Allendorf, Leif: Noch mehr Dampf im Kessel. Die Islamische Republik Iran nach der Präsidentschaftswahl 2005, 07.07.05

Immer wieder ist der Iran in aller Munde. Wirtschaftlich gesehen ein 3.-Welt-Land. Politisch und militärisch betrachtet jedoch spätestens seit der Wahl Mahmud Ahmadinedjads eine ernstzunehmende Größe. Leif Allendorf in einem Rückblick zur Präsidentschaftswahl von 2005.

Die Erfahrung, dass Wahlen heutzutage nicht gewonnen, sondern verloren werden, scheint der Iran bei der soeben entschiedenen Kür des Staatspräsident gemacht zu haben. Als “unvorstellbar unbeliebt” bezeichnete Rudolph Chimelli, Pariser Korrespondent der “Süddeutschen Zeitung”, den unterlegenen Kandidaten Akbar Haschemi Rafsanjani. Auf einer Podiumsdiskussion der Grünen-nahen “Heinrich-Böll-Stiftung” in Berlin am 5. Juli äußerte der Journalist sein Unverständnis darüber, “wie der auf die Idee kommen konnte, sich zur Wahl zu stellen”.

Diese Einschätzung teilte auf der gleichen Veranstaltung Farah Karimi, die für die Grünen im niederländischen Parlament in Den Haag sitzt. Rafsanjani, einer der reichsten Männer des Landes, stehe für alles, was bei der Bevölkerung derzeit unbeliebt ist: Korruption, Vetternwirtschaft, Verlogenheit.

Ein Verlegenheitskandidat wird Sieger

Dies warf die Frage auf, wie es denn um den Gewinner der Wahl, Mahmud Ahmedinedjad, stehe. Dieser gilt als fundamentalistischer Hardliner. Ob die Gangart des Regimes nun allerdings schärfer wird, bezweifelte Chimelli: “Die neuen Machthaber werden sich hüten, die Leute unnötig zu verärgern.” Die kleinen Erleichterungen, die der gemäßigte Präsident Chatami in den acht Jahren seiner Amtszeit dem übermächtigen Klerus abzuringen vermochte, seien kaum rückgängig zu machen. Etwas differenzierter sah dies Farah Karimi. Sie rechnet mit einer leichten Verbesserung der sozialen Zustände. Schließlich seien es die “Barfüßigen”, die Armen, die wie schon bei Chomeneis Revolution 1979 die Machtfrage entschieden hätten. Allerdings rechnet die Abgeordnete mit weiteren Repressionen gegen die Meinungsfreiheit.

Einig waren sich beide, dass es sich bei Ahmedinedschad um einen Verlegenheitskandidaten handle, der “im letzten Moment aus dem Hut gezaubert wurde”. Die Konservativen hätten damit neben der vor einem Jahr errungenen Parlamentsmehrheit nun auch die Exekutive zurückgewonnen.

Eine Alternative fehlt

Über die Zukunft des Landes will sich Rudolph Chimelli keine Illusionen machen. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs habe bislang jede iranische Regierung auf nichts anderes als auf den Erlös des Erdöls gesetzt – mit fatalen Konsequenzen für die Wirtschaft des Landes. Da klinge es besonders beunruhigend, wenn der Wahlsieger verkündete, dieses Geld solle künftig “auf den Tellern sichtbar sein”. Farah Karimi erinnerte daran, dass der drittplatzierte Kandidat des ersten Wahldurchgangs, Mehdi Karrubi, fünf Millionen Stimmen gewinnen konnte. Sein gesamtes Wahlprogramm bestand darin, jedem Volljährigen im Monat umgerechnet 50 Euro zu versprechen.

Leute wie er sowie der gescheiterte Kandidat der Reformer, Mostafa Moin, sind es, die nun die Opposition stellen werden. Beide kündigten dier Gründung einer Partei an. Chimelli glaubt allerdings, dass beide nicht in der Lage sind, einer charismatischen Figur wie dem Religionsführer Chamenei etwas entgegen zu setzen. Auch Farah Karimi hofft eher auf die im Iran sehr aktive Frauenbewegung, die es geschafft habe, neben der gebildeten Oberschicht auch andere Teile der Bevölkerung zu gewinnen.

Streit um die absolute Herrschaft der Geistlichkeit

In seinem monatlich erscheinenden “Iran-Report” hält der in Berlin lebende Autor Bahman Nirumand an der Hoffnung fest, die zersplitterte oppositionelle Szene könnte sich einigen und das Land reformieren. So fand der Aufruf des Reformers Moin zur Bildung einer “Front für Demokratie und Menschenrechte” Anklang bei Vertretern der so genannten “National-Religiösen”, die sich für Änderungen im Rahmen der geltenden iranischen Verfassung einsetzen. Stärker laizistisch orientierte Kreise aber sehen in der Abschaffung der absoluten Herrschaft der Geistlichkeit die Grundvoraussetzung für eine Modernisierung des Landes. Sie sind von einer Beteiligung an der “Front” von vorneherein ausgeschlossen. Die kommenden Monate werden zeigen, welche der beiden Strömungen in der politischen Landschaft des Iran größeren Einfluss haben. Denn dass sich angesichts der anhaltenden Verarmung der Bevölkerung – 50 Prozent untrer der Armutsgrenze und einer offiziellen Arbeitslosenquote von 15 Prozent – etwas ändern muss, darin sind sich alle Beobachter einig.