafür, per se und a priori gegeben. Anders denn als logisch-mathematisch zugerichtete vermag eine derartige Theorienschwemme ihre Erscheinungen zugegebenermaßen überhaupt nicht mehr zu denken.

Dennoch, und dem gleich anschließend mitgeteilten zweiten Einwand zum trotz: Pultes wissenschaftstheoriegeschichtliche Untersuchung ist ungemein fundiert, genau und umfassend recherchiert und sprachlich exakt, klar, ich möchte sagen, souverän formuliert.

Schwer, bei dem Inhaltsreichtum dieser Arbeit eine halbwegs zufriedenstellende und repräsentative Auswahl zu treffen. Was ist der Erwähnung wert, auf welche Zusammenhänge ist unbedingt hinzuweisen und auf welche kann notfalls verzichtet werden? In der durch den Umfang einer Rezension ohnehin gebotenen Beschränkung zeigt sich der Meister.

Noch, en passant, eine unerhebliche Korrektur: Köhnkes Vorname ist nicht Karl, sondern Klaus, genauer, Klaus Christian.

Aber: In dieser Publikation wird das moderne, empirisch und/oder formal verfahrende, auf Erkenntnisgewißheit Verzicht leistende probabilistische und prinzipienfallibilistische Wissenschaftsverständnis lediglich referiert und beispielsweise dem induktiv abgesicherten „Prinzipiencertismus“ eines Newton – „there is no other way of doing any thing with certainty than by drawing conclusions from experiments & phaenomena untill you come at general Principles & then from those Principles giving an account (Erklärung, F.-P.H.) of Nature“ (134) – als eine ernst zu nehmende Alternative kontrastiert (vgl. 66 f., 72, 74 f., 111, 132 u. passim). Über den Sinn oder Unsinn dieser für Bescheidenheit plädierenden Haltung moderner Wissenschaftstheoretiker wird man, was wohl auch nicht ihre Aufgabe ist, in dieser historisch angelegten Arbeit leider nicht aufgeklärt. Deshalb seien hier abschließend, unter Berücksichtigung eines klassischen Vertreters gegenwärtiger Wissenschaftsauffassung, auf den sich auch Pulte als einen Gewährsmann regelmäßig und am Ende seiner Untersuchung gehäuft (414 ff., 419, 429 ff.) beruft, über diese Theorie, die eben keine Theorie der Wissenschaft, sondern ein einziger in polemischer Absicht vorgetragener Etikettenschwindel ist, ein paar sachdienliche Überlegungen nachgereicht.

Wissenschaftliche Exaktheit wird in Karl Poppers Erkenntnistheorie lediglich von logischen Sätzen erreicht, die, ihrer identitätslogisch untermauerten Abstraktheit wegen, nichts über die Wirklichkeit aussagen. Sie sind folglich zusammengefaßt in Theorien, die, weil sie von jeglichem Bezug auf einen Gegenstand losgesprochen sind, explizit den Stellenwert von „Erfindungen“ und „kühnen Vermutungen“ oder auch, weniger wohlwollend, von „schlecht durchdachten Mutmaßungen“ haben. Ihnen kontrastieren die empirischen Wissenschaften, deren ausnahmslos eingeschränkt gültigen Aussagen über die Wirklichkeit prinzipiell die Frage aufwerfen, ob sie zutreffen. Wissen ist also laut Popper weder im Bereich formallogischer Axiomatik zu erreichen noch in demjenigen induktiv und folglich gedankenlos (s.u.) zu erschließender Empirie. Womit er zweifelsohne recht hat. Nur, was hat dieses doppelt basierte Wissenschaftskonzept eigentlich mit Wissenschaft zu tun?

Popper diskreditiert den Anspruch von Wissenschaft(en) auf die Objektivität ihrer Einsichten dadurch, daß er einen Pappkameraden kreiert, an dem sich genau dieser Anspruch blamieren soll. Dieser zu widerlegende Pappkamerad heißt „Induktionsschluß“, wobei es sich um einen Schluß handelt, den es gar nicht gibt, der aber, als widerlegter, dazu herhalten muß, die Unmöglichkeit gesicherter Erkenntnis zu beweisen. Wie also funktioniert er?

In ihm wird „von besonderen Sätzen, die z.B. Beobachtungen, Experimente usw. beschreiben, auf allgemeine Sätze, auf Hypothesen oder Theorien geschlossen“, was, wie bei Pulte nachgelesen werden kann, bereits das methodologische Vorgehen Newtons gewesen ist. Die Allgemeinheiten allerdings, auf die es Popper, anders als Newton, die bei ihm für in ihrer Gesetzmäßigkeit begriffene Abläufe der Natur standen, abgesehen hat, sind insofern verräterisch, als er in ihnen nichts anderes zu sehen vermag als die Häufigkeit eingetretener Fälle. Das Allgemeine wird wie selbstverständlich durch ein numerisches Alle ersetzt. Das aber ist alles andere als selbstverständlich, sondern der erkenntnisbekrittelnden Absicht geschuldet. „Nun ist es aber nichts weniger als selbstverständlich, daß wir logisch berechtigt sein sollen, von besonderen Sätzen, und seien es noch so viele (!, F.-P.H.), auf allgemeine Sätze zu schließen. Ein solcher Schluß kann sich ja immer als falsch erweisen: Bekanntlich berechtigen uns noch so viele Beobachtungen von weißen Schwänen nicht zu dem Satz, daß alle Schwäne weiß sind“ (Logik der Forschung, 2. Aufl., Tübingen 1966, S. 3).

Es stimmt, der allgemeine Satz Poppers ist keine gesicherte Erkenntnis. Zum einen, weil man in ihm nichts über die Eigenart eines jeweils besonderen Gegenstandes erfährt, da er, zum anderen, nichts weiter leisten soll, als ein stets vervielfältigbares, da quantitativ gestütztes und folglich problematisches Alle zu projektieren. Und drittens denkt die Biologie nicht über die Farbe des Federkleides von Wasservögeln nach. Warum nicht? Weil die Farbe nichts über gattungsspezifische Merkmale dieses Tieres aussagt.

Die Wissenschaft(en) gehen anders vor. Sie lösen eine Gattung aus gutem Grund nicht in die Allheit ihrer einzelnen Mitglieder auf, weil sie sich gerade für das Allgemeine interessieren, das diese Einzelnen zu Mitgliedern dieser Gattung macht. Um das Herausarbeiten der Bestimmungsstücke des solcherart verstandenen Allgemeinen bemühen sich die Wissenschaften. Um bei dieser Anstrengung erfolgreich zu sein, wird einerseits von den zufälligen Bestimmungen der in Frage stehenden Sache abstrahiert, und andererseits werden in den Prädikaten ihrer Urteile gattungsspezifische, für das Objekt wesentliche Bestimmungen ausgesagt, wozu die Farbe ganz sicher nicht gerechnet wird. Über sie mag der wissenschaftlich ungeschulte Verstand von Kindern ins Grübeln kommen, der sich gegebenenfalls darüber irritiert zeigt, daß Jungschwäne ein dunkelgraues Federkleid haben, und deswegen den Jungschwan nicht als zur Art dieser Wasservögel gehörig zu identifizieren in der Lage ist.

Kurz gesagt: Die Allgemeinheit des Urteilens, die Popper in der sozusagen kindlichen Manier eines sich begriffsstutzig anstellenden Erwachsenen anzweifeln möchte, kommt nicht durch das gedankenlose Aufhäufen von Beobachtungen zustande. Selbst Kinder im übrigen lernen, indem sie zu sprechen anfangen, den gesehenen Einzelfall zu verallgemeinern, worin ein begründeter Anlaß zur Freude besteht, der sich darin äußert, daß sie das Verstandene unablässig wiederholen. Darüber hinaus: Popper weiß, er mag sich so gezielt engstirnig anstellen wie er will, offensichtlich um die fragliche Identität der majestätischen Langhälse, wenn er sie an ihrem Federkleid blamieren will. Anders formuliert, der kritische Rationalist stellt sich hier womöglich vorsätzlich dumm, um nämlich seinen prinzipiellen Einwänden gegen gesicherte wissenschaftliche Einsichten und seinem Plädoyer für bescheidene Behutsamkeit beim bemühten Forschen einen Schein von Plausibilität zu geben.

 

Erstmals erschienen im Marburger Forum, Jg. 8 (2007), Heft 2