Wolfgang Petersens „Troja“: Ein Mythos wird entkernt

Besprochen von Thomas Weber

  • Troja, Regie: Wolfgang Petersen, Produktion: USA 2004, Laufzeit: 156 Minuten.

Es gibt Stoffe, die kehren mit schöner Regelmäßigkeit in den kulturindustriellen Verwertungskreislauf zurück, der immer wieder die gleichen Geschichten remediatisiert, sie zu neuen Clustern und Produktzyklen zusammenstellt. Dabei verändert sich der Stoff bei jeder Bearbeitung und sagt weniger etwas mittels seiner schon hinreichend erzählten Story aus, sondern vielmehr durch die Art und Weise eben jener Bearbeitung.

Troja-Cluster mit Brad Pitt und Wolfgang Petersen

Wolfgang Petersens Verfilmung des Troja-Stoffes mit Brad Pitt in der Rolle des Achill ist eines der herausragenden Ereignisse des neuen Troja-Clusters vor allem auf Grund der öffentlichen Aufmerksamkeit, die dem Film zu Teil wurde. Die Art und Weise der Petersen-Inszenierung erzählt dabei eine Geschichte der mythologischen Entkernung: die Debatte der Götter, die sich in Homers Epos immer wieder in das Geschehen einmischten, wurden ebenso aus dem von Petersen linear und eindimensional konstruierten Handlungsstrang eliminiert, wie die rund 10 jährige Belagerung von Troja oder gar die homophilen Neigungen des Helden Achill, mit denen ein Star wie Brad Pitt sich beim amerikanischen Publikum offenbar nicht den Ruf „ruinieren“ wollte.

Industrielle Verwertung

Sogar Mike Hillenbrand von der amazon.de-Redaktion, dem industriellen Verwerter der seit dem 17.09.04 erhältlichen DVD/VHS – Version, fällt auf: “Hollywood-Star und ‘sexiest man alive’ Brad Pitt dreht immer mal wieder Filme, in denen er seinen gelungenen Körper seinen weiblichen Fans präsentieren darf. Mit Troja legt er einen der besseren Streifen aus dieser Kategorie vor. Das Epos lebt hauptsächlich von seiner und Eric Banas Ausstrahlung, der Achills Widersacher Hektor spielt. Während die meisten anderen ihrer Kollegen gegen die aufwendig inszenierten Bilder und Special Effects hoffnungslos unterliegen (einzig wirklich erwähnenswerte Ausnahme ist hier Priamos-Darsteller Peter O’Toole), können Pitt und Bana dem opulent ausgestatteten Drama ihren Stempel aufdrücken. An ihnen liegt es sicher nicht, dass trotz aller Bildgewalt ein etwas schaler Beigeschmack nach dem Filmgenuss bleibt.”

Reduktion des Stoffes

Und sogar den Zuschauern fallen offensichtliche Schnitzer auf; so schreibt etwa Philipp Weinreuter als Rezensent für amazon.de: “Fangen wir also kurz und knapp mit einigen wesentlichen Inhalten an die fehlen, bzw. falsch sind:

* die Götter, der Apfel der Zwietracht werden ausgeklammert, keine Athene, keine Hera, keine Aphrodite, keine Heirat von Pelus und Thetis, kein Apollon usw.

* 10 Jahre Belagerung werden unterschlagen,

* Menelaos wird völlig unnötiger Weise von Hektor erstochen,

* Agamemmnon wird von Brisis erstochen,

* Ajax kommt viel zu kurz und wird auch von Hektor besiegt,

* auf griechischer Seite fehlen Dimomedes, Philoktetes und Neoptolemos gänzlich,

* Änäas komm auf trojanischer Seite viel zu kurz.”

Dabei ist ein Vergleich von literarischer Vorlage und filmischer Umsetzung mit Vorsicht zu genießen. Veränderungen sind häufig notwendig oder unumgänglich. Doch es fragt sich, wohin die Modifikationen führen sollen?

Internationales Popcorn-Kino

Bei Petersen kommt jedenfalls eine Troja-Geschichte heraus, die wie geschaffen ist fürs internationale Popcorn-Kino, nach gängigen Drehbuchrezepten angerichtet, frei von komplexen Zusatzstoffen, gewürzt mit hinreichend bekannten Stars (oder solchen, die es werden wollen wie Diane Kruger) und garniert mit durchaus beeindruckenden special effects, die die Kosten für das visuell aufgemotzte Schlachtengetümmel weiter in die Höhe treiben und damit auch die Budgets, an denen künftige Filme sich zu orientieren haben, wenn sie dem Zuschauer einfach nur eine gute Geschichte erzählen wollen.