Über „Kameraautoren. Technik und Ästhetik“ von Thomas Brandlmeier

Besprochen von Ronald Klein

  • BRANDLMEIER, Thomas: Kameraautoren : Technik und Ästhetik. Schüren, Marburg 2008. ISBN 978-3-89472-486-3.

Michael Ballhaus plaudert im Gespräch mit Tom Tykwer über die Arbeit mit Fassbinder aus dem Nähkästchen: „Er ist selten gut vorbereitet gewesen, hatte aber immer seine Vision. Ungern hat er sich Motive angesehen. Er stand dann muffelnd in einer Ecke am Set und fragte mich: Was hast du dir überlegt“. Ballhaus gilt als einer der renommiertesten Künstler seines Faches. Nur wenige Kameramänner avancieren selbst zu Stars. Dabei illustriert Ballhaus’ Erinnerung, dass hinter der Linse stehen mehr bedeutet, als nur die Kamera zu schwenken und die Ausführungen des Regisseurs zu befolgen.

Thomas Brandlmeier, promovierter Chemiker, sowie habilitierter Medienwissenschaftler und Betriebswirt, untersucht die Arbeit an der Schnittstelle zwischen technischen Möglichkeiten und der Ästhetik der Regisseure in einem historischen Abriss und stellt das Wirken von 45 Kameraleuten vor. Ein Glossar erklärt dabei sämtliche Fachtermini, so dass der Einstieg auch für weniger Technikaffine problemlos möglich ist.

Das Kapitel „Deutscher Kamerastil bis 1933“ würdigt die frühen Innovationen, die heute bei Filmschaffenden und Kinogängern Selbstverständlichkeiten bedeuten. Guido Seeber beispielweise, erfand den Kameraschwenk, der seit 1900 zum Standardrepertoire der Filmkunst gehört. Nach und nacherweiterte sich das Repertoire der filmischen Ausdrucksmöglichkeiten. Tonfilm und das Produzieren in Farbe stellten weitere Innovationen dar, die die Arbeit am Set nachhaltig beeinflussten.

Auf den allgemeinen Teil folgt die Vorstellung der „Kameraautoren“ – ein Terminus, den Brandlmeier bereits 1977 prägte. Dabei liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Künstler hinter der Linse einen eigenständigen und wiedererkennbaren Stil besitzen. Ihre Ästhetik stellt Brandlmeier ausführlich vor. Dabei fällt nicht nur auf, dass „Kamerautoren“ selbst sehr introvertierte Menschen sind (u.a. zählen Alekan, Almendros, Ballhaus und Seeber zu den wenigen, die ihr Schaffen in Büchern reflektieren), sondern auch überwiegend männlich. Die „Kameraautorin“ besitzt noch einen Exotenstatus.

Die Beiträge zu u.a. Conrad L. Hall, Sven Nykvist oder Vilmond Zsigmond erläutern technische und wirtschaftliche Hintergründe und setzen diese in ein Spannungsverhältnis zu den ästhetischen Ansätzen der „Kameraautoren“. Mit über 500 Seiten stellt das Buch eine exzellent recherchierte Einführung zum Thema „Kamera und Kunst“ dar. Die Kameraautoren haben es verdient, stärker in den Fokus der filmwissenschaftlichen Untersuchungen gestellt zu werden. Thomas Brandlmeier hat dafür einen sehr wertvollen Beitrag geleistet.